Brilon Wald . Der Borkenkäfer wütet in den Wäldern von Brilon. Die Stadt will den Kampf aber noch nicht endgültig aufgeben. Das ist jetzt geplant.
Sattes Grün so weit das Auge reicht. Vom 700 Meter hohen Hüttenkopf aus ist das Drama nicht zu erkennen, das sich in den heimischen Wäldern abspielt. Dabei hat sich der Borkenkäfer bereits bis in diese Lagen hochgearbeitet. Das beweist das Monitoring, das der Stadtforst dort in diesem Frühjahr vornimmt.
Jeden Freitag arbeitet sich Forstamtsleiter Dr. Gerrit Bub mit dem Geländewagen über die vom Holzrücken zerpflügten Wirtschaftswege dort hoch und kontrolliert die dort oben aufgestellten Schlitzfallen.
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Anhand der wöchentlich in den Schubfächern angesammelten Mengen will der Stadtforst das Ausschwärmverhalten des Holzschädlings dokumentieren.
Duftstoffe locken die Käfer in die Falle
Neben den Schlitzfallen hat der Stadtforst auf dem Hüttenkopf auch ein weiteres Borkenkäfer-Fangsystem installiert: Trinet-Fallen. Dabei handelt es sich um etwa zwei Meter hohe Dreibein-Gestelle, die mit einem feinmaschigen Netz bespannt sind. Dessen Fasern sind mit einem Insektizid durchtränkt. In dem Ständer ist ein speziell abgestimmter Duftstoff aufgehängt. Der lockt die Borkenkäfer an, und beim Kontakt mit dem Netz nehmen sie den Giftstoff auf und verenden.
Zu wenig Wasser für die Harzbildung
Von Fallen als Mittel der Wahl gegen den Borkenkäfer hält der Briloner Forstamtsleiter allerdings nichts. Vor seinem Dienstanstritt 2008 in der Stadt des Waldes hat sich Dr. Bub zwei Jahre lange an der Forstlichen Versuchsanstalt Freiburg mit dem Thema beschäftigt. Der Borkenkäfer gehört zum Wald wie das Wild. Erst die Trockenperioden der vergangenen zwei, drei Jahre, verbunden mit den durch die Orkane angefallenen Windwurfflächen, haben ihn zum Problem werden lassen.
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Eine Fichte, weiß Dr. Bub, kann - als Faustregel - mit bis zu 200 Borkenkäfern fertig werden - wenn sie genug Wasser aufnehmen kann. Dann nämlich kann sie zur Abwehr verstärkt Harz bilden, das die vom Borkenkäfer gefressenen Kanäle im Holz verstopft. Doch in den vergangenen Jahren fehlte der Regen. Deshalb hofft Dr. Bub, dass das Wetter Beistand leistet: "Wir brauchen einen nassen, kalten Sommer."
Aus einem Baum 1,5 Milliarden Käfer-Nachkommen pro Jahr
Mit den Fallen lassen sich die Fichtenschädlinge nicht effektiv "abschöpfen", wie Dr. Bub sagt. Das führt auch eine Stichprobe bei fünf NRW-Regionalforstämter im August 2018 eindrucksvoll vor Augen. Jener Jahrhundertsommer gilt als Auslöser der Borkenkäfer-Katastrophe. Bei jener Momentaufnahme waren pro Stamm für den Buchdrucker - neben dem Kupferstecher die verbreitetste Borkenkäferart - durchschnittlich ca. 1.600 Altkäfer, 29.000 Larven, 4.000 Puppen und in einem Fall sogar zusätzlich 471 frisch angelegte Muttergänge zu finden. Bei vorsichtiger Schätzung der möglichen Nachkommenschaft – drei Generationen und Geschwisterbruten – eines Weibchens von 100.000 Tieren pro Jahr hätte sich für 2019 anhand dieser Zahlen und einem Geschlechterverhältnis von 50: 50 aus einem Baum eine potenzielle Nachkommenschaft von ca. 1,5 Milliarden Käfer ergeben.
Befallene Stämme umgehend entfernen
Deshalb ist der Briloner Forstbetriebsleiter ein Verfechter phytosanitärer Maßnahmen, sprich: Für ihn ist die Entnahme des infizierten Stammes die einzige Möglichkeit, das Holz und den Wald vor dem wirtschaftlichen Totalverlust zu bewahren.
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Gerade in diesen Tagen befasst sich die Briloner Kommunalpolitik mit dem Thema. Am Mittwoch, 3. Juni, findet dazu um 17.30 Uhr in der Aula des Schulzentrums eine Ratssitzung statt.
Auch gegenüber des Hüttenkopfs, auf dem Schellhorn, hat der Stadtforstbetrieb die Fallen installiert. Auch dort sollen die Schwarm- und Flugaktivitäten des Käfers untersucht werden. Aus einem guten Grund: "Das sind die künftigen Rückzugsgebiete der Fichte", sagt Dr. Bub. Die Forstfachwelt geht davon aus, dass Fichten im Sauerland künftig nur noch in diesen Hochlagen überleben: "Das ist standorttypisch. Hier gehört die Fichte hin."
Nach "Kyrill" bereits neu orientiert
Was sich weiter unten an den Hängen und Hügeln abspielt, ist ja jetzt schon für jeden ersichtlich.
Über 60.000 Borkenkäfer in der Falle
Der Landesbetrieb Wald und Holz unternimmt derzeit ebenfalls ein Borkenkäfer-Monitoring.
Bei Brilon findet das auf 500 Metern statt; dort gingen Mitte Mai binnen einer Woche über 60.000 Borkenkäfer, überwiegend Buchdrucker, in die Falle.
Zum Vergleich: Bei Medelon findet das Wald und Holz-Monitoring über 700 Meter NN statt. Dort waren es im selben Zeitraum nur etwa 22.000 Käfer.
Bei Rüthen, auf 350 Metern, sind es seit Anfang April Woche für Woche konstant um die 60.000 Buchdrucker, und zusätzlich gab es Mitte Mai beim Kupferstecher ebenfalls eine Schwärmspitze mit ebenfalls über 60.000 gefangenen Käfern.
Auf dem Hüttenkopf lässt sich auch schon sehen, wie künftig Waldbau betrieben werden könnte. "Die Douglasien wachsen hier prima", sagt Dr. Bub und zeigt auf die etwa zehn Jahre alten. Ihre Wuchsleistung liege auf dieser Höhe um 50 Prozent über der Fichte. Hier oben hat der Stadtforst nach der "Kyrill"-Katastrophe eine sogenannten Mosaikpflanzung vorgenommen, Setz-Verbünde von etwa zehn mal zehn Meter, zwischen denen Freiflächen und Solitärbäume erhalten blieben. Wie etwa die alte Buche, die einfach nur Baum sein darf, weil ihr krummer und astreicher Wuchs keine wirtschaftliche Verwertung zulässt. Auch nachwachsende Lärchen und Fichten finden sich hier. Hier setzt der Forst auf Naturverjüngung. Auf den Freiflächen sollen sich Gehölze von selbst ansamen.
Wie formulierte es jüngst im Forstausschuss noch Bürgermeister Dr. Christof Bartsch? "Wald ist in Zukunft etwas anderes als eine Industriefläche mit Monokulturen."
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