Hochsauerlandkreis. Weshalb der FDP-Bundestagsabgeordnete Carlo Cronenberg bei der B7n für mehr Flexibilität wirbt und warum er an keine zweite Coronawelle glaubt.

Schnelles Internet an jeder Milchkanne, eine gute Anbindung an die Autobahn, eine ortsnahe Krankenhausversorgung, die Gülle und die Landwirtschaft, Corona und die Wirtschaft, der Borkenkäfer und der Wald – das sind wichtige Themen, die über die Zukunft des Sauerlandes entscheiden. Wir haben darüber mit dem heimischen FDP-Bundestagsabgeordneten Carl-Julius Cronenberg bei einem „Sommerinterview“ beim „Schinkenwirt“ in Olsberg gesprochen.

Forderung: B7 muss gebaut werden

Steigen wir gleich mit einem aktuellen Aufreger-Thema ein: Der geplante Bau der B7n im Anschluss an die Autobahn erhitzt zurzeit die Gemüter in Brilon und Altenbüren, da der von vielen Bürgern favorisierte Verlauf zu scheitern droht. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Cronenberg: Der Weiterbau der B7n ist ein herausragendes wichtiges Infrastrukturprojekt für die Region. Ich kann die Menschen und die Aufregung gut verstehen. Man darf nicht den Eindruck vermitteln, dass der Raubwürger wichtiger ist als die Menschen. Praktisch gedacht aber bin ich der Meinung, wenn die Experten Recht behalten, wird man mit der Variante 1 am Ende keine rechtssichere Planung hinbekommen. Auch wenn die favorisierte Variante besser ist als alle anderen, muss man deshalb sagen: Jede Variante ist besser als keine Variante. Die B7n muss gebaut werden.

Thema Landwirtschaft

Aufgeregt hat viele Landwirte in jüngster Zeit die Düngemittelverordnung, die den Einsatz von Gülle beschränken soll. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde, dass es mehr Messstellen geben sollte, um die Nitratwerte an vielen verschiedenen Orten zu bestimmen. Es ist falsch, alle Betriebe über einen Kamm zu scheren.

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Man muss stattdessen vor Ort gucken, wie die Belastung tatsächlich ist und dann entscheiden. Gleichzeitig sollten wir aber durchaus darauf vertrauen, dass unsere Sauerländer Landwirte wissen, wie viel Gülle ihre Böden vertragen.

Zur Person

Beruf: FDP-Bundestagsabgeordneter/Unternehmer

Weitere Ämter: Seit 1999 Rat der Stadt Arnsberg, seit 2015 Vorsitz Kreisverband FDP HSK und stellv. Vorsitz Bezirksverband der FDP, seit 1998 Mitglied der Vollversammlung IHK Arnsberg-Hellweg-Sauerland; seit 2002 Beirat des Unternehmensverbands Westfalen-Mitte; Gründungsstifter und -vorstand Bürgerstiftung Arnsberg, seit 2019 Kuratoriumsvorsitzender der Westfalen Initiative

Wohnort: Arnsberg

Alter: 58 Jahre

Familienstand: verheiratet; drei Kinder.

Hobbys: Im Sommer Radfahren, im Winter Ski-Laufen in den Alpen und Ski-Langlauf im Sauerland

Digitalisierung voranbringen

„5G an jeder Milchkanne. Wir sehen Chancen“ – so wirbt die FDP zurzeit im Kommunalwahlkampf um Wählerstimmen. Wie wichtig ist die Digitalisierung für den ländlichen Raum?

Ganz klar: 5G an jeder Milchkanne – das muss sein. Das habe ich von Anfang an gefordert. Es geht nicht darum, dass 95 Prozent der Bevölkerung schnelles Internet hat, sondern darum, dass 95 Prozent der Fläche versorgt ist. Schnelles Internet ist nicht nur für die Ballungsräume wichtig, sondern ist gerade für ländliche Regionen ein entscheidender Standortfaktor. Die Digitalisierung muss in jeder Beziehung weiter vorangebracht werden. Gerade durch die Corona-Krise hat sich gezeigt, dass der Staat auf diesem Gebiet sehr rückständig ist. Besonders deutlich geworden ist das jetzt aktuell im Bildungsbereich.

Bildung in der Corona-Zeit

Apropos Bildung. Wo sehen Sie mit Blick auf die Corona-Krise Handlungsbedarf?

