Brilon. Christian Leiße, Gewerbeverein Brilon, erklärt, wie Briloner Geschäfte sich gegen Online-Riesen behaupten wollen. Mit diesem Plan soll es klappen

Die Corona-Krise stellt den Einzelhandel vor nie dagewesene Herausforderungen. Doch auch der Aufstieg der Online-Riesen wie Amazon und der Nachhaltigkeitsaspekt halten die Geschäftsinhaber in Atem. Der Briloner Gewerbevereinsvorsitzende ChristianLeiße, Inhaber von Herrenausstatter Leiße in Brilon, Willingen und Winterberg, über die neuen Aufgaben für inhabergeführte Läden.

Meine Schwester lebt in Hamburg und hat mir während der Corona-Krise erzählt, dass dort viele kleine inhabergeführte Läden schließen mussten. Droht unserer Bahnhofstraße das gleiche Schicksal?

Persönlich glaube ich nicht, dass sich unsere Bahnhofstraße maßgeblich verändern wird. Inhabergeführte Läden haben besondere Chancen.

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So kann der Inhaber eben durch eigene Präsenz den Kostenblock Personal abfedern. Das Kurzarbeitergeld hat außerdem sehr weitergeholfen – da muss man sich an dieser Stelle auch mal bei den Mitarbeitern bedanken, die die Situation flexibel mitgetragen und große Einschnitte in Kauf genommen haben. Aber zurück zur Frage: Ich glaube zwar nicht daran, dass sich unsere Bahnhofstraße verändern wird, aber der Paradigmenwechsel im Bereich Onlineshopping wird sich bemerkbar machen. Da wirkt Corona wie ein Brandbeschleuniger.

Wie können sich kleine Geschäfte gegen das Verbreiten von Onlineshopping wehren?

Wer gegen Amazon kämpfen will, hat schon verloren. Jeff Bezos ist erst letztens 13 Milliarden Dollar reicher geworden - innerhalb eines Tages!

Shopping-Feeling trotz Corona-Einschränkungen? Christian Leisse, Modegeschäft in Brilon, Winterberg und Willingen, erklärt, wie die Krise dem Einzelhandel zusetzt.
Shopping-Feeling trotz Corona-Einschränkungen? Christian Leisse, Modegeschäft in Brilon, Winterberg und Willingen, erklärt, wie die Krise dem Einzelhandel zusetzt. © Privat | Privat

Wir müssen, um zu kämpfen, die Endverbraucher sensibilisieren. Viele nutzen doch das Internet, kaufen dort ein und beschweren sich dann, dass eine Eisdiele oder ein Café in der Einkaufsstraße schließt. Wer aber nicht mehr zum Einkaufen in die Innenstadt kommt, der isst auch kein Eis mehr oder trinkt keinen Kaffee – so hängen auch andere Branchen vom Shopping vor Ort ab. Wir können, als inhabergeführte Geschäfte, versuchen, uns über die Qualität unserer Produkte zu profilieren. Über den Service, die Beratung und unsere Individualität.

Viele Experten sprechen davon, dass die Innenstädte nur gerettet werden können, wenn Einkaufen ein Erlebnis wird. Gilt das Ihrer Meinung nach auch für Brilon?

Einkaufen in Brilon ist schon immer ein Erlebnis gewesen! Ich weiß doch genau, dass man in Brilon den Kunden Kaffee und Süßes anbietet. Hier werden die Kunden als Menschen begrüßt – anders als in der bunten Plastikwelt der Großstadt. Wir haben eine starke Kundenanbindung – und in der Krise hilft uns das, denn viele Menschen zeigen sich bewusst solidarisch. Manche sind zu mir gekommen und haben gesagt: wir brauchen gerade nichts, aber wir kaufen trotzdem bei Dir ein, um Dich zu unterstützen. Diese persönliche Bindung macht den großen Unterschied zum Onlineshopping aus. Das Solidaritätsgefühl zu einem inhabergeführten Fachgeschäft ist einfach ein anderes. Aber uns macht uns die Maskenpflicht auch zu schaffen.

