Helminghausen. Landwirte aus Marsberg und Gemeinde Diemelsee suchen mit der Politik machbare Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft. Das sind die Wünsche.

Corona hatte auch durch einige geplante Veranstaltungen der Bauern aus dem Stadtgebiet Marsberg und der hessischen Nachbargemeinde Diemelsee einen Strich gemacht. Um auf ihre für sie unbefriedigende Situation aufgrund der neuen Auflagen der Agrarpolitik aufmerksam zu machen, haben sie sich in der landesweiten Bewegung „Land schafft Verbindung“ zusammengeschlossen.

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Von Jürgen Hendrichs, Jana Naima Schopper, Thomas Winterberg, Jutta Klute, Kevin Kretzler, Annette Dülme, Stefanie Bald, Laura Marie Dicke und Boris Schopper

Die zehn Bauern haben sich mit ihren Betrieben auf Schweinemast, Ackerbau und Milchviehhaltung spezialisiert. Einige von ihnen haben mit ihren Traktoren an Demonstrationen und Kundgebungen im Herbst in Bonn und Berlin teilgenommen. Anfang Januar hatten sie den heimischen Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese auf den Hof von Hartmut Schröder nach Erlinghausen eingeladen. Im Rahmen einer Gesprächsrunde übergaben sie ihm ein Grundlagenpapier, in dem sie ihre Situation, Ängste und Forderungen beschrieben haben.

Ungerechte Schuldzuweisungen

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Sie kritisieren ungerechtfertigte Schuldzuweisungen beispielsweise beim Insektensterben. Die seit Jahren zunehmende „sinnfreie Dokumentation“, das Acker- und Grünlanderhaltungsgebot, das ihrer Meinung nach nicht zu Ende gedacht ist. Und nicht zuletzt die bodennahe Gülleausbringung auf Grünland ab 2025. Und jetzt der neue Bericht „Zur Lage der Natur“ des Bundesumweltministeriums, der alle sechs Jahre neu aufgelegt wird und die Umweltprobleme beschreibt. „Da wird der Landwirtschaft doch wieder der schwarze Peter zugeschoben“, entrüstet sich ein Bauer.

Keine Chance der Waldbauern

Kreislandwirt Josef Schreiber macht vor den Landespolitikern auch auf die Situation der Waldbauern um das Fichtensterben und die Borkenkäferplage nach den Sturmschäden der Orkane aufmerksam. Schreiber: „Die Waldbauern haben keine Chancen, aus dem Wald Kapital zu schlagen.“ Ihnen sei zumindest damit geholfen, wenn die kaputten Borkenkäferflächen in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt würden.

Am Montagmittag hatte die Bauernschaft auf den Hof von Eberhard Wiehr in Kotthausen am Diemelsee eingeladen. Nach einem Hofrundgang schilderten sie ihre Probleme den SPD-Landespolitikern Marlies Stotz (stellvertretende Vorsitzende des Integrationsausschusses), Inge Blask (Mitglied in den Arbeitskreisen Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sowie Wirtschaft, Energie und Landesplanung) und André Stinka (Sprecher im Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz). Gekommen waren auch der Ortsvorsteher von Bontkirchen, Dieter Marczyk, Josef Schreiber aus Medebach Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Hochsauerland (WLV) und die beiden Marsberger Bürgermeisterkandidaten Thomas Schröder (CDU) und der parteilose Rüdiger Nentwig als Kandidat der SPD.

Wiesen und Äcker in Hanglage zu zwei Drittel in NRW- und ein Drittel in Hessen

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Auf den Weiden rund um den Hof von Eberhard Wiehr grasen 120 Milchkühe friedlich in der Mittagssonne. Er bearbeitet mit seiner Familie 120 Hektar Wiesen und Ackerfläche, allesamt in Hanglage. In der bodennahen Gülleausbringung mit schweren Gefährt sieht er Probleme auf sich zukommen. Kotthausen gehört zur hessischen Gemeinde Diemelsee. Zwei Drittel seiner Ländereien liegen aber auf nordrhein-westfälischer Seite. Er bekommt aber nur Ausgleichsgeld wegen der Hanglage für sie Ländereien auf hessischer Seite.

Die Mastbullen sind das Hobby von Landwirt Eberhard Wiehr aus Kotthausen. Verdienen damit lasse sich nichts.
Die Mastbullen sind das Hobby von Landwirt Eberhard Wiehr aus Kotthausen. Verdienen damit lasse sich nichts. © Annette Dülme

Im Stall bestaunen die Gäste die schweren Mastbullen, eine Kreuzung Weiß-blauer Belgiern. „Die sind mein Hobby“, strahlt der Landwirt stolz, Denn verdienen lasse sich damit kein Geld. Genauso wenig wie mit den Kälbern. Die weiblichen braucht er zur Eigenzucht, die Bullenkälber verkauft er. Wenn es hoch kommt bekomme er dafür momentan 40 Euro, erzählt er. „Das ist zu wenig“, pflichtet ihm André Stinka später in der Gesprächsrunde auf Strohballen in der offenen Scheune bei. Die Strohballen garantieren in Corona-Zeiten den nötigen Abstand. Auch bei dem Rundgang sind alle auf den Mindestabstand bedacht.

Planungssicherheit eingefordert

Für den Landespolitiker aus dem Kreis Coesfeld ist es ganz wichtig, wie er im Laufe der Diskussion mehrfach betont, dass die Landwirte mit den Bürgern im Dialog bleiben. „Sie müssen den Leuten deutlich machen, dass das Kotelett nicht vom Himmel fällt, sondern dass es viel Arbeit ist.“

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An der neuen Düngeverordnung werde man nicht rütteln können, machte der Landespolitiker klar. Jahrelang sei die Problematik um die erhöhten Nitratwerte in Deutschland bei der EU verschleppt worden. Das Problem bekomme man nur in den Griff, wenn die Viehbestandshaltung reduziert und mit Zuschüssen die Verluste ausgeglichen würden. Im Münsterland gebe es beispielsweise 4,6 Mio. Schweine. Vor zehn Jahren seien es noch 3,6 Mio. gewesen. Stinka: „Auf Dauer lässt sich das nicht durchhalten.“ Nur wenn die Zahlen gesenkt würde, lasse sich die Spirale um das Höfesterben aufhalten. Alles beim Alten zu belassen würden die Probleme nicht lösen.

Erfolgreiche Zusammenarbeit seit 20 Jahren

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„Wir brauchen Planungssicherheit“, wirft ein Landwirt ein. Erst 2017 seien neue Auflagen zur Gülleverordnung gekommen und jetzt schon wieder neue. Die Bauern aus Marsberg und der Gemeinde Diemelsee arbeiten seit 20 Jahren eng zusammen in der länderübergreifenden Wasserschutzgebietskooperation. „Und das erfolgreich“, so ein anderer Bauer. Das werde in den neuen Verordnungen gar nicht berücksichtigt. Wir brauchen Sicherheit bei den Rahmenbedingungen, fordert ein anderer. „Wir brauchen keine Betonbuchten für das Fahrsilo. Wir brauchen eine sichere Lagerstelle.“

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„Genauso wie beim Kohleausstieg müsste es für die Landwirtschaft eine Zukunftskommission über die Parteien hinweg geben, die erarbeitet, wie die Agrarwende umgesetzt werden kann und wie sich die Situation für die Bauern verbessern lässt“, so der Vorschlag von André Stinka. Mit Blick auf die nächsten 20 bis 25 Jahre. Das bringe Planungssicherheit. Zustimmende Blicke der Bauern und Saattütchen für Blühstreifen an den Ackerrändern beendeten die Runde.