Marsberg/Brilon. Anwar Hossain kommt 2015 mit der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland. Er lebt in Marsberg und arbeitet in Brilon. Das ist seine Geschichte.
2015 kam Anwar Hossain mit der großen Flüchtlingswelle. Heute, fünf Jahre später, ist er angekommen. In Deutschland. In Brilon und in Marsberg. Der 25-Jährige hat gerade seine Ausbildung beendet. Er ist Bäckereifachverkäufer und stolz auf seinen Gesellenbrief. Seine Ausbildung hat er in der Bäckerei Liese in Brilon gemacht. „Ich bediene gerne die Kunden in der Bäckerei und auch im angeschlossenen Café“, sagt Anwar Hossain. Er spricht hervorragend Deutsch, fließend und mit korrekter Grammatik.
Der 25-Jährige ist aus seiner Heimat Bangladesch geflüchtet. 2015 kam er nach einer langen Odyssee über Libyen mit seinem andauerndem Bürgerkrieg nach Europa. Erst nach Italien und dann nach Deutschland. In Marsberg hat er eine neue Heimat gefunden, ein neues Leben und eine Ersatzfamilie. Die Eheleute Mathias Markus und Monika Meyer-Markus haben den den jungen Bangladesen in ihre Familie aufgenommen.
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Seit einem Jahr leben sie gemeinsam in einer Wohnung mitten in Marsberg. Von ihrem Balkon aus haben sie einen wunderbaren Blick über den Kirchplatz mit Propsteikirche.
Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer abgeschlossen
Der Balkon ist nicht groß. Ein Tisch, drei Stühle. Rundherum hängen in allen Farben blühende Geranien in ihren Töpfen. Eine kleine bunte Oase. Hier genießt der junge Mann gerne und oft seinen Feierabend. In diesem Sommer hat die Sonne das Thermometer ganz schön in die Höhe getrieben. Die Hitze mache ihm nicht viel aus, sagt Anwar Hossain, aber er vermisse die klare, reine Luft aus seiner alten Heimat Bangladesch. Und die Natur. Er atmet tief durch.
Vorurteile abbauen
„Anwar ist ehrlich, aufrichtig, strebsam und fleißig – ein Juwel“, lobt ihn Mathias Markus. „Wir werden für Anwar weiterhin alles unternehmen, um ihn hier eine Heimat zu ermöglichen. Das ist unser Lebensziel.“
„Anwar hat sich unser Engagement mehr als verdient“, fügt seine Frau an. Anwar lächelt.
„Wir alle sollten Vorurteile abbauen und Menschen in Not helfen“, wünscht sich Mathias Markus. Er weiß jetzt: „Es ist spannend andere Kulturen kennenzulernen und von ihnen zu lernen.
Mathias Markus und seine Frau haben in den fünf Jahren, in denen sie sich um Anwar Hossain kümmern, viel Zuspruch erhalten aber auch Ablehnung erfahren: „Wahre Freunde haben sich herauskristallisiert. „Aber leider haben wir auch andere Charaktere erkennen müssen. Fünf Jahre Kampf bis jetzt.“
Seine Eltern und seine vier Geschwister leben noch dort. Er steht mit ihnen im regelmäßigem Kontakt per Handy. „Es geht ihnen momentan nicht gut“, sagt er ernst. Sie sind von dem andauerndem und starken Hochwasser im Land betroffen. Rund ein Drittel Bangladeschs steht unter Wasser. Millionen Menschen sind obdachlos. Hinzu kommt das Corona-Virus.
Ja, er denke täglich an sie, sagt er. Und er empfinde eine tiefe Dankbarkeit. „Dass ich hier leben darf.“ Dass er eine Ausbildung machen durfte. Dass er übernommen worden ist in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dass er in dem Ehepaar Markus Ersatzeltern gefunden hat. Die beiden strahlen, als er dies sagt.
Heimat Bangladesch nicht vergessen
Aus Bangladesch war er geflohen, weil seine politische freie Gesinnung nicht gut ankam. Anwar Hossain ging dort zur Schule bis zum Abitur. Er wollte studieren. Das wurde ihm deshalb untersagt.
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Er ist Muslim. Er wollte seine Religion studieren und Imam werden. Ein Imam ist Vorbeter in einer Moschee. Auch in Marsberg gibt es einen Moscheeraum. Der deutsch-türkische Kulturverein Marsberg hat ihn zum Gebet eingerichtet. Auch Anwar Hossain geht oft dorthin, um zu beten.
In den fünf Jahren, die Anwar Hossain jetzt in Marsberg lebt, hat sich eine tiefe Freundschaft zwischen ihm und seinen „deutschen Eltern“, wie er Markus Mathias und seine Frau Monika Meyer-Markus immer gerne nennt, entwickelt. Monika Meyer-Markus engagierte sich damals in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe und gab Deutsch-Kurse in der gelben Schule, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde.
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Auch Anwar Hossain lebte mit zehn weiteren Geflüchteten aus mehreren Nationen in einem früheren Klassenzimmer und nahm an dem Deutschkurs von Monika Meyer-Martin teil. „Er fiel sofort auf“, sagt sie. Durch seinen Lerneifer, seine Wissbegierde und seine Arbeitsbereitschaft. Schon nach kurzer Zeit sprach er bestens Deutsch. Die Integrationsdeutschkurse schloss er mit den den Noten sehr gut und gut ab und er arbeitete als 1-Euro-Jobber im St.-Marien-Hospital. Die Bäckerei Liese in Brilon suchte 2017 einen Auszubildenden. Anwar Hossain hat sich beworben und die Stelle bekommen.
Chemie stimmt zwischen dem Flüchtling und seinen „deutschen Eltern“
Die WP berichtete bei Ausbildungsbeginn „über das positive Beispiel einer gelungenen Integration“ und das gute Verhältnis zwischen dem Azubi aus Bangladesch und seinem Bäckermeister Jörg Liese. Die 25 Kilometer zur Arbeit fuhr er Anfangs mit Zug oder Bus. 2017 machte Anwar Hossain einen Führerschein. Seine „deutschen Eltern“ haben ihn auch dabei unterstützt und stellen ihm bis heute ihren Pkw zur Verfügung.
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„Lernen macht mir immer Spaß“, sagt Anwar Hossain. Er denkt darüber nach, bei der Volkshochschule einen Auffrischungskurs Englisch zu nehmen. Er möchte gerne irgendwann England kennenlernen. „Aber das ist ja jetzt mit Corona eher schwierig“, bedauert er. Mit seinen deutschen Eltern unternimmt er gerne Städtetouren. So waren sie schon gemeinsam in Berlin und München.
Die Chemie stimmt zwischen den drei. „Wir leben Integration“, sagt Mathias Markus, „und profitieren davon.“ So habe sich beispielsweise auch der Speiseplan unheimlich erweitert. Anwar Hossain kocht gerne und oft. Am liebsten Gerichte aus der bangladesischen Küche. Monika Meyer- Markus: „Das schmeckt richtig gut.“
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