Die Folgen der Corona-Pandemie sind für die Wirtschaft sehr schwerwiegend, aber für die Bildungssituation und damit für die Familien und die Gesamt-Gesellschaft sind sie dramatisch. Vor allem Kinder, die zu Hause nicht so gut unterstützt werden können, leiden unter den Folgen von Schulschließungen. Deshalb brauchen wir grundsätzlich einen Paradigmenwechsel mit einem Recht auf Bildung. Ich erwarte, dass der Staat die Kinder immer unterrichtet. Wenn er das im Klassenraum nicht kann, dann muss er das auf digitalem Weg machen.

Corona und die Folgen für die Wirtschaft

Sie haben gerade auch die schwerwiegenden wirtschaftlichen Corona- Folgen angesprochen. Wie kann den Sauerländer Unternehmen geholfen werden?

Wichtig ist, genau hinzugucken. Es gibt nicht nur Problem-Branchen. Ich bin mir sicher: Das Sauerland stürzt nicht in eine Corona-Depression. Es gibt durchaus auch stabile Geschäftslagen, Unternehmen, die sagen, dass es bei ihnen gut läuft wie zum Beispiel im Bereich von Haushaltsgeräten, Möbeln, Baumärkten. Im Bereich Tourismus ist die Lage sehr durchwachsen und sehr unterschiedlich. Während die einen davon profitieren, dass viele Menschen im eigenen Land Urlaub machen, gibt es aber auch Gastronomiebetriebe, die sonst große Feiern haben, die jetzt komplett weggebrochen sind. Schwierig ist es zum Beispiel auch für den lokalen Einzelhandel, die Reisebranche, Schaustellerbetriebe, im Kulturbereich und im Messebau.

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Auch die Automobilbranche leidet, war allerdings auch schon vor Corona krank. In der Wirtschaft ist es fast wie bei uns Menschen: Diejenigen, die Vorerkrankungen habe, sind besonders gefährdet. Wichtig ist es, gezielt den Branchen zu helfen, die jetzt nicht wieder ans Laufen kommen. Ich halte jedoch nichts von planlosen Maßnahmen mit der Gießkanne.

Mit dem Virus leben lernen

Aktuell steigen die Corona-Zahlen wieder deutlich. Brauchen wir strengere Vorgaben?

Nein, das finde ich nicht – zumindest nicht pauschal. Zwar sehen wir leider seit einiger Zeit wieder steigende Infektionszahlen - aber Gott sei Dank kaum noch oder keine schweren Krankheitsverläufe oder Sterbefälle. Wichtig ist es, dass man das Infektionsgeschehen lokal betrachtet, bewertet und dann lokal sinnvolle Maßnahme ergreift. Ich gehe nicht davon aus, dass es eine zweite Welle gibt, sondern dass wir uns eher in einer Dauerwelle befinden. Deshalb müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben – zumal sich in der Corona-Krise unser Gesundheitssystem im internationalen Vergleich als sehr robust herausgestellt hat.

So wichtig ist das Krankenhaus

Ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist auch für unsere Region sehr wichtig. Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht der Fortbestand der Krankenhäuser im HSK – gerade mit Blick auf Winterberg?

Eine gute Gesundheitsversorgung ist auch ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Fachkräfte ziehen nicht ins Sauerland, wenn die Versorgung nicht top ist. Durch den Strukturwandel in der Krankenhaus-Landschaft wir es am Ende mehr Qualität geben, aber auch weitere Wege.

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Bei OP´s zum Beispiel braucht man hohe Fallzahlen und Spezialisten. Nicht alle Krankenhäuser im Sauerland können zukünftig noch Vollversorger sein. Aber: Wir brauchen die heimischen Krankenhäuser – auch das in Winterberg – für die Erstaufnahme und die Notaufnahme von Patienten.

Der kranke Wald braucht Hilfe

Schwer krank ist zurzeit leider auch der heimische Wald. Was können wir aus Ihrer Sicht dagegen tun?

Neben den katastrophalen finanziellen Folgen der Borkenkäferplage für tausende Familien im Sauerland, rücken jetzt auch die volkswirtschaftlichen und vor allem die ökologischen Folgen ins Zentrum der Debatte. Die Wälder in deutschen Mittelgebirgen sind gleichzeitig Klimaanlage, Trinkwassertank und CO2-Speicher in unseren Breitengraden. Europäische Solidarität darf keine Einbahnstraße sein, jetzt brauchen wir einmal Hilfe aus Brüssel. Laut dem Bund Deutscher Forstleute NRW erreichen die Einnahmeausfälle pro Jahr ca. 30 Mio. Euro allein im HSK – und das für Jahrzehnte. Den Gesamtschaden wird auf ca. 1 Milliarde Euro beziffert. Das kann das Land unmöglich alleine stemmen. Und der Privatwald schon dreimal nicht, dem hat der Käfer auf Jahrzehnte die wirtschaftliche Basis für Neubewaldung und Pflege weggefressen.

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