Altkreis Brilon. Der HSK wird älter. Die Zahl der 65- bis 80-Jährigen wird rasant steigen. Aber was macht eine Stadt seniorenfreundlich? Unser Heimat-Check dazu:

Das Sauerland wird älter. Das ist schön. Der Blick in die Statistik zeigt, dass die Zahl der 65- bis unter 80-Jährigen in den nächsten Jahren rasant ansteigen wird. Anfang 2017 waren es demnach 3892 in Brilon; 2040 werden es 5030 sein. Ein Anstieg um fast 30 Prozent. Marsberg und Medebach kommen sogar auf ein Plus von 33 und Olsberg von 38 Prozent. Gut, dass die Region beim WP-Heimat-Check als derart seniorenfreundlich bewertet wurde. Scheinbar wird vieles richtig gemacht.

Vielseitig interessiert

„Ich frage auch immer: wo drückt der Schuh, wo können oder müssen wir etwas anders machen. Aber im Großen und Ganzen sind alle sehr zufrieden“, sagt Karl Metten aus Wulmeringhausen. Er ist Vorsitzender der CDU-Seniorenunion und war lange Zeit Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters in Olsberg. Wenn er Mitglieder und Interessierte zu politischen Diskussionsveranstaltungen bei Kaffee und Kuchen einlädt, ist der Ratssaal voll. Schließlich kommt dann der Rathauschef und man spricht über Dinge, die auch die ältere Generation bewegen. Was wird aus dem alten Krankenhausareal, wie geht’s mit dem Innenstadt-Konzept weiter? Menschen jedweden Alters möchten mitgenommen werden, möchten wissen, wie sich ihr Umfeld entwickelt. Und gerade in Olsberg tut sich gerade einiges: „Die fußläufigen, seniorenfreundlichen Verbindungen in der Kernstadt, der Kneipp-Gedanke, wenig Steigungen, wenig Treppen – das ist sehr seniorenfreundlich geworden“, lobt Metten.

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Wohlfühlfaktor Zusammenhalt

Einen ganz entscheidenden Punkt für den hohen Senioren-Wohlfühl-Faktor sieht Karl Metten aber generell in den gewachsenen Strukturen des Sauerlandes. Arbeitskreise aktiver Senioren, Rentnerstammtische, intaktes Vereinsleben, Zusammenhalt, Aufeinander-Acht-Geben, sich gegenseitig helfen: „Als das mit Corona losging, hat man überall eine große und spontane Hilfsbereitschaft verspürt. Da war jeder für den anderen da.“

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Für den anderen da sein, möglichst lange im vertrauten häuslichen Umfeld leben – das kann nicht immer nur eine Familie oder eine Dorfgemeinschaft leisten. Dafür braucht es auch externe Hilfen. Beispiel: die Caritas. An „Lemparts Annemie“ oder an „Schwester Engelberta“ erinnern sich in Medebach noch viele. Das waren die ersten Gemeindeschwestern, die 1978 anfangs nachweislich sechs Kranken und Pflegebedürftigen unter die Arme griffen. Heute sind es 160 und die Sozialstation in der Hinterstraße hat 44 Mitarbeiter. Mitarbeiterinnen muss man sagen, denn die helfenden Hände sind ausschließlich weiblich, können aber trotzdem zupacken.

330 Mitarbeiter

Die Zahl der Menschen, die häuslich betreut werden, nimmt stetig zu. 1300 sind es derzeit in den sechs Altkreisstädten; vor fünf Jahren waren es nur 900“, sagt Karen Mendelin. Sie ist Fachbereichsleiterin bei der Caritas für Alten- und Krankenhilfe und für Ambulante Dienste. Allein 31.000 Hausbesuche fallen monatlich an. „Das geht vom Tabletten-Sortieren, über die Alltagsbegleitung bis zur körperlichen Pflege“, sagt Karen Mendelin. 330 Mitarbeiter/innen sind in den sechs Altkreisstädten im Ambulanten Dienst tätig. Die Caritas bildet aus, hat aber zunehmend Schwierigkeiten, Bewerber zu finden. „Dabei ist das ein abwechslungsreicher Beruf mit vielen persönlichen Beziehungen, konstanten Teams, geringer Fluktuation und dankbaren Patienten.“ Und mit wachsender Kundschaft.

