Winterberg. Im Winterberger Rat war die Freie Schule, die entstehen soll, großes Thema. So steht es um die Planungsfortschritte und welche Hindernisse es gibt.

Wenn es neben Feuerwehren ein Thema gibt, bei dem im Winterberger Rat Emotionen hochkochen, dann ist es die Schulentwicklung. Daher war der Initiative Freie Schule Hochsauerland in der jüngsten Sitzung die volle Aufmerksamkeit sicher.

Nachhaltigkeit statt Hausaufgaben und Klassenarbeiten

Kurzer Rückblick: Im Frühling 2019 hatten sich rund 20 Interessierte zusammengetan, um in Winterberg – oder anderswo im HSK – eine Schule in freier Trägerschaft zu gründen. Selbstbestimmtes, kindgerechtes Lernen und Nachhaltigkeit statt Hausaufgaben, Klassenarbeiten und Druck sollen die Kernelemente sein (die WP berichtete).

Erstmals war die Initiative nun im Rat zu Gast, um ihr Projekt vorzustellen. Sie sieht einen Mangel an modernen Alternativen im Sauerländer Schulleben. „Zu mir kommen viele Kinder, die in der Schule Probleme haben“, sagte Initiatorin und Lerncoach Dunja Tepel-Müller. Es gebe mehr Kinder mit hohem Förderbedarf und Konzentrationsproblemen.

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„Denken Sie zurück an Winterberg vor 25 Jahren. Seitdem hat es eine riesige Entwicklung gegeben, weil die Stadt sich modernen Bedürfnissen angepasst hat“, stellte ihr Mitstreiter Burkhard Hoischen fest. „Aber im Schulsystem wurden die starren Strukturen bis heute kaum aufgelöst“, fuhr der pensionierte Grundschulrektor fort. Angst vor Klassenarbeiten, mit Hausaufgaben überforderte Kinder und Eltern – all das und mehr „schreit nach Veränderung“.

Frei heiße nicht regellos, wie im Rat betont wird

Frei heiße nicht regellos, betonte Hoischen. Die benotbaren Lernziele wären dieselben wie an anderen NRW-Schulen. Bloß der Weg dorthin sei ein anderer als in einer Regelschule. Dennoch wolle man mit diesen einen Dialog pflegen und sich im besten Fall gegenseitig inspirieren.

Inzwischen habe die Initiative viele Unterstützer aus dem weiten Umkreis, ein Grundstück in Aussicht, erste Entwürfe für ein Gebäude und potenzielle Sponsoren für dessen Bau. „Es wäre ein Leuchtturmprojekt und Zuzugsmagnet für junge Familien und Fachkräfte“, warb Tepel. Über die Schule hinaus sollten digitale Coworking-Arbeitsplätze für Eltern und ein Elterncafé entstehen. Bei einem Start der Schule soll aber wohl zunächst auf gemietete Räume zurückgegriffen werden.

Was der Initiative noch fehlt, sind geeignete Lehrkräfte. „Das ist die größte Herausforderung momentan, die uns noch daran hindert, den Genehmigungsantrag bei der Bezirksregierung einzureichen“, schilderte Tepels Ehemann Philipp Müller tags drauf der WP am Telefon. Dennoch stehe man mit der Bezirksregierung in engem Austausch.

Der Rat äußert sich zwiegespalten

Und was sagten die Ratsherren und -damen zu alldem? Das ist zwar nur von nachgeordneter Bedeutung, da die Genehmigung einer Schule außerhalb ihres Entscheidungsspielraums liegt. Das Stimmungsbild aber könnte aufschlussreich sein. Etliche Wortmeldungen zeigten sich höflich interessiert, zumindest am pädagogischen Konzept. Nur Frank Sunder (SPD) ging so weit, das Ganze als „spannend“ zu bezeichnen, „dann entsteht Wettbewerb, den gab es früher nicht.“

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Doch es wurde schnell klar, dass die meisten im Raum eine solche Schule zuallererst als Gefahr für die bestehenden Grundschulen sehen. „Viele Fragen offen“ sah zum Beispiel Johannes Hellwig (CDU). Ein Verlust an Schülern werde nicht zuvorderst die Grundschule der Kernstadt treffen, sondern die in Niedersfeld und Siedlinghausen. Er befürchte zudem, das Ganze könne „eine Schule für Besserverdiener“ werden.

Furcht um die bestehende Schule

Auch sein Niedersfelder Parteifreund Heinrich Schmidt fürchtete um „seine“ Schule. „Wenn uns nur drei oder fünf Kinder fehlen, ist die platt.“

Mehr Informationen

Die öffentliche Förderung liegt für freie Schulen bei 85 bis 94 Prozent der Kosten vergleichbarer staatlicher Schulen – weil darin aber viele Posten nicht berücksichtigt sind, kam das Institut der deutschen Wirtschaft Köln 2011 zu dem Schluss, dass die öffentliche Förderung in Wahrheit nur 63 Prozent der Kosten decke. Den Rest müssen die Schulen selbst aufbringen.

Die Initiative plant derzeit mit einem einkommensabhängigen Elternbeitrag, ähnlich wie ihn Kitas erheben. Das würde aber wohl nicht reichen, um die Lücke komplett zu schließen.

Mehr Infos übers Konzept gibt es auf freie-schule-hochsauerland.de

Strikt ablehnend auch Martin Schnorbus (CDU): Die Initiative stelle die Qualität der städtischen Schulen infrage, das sei anmaßend. Großen Druck im Bildungssystem könne man bedauern, aber nicht ändern. „Die hier geborenen Kinder reichen gerade so für unsere drei Schulen“, gab Bürgermeister Werner Eickler zu bedenken. Es bestehe automatisch Gefahr, wenn es der freien Schule nicht gelinge, ausreichend viele Schüler von auswärts anzulocken. „Wir sind sicher, dass wir das schaffen“, betonte auf WP-Nachfrage Philipp Müller.

Der Unterstützerkreis sei groß und viele Eltern bereit, für ihre gewünschte Schule auch umzuziehen. Abgesehen von genannten Bedenken zählte sich der scheidende Bürgermeister zur Runde der höflich am Konzept Interessierten – eng wurde sein Kragen erst, als er von der Absicht des Vereins erfuhr, die Schule langfristig nicht nur bis Klasse 4, sondern bis Klasse 10 zu betreiben – was die Initiative allerdings von Beginn an öffentlich gemacht hatte (die WP berichtete). Der mühsam errungene Schulkonsens und die Kontroverse um die Schließung des Sekundarschulstandorts Siedlinghausen haben dieses Thema zu dünnem Eis werden lassen. „Das kann die Bezirksregierung nicht machen“, befand Eickler – und kündigte der Initiative für diesen Fall seine unversöhnliche Feindschaft an.

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