Inwiefern?

Ich halte die Maskenpflicht für absolut sinnvoll, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber natürlich fällt unter der Maske ein Teil dieses Austausches weniger persönlich aus.

Kommen die kleinen Einzelhändler noch ohne Onlineshop aus oder brauchen sie das Angebot, um in Zukunft zu bestehen?

Ein Onlineshop ist für jeden von Vorteil. Aber der Aufwand, um diesen professionell anbieten zu können, ist kaum machbar. Das ist Augenwischerei.

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Wie sollen inhabergeführte Läden einen Onlineshop finanziell stemmen? Der Bedarf ist auf alle Fälle da und es ist natürlich förderlich einen Shop einzurichten. Aber nehmen wir mal an, ich hätte einen Onlineshop. Da setzt sich jemand in Recklinghausen hin und bestellt einen grünen Pullover in Größe 36. Bezahlt über Paypal, alles gut. Nur vielleicht verkaufe ich nur kurz zuvor den letzten grünen Pullover in 36 in Willingen und muss dann abends die Zahlung stornieren und dem Kunden schreiben, dass der Pullover vergriffen ist. Einen Echtzeitüberblick über das Produktsortiment zu liefern ist finanziell und auch praktisch einfach kaum zu stemmen für kleinere Einzelhändler.

Sie sind Vorsitzender der drei Fachausschüsse „Prima Brilon“, „Auto Brilon“ und „Bauhandwerk Brilon“. Welche Branche trifft die Krise jetzt am härtesten?

Gefühlsmäßig ist die Gastronomie am stärksten gebeutelt. Kommunionen fallen weg, Hochzeiten etc. Die Einzelhändler sind betroffen, ebenso die Autobranche. Dadurch, dass weniger Geschäftsreisen gemacht werden, werden auch weniger Kilometer gefahren und weniger Reparaturen am Auto fällig – um nur einen Aspekt zu nennen. Mein Eindruck ist, dass die Handwerker aber weiterhin gut zu tun haben.

Wie haben Sie persönlich die Krise genutzt?

Die Frage muss man zweigleisig beantworten.

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Als Privatmann habe ich die Zeit mit meiner Familie sehr genossen – wenn ich denn die unternehmerischen Sorgen beiseite schieben konnte. Als Unternehmer hat mich der Lockdown sehr belastet, aber mit hat der Gedanke geholfen, dass es uns alle trifft und wir alle im selben Boot sitzen. Und die Briloner Geschäftsleute haben einen sehr guten Draht zu den hiesigen Banken.

Was bedeutet das?

Die ortsansässigen Kreditinstitute haben auf unsere Sorgen sehr verständnisvoll und unkompliziert reagiert. Wenn es mal hier oder dort geklemmt hat, dann haben wir gut mit den Banken zusammenarbeiten können.

Hätten Sie sich durch den Bund mehr Unterstützung erhofft oder sind die zufrieden mit den getroffenen Maßnahmen?

Zum einen gab es tolle Programme, die schnell und unkompliziert geholfen haben. Doch die NRW-Soforthilfe ist eher enttäuschend gewesen. Jetzt, bei den Prüfungen im Nachhinein, müssen einige Firmen, die ohnehin schon Probleme haben, die Soforthilfen zurückzahlen. Aber auch hier ist die Möglichkeit, unkompliziert Kurzarbeit anmelden zu können, eine echte Hilfe gewesen.

Was wünschen Sie sich für nächste Zukunft?

Das erste Halbjahr ist ja nun Vergangenheit und die Verluste, die wir in den Monaten von März bis Juli gemacht haben, sind nicht wieder aufzuholen. Gerade deswegen schaue ich aber optimistisch in die nun startende Herbstsaison und wünsche mir viele Kunden in der Briloner Innenstadt, die sich vom breitgefächerten Angebot des inhabergeführten Briloner Facheinzelhandels inspirieren lassen und ihre Ausgaben vor Ort tätigen

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