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Von Thomas Winterberg

Das kann Gudrun Schluer nur bestätigen. Sie hat 1997 bei der Sozialstation angefangen und leitet sie seit 1999. „Mitte der 90-er Jahre hat die Pflegeversicherung der Pflege zu Hause einen Schub gegeben. Viele wollen auf Biegen und Brechen daheim bleiben“, sagt die Medebacherin. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen geht sie auf Patienten und Angehörige zu. „Manche wollen sich nicht eingestehen, dass sie nicht mehr alleine klar kommen. Jemandem Hilfe überzustülpen, das klappt nicht. Oft gelingt es dann in einem klärenden Gespräch, die ersten kleinen Unterstützungen im Alltag zu etablieren. Das geht mit dem Tabletten-Sortieren oder der Hilfe beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen los. Auch Reinigungshilfen sind stark gefragt.“

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Viele Menschen wissen gar nicht, wie vielfältig die Hilfe in der ambulanten Pflege sein kann. Einkaufen mit den Patienten, gemeinsame Arztbesuche, Unterstützung bei Korrespondenz mit Behörden – selbst sogenannte Hilfen zur Sicherstellung der selbstverantwortlichen Haushaltsführung werden angeboten, wenn ein gewisser Pflegegrad festgestellt wurde. Wichtig ist es aber immer wieder, dem Alltag eine Struktur zu geben.

Ein besonders schönes Modell, um solche Strukturen zu schaffen und um Geselligkeit zu fördern, haben die Caritas-Mitarbeiterinnen vor einiger Zeit geschaffen. Das sind Betreuungsgruppen mit Menschen im Alter von 75 bis 90 Jahren. „Die Namen haben sie sich selbst gegeben. Die einen nennen sich Herbstzeitlose, die anderen Gänseblümchen“, erzählt Gudrun Schluer und blickt dabei in den großen leeren Saal der Sozialstation.

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Die Caritas feiert das 40-Jährige ihrer Sozialstation mit vielen Gästen in Medelon.
Die Caritas feiert das 40-Jährige ihrer Sozialstation mit vielen Gästen in Medelon. © wp | Caritas

Hier treffen sich die Senioren im Alter von 75 bis 90 Jahren normalerweise im Wochenwechsel (manche nehmen auch an beiden Gruppen teil) von 15 bis 17 Uhr. Ab 14 Uhr sind die Caritas-Fahrzeuge unterwegs – auch in der Grafschaft - und sammeln die Mitglieder zu Hause ein. Dann wird gegrillt, Kaffee getrunken, gebastelt, gekegelt oder es wird ein Tagesausflug organisiert. All das ruht natürlich momentan wegen Corona. „Diese Treffs sind ein niederschwelliges Angebot, das gerne angenommen wird. Manche haben Angst, gleich mit der Tagespflege einzusteigen. Sie befürchten, dass das der erste Schritt auf dem Weg ins Heim ist“, sagt Gudrun Schluer.

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Dass die Senioren sich einmal darüber beklagen würden, dass es in ihrem Alltag seniorenunfreundlich zugehe, kann die Leiterin der Sozialstation nicht berichten. Auch Karl Metten fällt spontan nur der Öffentliche Personennahverkehr ein, wo er Nachbesserungsbedarf sieht. Wie soll man denn auch mit vollen Einkaufstaschen Bus fahren?

Aber dafür gibt es Unterstützung – privater Art, von Lebensmittelhändlern und von professionellen caritativen Dienstleisternen. Damit unsere Region seniorenfreundlich bleibt.

>>>HINTERGRUND<<<

Die Umfrage zum Heimat-Check haben wir geplant, als von der Corona-Krise und ihren Auswirkungen noch nichts zu spüren war. Und doch haben wir uns bewusst dazu entschlossen, Ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, ihr Wohnumfeld zu benoten. Beim Heimat-Check handelt es sich um eine nicht-repräsentative Umfrage. Er soll ein Stimmungsbild wiedergeben.Laut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin, funktioniert das: „Der Heimat-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Ort eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“Moya vermutet,dass unter den Teilnehmern diejenigen Personen in der Mehrzahl waren, für die ihr Ort eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl etwas anders aus als beim Heimat-Check.