Brilon. Auf der Michaeliskirmes 2019 wird ein Mann fast bewusstlos gewürgt. Er hat Todesangst. Das Ereignis erschüttert. Es gibt einen schlimmen Verdacht

Mit diesem Ausgang der Verhandlung haben Amtsrichter Dietmar Härtel und Staatsanwältin Sofie Schlotmann anfangs nicht gerechnet, als die Anklage gegen den Anfang-30-jährigen Briloner verlesen wurde. Zwei Fälle standen bei der Verhandlung im Amtsgericht Brilon vor Gericht. Beleidigung, Drohung und eine nachträglich hinzugefügte versuchte Körperverletzung sowie körperliche Misshandlung und Widerstand gegen Polizisten. Im Laufe der Beweisaufnahme änderte sich jedoch die zweite Anklage: Plötzlich stand versuchter Totschlag im Raum.

Pöbelei und Schlägerei von Jugendlichen vor einem Festzelt

Die mutmaßliche Tat ereignete sich am 29. September 2019 auf der Michaelis Kirmes in Brilon: Gegen 22 Uhr soll es laut Aussage des Opfers eine Pöbelei und Schlägerei von Jugendlichen vor einem Festzelt auf der Kirmes gegeben haben. Der Betreiber des Zelts verständigte die Polizei. Teil der pöbelnden Gruppe soll auch der Angeklagte gewesen sein. Das mutmaßliche Opfer wollte vom Toilettenwagen wieder ins Zelt gehen, als er ins Geschehen gezogen wurde und zwei Schläge ins Gesicht abbekommen habe. Ein Angreifer soll ihn dann mit beiden Händen stark gewürgt und zu Boden gedrückt haben. Am Boden liegend habe der Angreifer weitere zehn Sekunden zugedrückt, sodass dem Mann schwarz vor Augen wurde und er fast das Bewusstsein verlor.

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Mit den Daumen auf dem Kehlkopf zugedrückt

„Der Angreifer hat mit maximaler Kraft mit beiden Händen und mit den Daumen auf dem Kehlkopf zugedrückt“, sagt der Geschädigte. Erst als eine dritte Person einschritt, lies der Angreifer los. Gewehrt habe sich der Geschädigte aus Angst und Schock nicht. Er habe Todesangst empfunden. Kurz darauf traf die Polizei ein. Unabhängig von dem Angriff wurden die Beamten auf den Angeklagten aufmerksam und wollten seine Personalien aufnehmen und ihn durchsuchen. Bereits dort habe sich der Angeklagte verbal und körperlich sehr aggressiv gegen widersetzt. Die Polizisten legten ihm Handschellen an.

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In diesem Augenblick, so der Zeuge, habe er den gefesselten Mann als den Angreifer erkannt, der ihn würgte.

Angeklagter bestreitet die Tat

Der Angeklagte bestritt die Tat. Er sei in die Pöbelei reingezogen worden: „Geschlagen habe ich niemanden.“ Das Widersetzen gegen die Polizeibeamten gibt er zu, kann sich jedoch aufgrund eines erhöhten Alkoholkonsums nicht genau erinnern. Im Polizeigewahrsam wurde ein Atemalkoholwert von 1,03 Promille festgestellt. In der Zelle habe er laut Aussagen eines Polizisten weiter gepöbelt, randaliert und die Beamten beleidigt.

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Weitere Zeuge konnten die Würge-Attacke allerdings nicht bestätigen. Das Widersetzen gegen die Polizisten und das Verhalten des Angeklagten allerdings schon. Das mutmaßliche Opfer legte im Laufe der Aussage einen Eid ab – betonte aber, er sei nicht zu 100 Prozent sich, dass der Angeklagte der Angreifer war.

Fall wird jetzt vor dem Landgericht verhandelt

Die Anklage ging ursprünglich nur von einer Körperverletzung aus. Da jetzt der Verdacht besteht, dass der vermeintliche Täter mit beiden Händen und maximaler Kraft auf den Kehlkopf gedrückt hatte, das Opfer fast das Bewusstsein verlor und der Angeklagte erst von dem Mann abließ, als ein weiterer Mann einschritt, besteht jetzt der Verdacht eine versuchten Totschlags. Ein Foto vom Hals des Opfers dokumentiert eine Risswunde und Hämatome am Hals. Hinzu kamen psychische Auswirkungen, Kehlkopf- und Schluckbeschwerden.

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„Das Eindrücken des Kehlkopfes ist irreversibel. Der Kehlkopf ist eine aus der Kampfkunst bekannte empfindliche Stelle, um einen Menschen schnell außer Kraft zu setzen“, erklärt Richter Härtel. Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte habe eine Ausbildung im Kampfsport und andere Techniken wie Tritte bereits bei früheren Straftaten eingesetzt. Er habe laut seiner Bewährungshelferin enorme Aggressionsprobleme, besonders unter dem Einfluss von Alkohol. Der Richter verwies daher den Fall zuständigkeitshalber ans Landgericht, da unter dem neuen Verdacht eine deutliche höhere Haftstrafe möglich ist.

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