Brilon. In Brilon tagt der Rat zum ersten Mal seit dem Corona-Ausbruch. Mund-Nasen-Schutz trägt kaum einer. Beobachtungen aus Infektionsschutz-Sicht.

„Ich trage doch nicht stundenlang ‘ne Maske.“ Schon vor der ersten Ratssitzung in Brilon seit Corona-Ausbruch wird diskutiert. Manche kommen mit Maske, viele ohne. Vor dem Eingang zum Saal in der Gemeindehalle in Alme steht ein Desinfektionsmittelspender. Ein Schild zeigt die Bereiche der Hände, die oft beim Desinfizieren vergessen werden. In der Halle stehen zahlreiche Tische, weit voneinander abgerückt. Auf ihnen liegen Einwegmasken und Plastiktüten. Tragen will sie fast keiner Pro Tisch darf nur eine Person Platz nehmen.

Herabbeugen zu Ratskollegen statt Abstand halten

Viele Ratsmitglieder - ein großer Teil von ihnen zählt wegen ihres Alters zur Corona-Risikogruppe - sitzen schon, sortieren Unterlagen oder fahren ihre Laptops hoch. Viele ziehen die Maske ab. Am Ende trägt kaum einer noch einen Mund-Nasen-Schutz. Sie stehen beieinander und unterhalten sich. Beugen sich zu sitzenden Kollegen hinab, die Hände auf den Tisch gestützt. Lachen, diskutieren. Hände schütteln sie nicht – immerhin.

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Bürgermeister Christof Bartsch – auch er trägt keinen Mund-Nasen-Schutz – sitzt vor der Bühne, in der Hand ein Mikrofon, damit jeder ihn verstehen kann, wenn er spricht. „Herzlich Willkommen“, sagt er. „Zu einer Ratssitzung in ungewohnten Verhältnissen.“ Seine Stimme klingt durch die aufgestellten Boxen laut durch den Saal. Er weist auf den Sicherheitsabstand hin. Auf die Masken am Tisch. Und auf die Plastiktüten, die über das Mikrofon gezogen werden sollen, sobald jemand hineinsprechen will. „Damit und mit den Abständen haben wir eine hinreichende Sicherheit geschaffen“, sagt er zuversichtlich.

Corona ist Thema bei 50 Prozent der Tagesordnungspunkte

Zehn Tagesordnungspunkte stehen auf dem Programm. Fast die Hälfte beschäftigt sich mit dem Coronavirus und seinen Auswirkungen. Auf die Hanse. Auf die Schnade. Auf Eltern, Kinder. Den Haushalt der Stadt. Und auch auf die politische Arbeit.

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Tagesordnungspunkt drei. Eine Neuregelung vom Land NRW.

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Da heißt es, einfach ausgedrückt, dass der Rat mit zwei Dritteln seiner Mitglieder entscheiden kann, dass die Angelegenheiten des Rates nach der heutigen Sitzung an den Haupt- und Finanzausschuss delegiert werden sollen, während die epidemische Lage von landesweiter Tragweite ist (§60 Abs. 1 Satz 2 GO NRW). Weiter heißt es: „Die Zustimmung der Mitglieder zum Übergang der Entscheidungsbefugnisse des Rates in Krisenzeiten auf den Haupt- und Finanzausschuss gilt zunächst für zwei Monate bzw. bis zu einer etwaigen früheren Aufhebung der Feststellung durch den Landtag.

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Bei lückenloser Verlängerung der Feststellung durch den Landtag behält auch die Zustimmung / der Beschluss weiter Geltung.“

Ein Punkt sorgt für Streitigkeiten

Eine Bürgerin ist wegen dieses Tagesordnungspunkt extra in den Gemeindesaal nach Alme gekommen. „Wenn der Rat nicht mehr tagt“, sagt sie laut in den Saal, „dann halte ich das für sehr gefährlich für die Demokratie.“ Gemurmel. Christof Bartsch will sie beruhigen: „Wir wissen nicht, wie die Situation verläuft und was das Virus noch anrichtet. Diese Entscheidung wäre eine kluge Möglichkeit, die wir nutzen könnten, falls der Rat nicht tagen kann, wenn die nächste Welle kommt. Um trotzdem Beschlüsse fassen zu können.“ Wieder Gemurmel. Abermals äußert die Bürgerin ihre Bedenken, Bartsch entgegnet: „Mir liegt es völlig fern, die demokratischen Spielregeln zu ändern.“

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Der Punkt sorgt für Streitigkeiten. Viele der Ratsmitglieder verstehen den Beschluss anders, wollen ihre Entscheidungshoheit nicht an den Haupt- und Finanzausschuss abtreten. Besonders die Dauer dieser Delegation an den Ausschuss sorgt für Unstimmigkeiten. Eberhard Fisch (CDU) betont, nachdem er seine Plastiktüte über das Mikrofon vor ihm gezogen hat, dass dies dem Demokratieverständnis widerspreche: „Es ist doch durchaus möglich, eine Ratssitzung durchzuführen, wie wir heute sehen.“ Es sei doch nicht Sinn der Sache, den Rat außer Kraft zu setzen.

Bartsch widerspricht: „Ich bin gerne bereit, Ratssitzungen durchzuführen. Meinetwegen sogar wöchentlich, darum geht es nicht. Einziges Motiv dieser Regelung soll sein, dass, für den Fall, dass der Rat in einer ungünstigen epidemologischen Lage nicht tagen kann, trotzdem noch Beschlüsse möglich sind.“ Hubertus Weber (SPD) stimmt ihm zu: „Was passiert, wenn eine schlimmere Situation eintrifft? Eine höhere Ansteckungsgefahr? Hiermit können wir diese Gefahr abfangen und handlungsfähig bleiben.“

Trotzdem, den Rat können sie für die Regelung aus Düsseldorf nicht überzeugen. Thomas Becker (CDU), lenkt ein: „Dass wir heute nicht zustimmen schließt nicht aus, dass wir einen neuen Antrag für diese Regelung stellen können, wenn wieder härtere Zeiten kommen.“ Schlussendlich wird die Regelung mit großer Mehrheit abgelehnt.

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