Hochsauerlandkreis/Brilon. Schulen sollen nach dem Corona-Shutdown ab 4. Mai schrittweise öffnen. Das sagen HSK-Schulleiter zum Stand der Vorbereitung und zu den Problemen.

Am 4. Mai soll der Schulbetrieb in Deutschland mit den Abschlussklassen, den Klassen, die im kommenden Jahr Prüfungen ablegen und den obersten Grundschulklassen wieder aufgenommen werden. Darauf haben sich Bund und Länder am Mittwoch verständigt. Aber sind die Schulen im Altkreis Brilon bis dahin auf eine Lockerung der Corona-Regeln vorbereitet?

Man muss nach wie vor die Risiken benennen und abwägen

„Schule muss irgendwie wieder laufen, aber man muss nach wie vor die Risiken benennen und abwägen“, sagt die Leiterin einer Grundschule im HSK, die namentlich nicht genannt werden möchte. Mit großem Interesse hat sie am Mittwoch die Nachrichtenlage verfolgt. Kommt die Öffnung, kommt sie später? Mit den Bussen gehe es ja schon los. Wie sollen Kinder möglichst ohne große Kontaktaufnahme die Schulbusse nutzen?

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Dass zunächst mit den Viertklässlern gestartet werden soll, dürfte die Schulleiterin etwas beruhigen. Aber: Bei Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren könne man nicht an die Vernunft appellieren und auf Sicherheitsdistanz und Hygiene-Etiketten setzen. „Die vergessen es schlicht und einfach, sich die Hände zu waschen.

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Das tun sie nicht absichtlich; sie sind einfach noch nicht reif dafür, solche Auflagen zu verinnerlichen“, so die Pädagogin.

Desinfektionsmittel im Januar bestellt, das bis heute nicht geliefert ist

In Sachen Hygiene habe man an ihrer Schule bereits im Januar Desinfektionsmittel bestellt, das bis heute nicht geliefert worden sei. Zwar habe man noch Reste, doch die seien absehbar aufgebraucht. An Spender vor jedem Klassenzimmer sei nicht zu denken und wenn sich alle Kinder im einzigen Waschbecken des Klassenraums die Hände waschen wollten, sei die Schulstunde bald vorüber.

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Sorgen mache sie sich generell um Kollegen und Kolleginnen, die sich möglicherweise anstecken könnten. „Schule ist nun mal auch ein Verteiler für Bakterien und Viren.“

Verband Bildung und Erziehung empfiehlt die jetzige Lösung

Die Schulleiterin sieht aber auch die Problematik von Nicht-Schule. Selbst hier im ländlichen Raum herrsche nicht in allen Familien eitel Sonnenschein.

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Sie weiß um die Gefahr, dass sozial-schwächere Kinder abgehängt werden. Nicht jeder habe zu Hause ein Laptop, einen Computer oder schnelles Internet. Eine vorsichtige Lösung, um den Schulbetrieb an Grundschulen wieder aufzunehmen, wäre für sie auch eine tageweise Aufteilung gewesen. „Die Klassen eins und zwei kommen an zwei Tagen die Wochen, die Klassen drei und vier an zwei oder drei anderen Tagen. Zusätzlich gibt es Arbeitsaufgaben für zu Hause.“ Auf diese Weise sei eben auch der wichtige persönliche Kontakt von Lernen und Lehren gewährleistet.

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Die immer wieder einmal ins Spiel gebrachte Idee, Kinder abwechselnd vor- bzw. nachmittags zu beschulen, würde ihrer Meinung nach an der Logistik (Busfahrten) und die Variante der Klassenteilungen an der Personaldecke scheitern.

Das Hochfahren wird deutlich schwerer

Genau die jetzt von der Politik beschlossene Lösung, wie Schule wieder laufen kann, hatte der NRW (VBE) schon vorab in einem Denkanstoß vorgetragen: Der Unterricht soll an allen Schulformen wieder beginnen, sich jedoch zunächst auf die Abschlussjahrgänge beschränken. Also auf die 4. Stufe in Grundschulen, die 10. Klassen an weiterführenden Schulen und die Abiturienten aus der Sekundarstufe II. Dies habe den Vorteil, dass die wichtigen Jahrgänge, die vor Abschlüssen oder Übergängen stehen, wieder schulisch lernen könnten.

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Danach, so der VBE, solle der Unterricht nach und nach unter Berücksichtigung der Entwicklungen auch in den anderen Stufen wieder aufgenommen werden. Grundsätzlich wünscht sich der VBE-Kreisverband Hochsauerland, jedoch, dass den Schulen genug Vorlaufzeit für eine sichere Planung gegeben wird. „Das Runterfahren des Schulbetriebs ging schnell und war notwendig. Das Hochfahren wird deutlich schwerer und wird länger dauern“, sagt Vorsitzender Rüdiger Haertel.

Szenarien durchgespielt

Am Gymnasium Petrinum in Brilon spielt man schon länger verschiedene Szenarien durch, wie es mit dem Schulalltag weitergehen könnte. „Bislang gab es drei Optionen: Die Schulen bleiben geschlossen, es gibt einen Teilbetrieb oder einen Vollbetrieb. Letzteres habe ich immer schon für unrealistisch gehalten“, sagt Johannes Droste, Schulleiter am Petrinum. Wenn die Schulen weiterhin nicht für alle zugänglich seien, werde der Unterricht in den anderen Klassen wie bisher weiterlaufen, sprich mit Materialien, die auf der Homepage zu finden sind. Fragen können die Schüler per E-Mail an die Lehrer stellen. Das System funktioniert laut Droste ohne Beschwerden.

Begehung der Räumlichkeiten: Schulhygieneplan umsetzbar?

Für einen Teilbetrieb gibt es schon lange konkrete Überlegungen. Noch vor der Entscheidung aus Berlin bzw. Düsseldorf hatte der Schulleiter den Unterricht in Teilgruppen für die einzige Möglichkeit gehalten, um einen Mindestabstand von zwei Metern zu gewährleisten. In einen Klassenraum passen 25 bis 30 Kinder. So könnte der Unterricht für 12 bis 14 Schüler stattfinden. Ob die Klassen dann zeitgleich im Unterricht sind oder mit Stunden oder gar Tagen Abstand, hätte man im Fall der Fälle klären müssen.

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Zusammen mit dem Schulträger fand am Mittwoch auch eine Begehung der Räumlichkeiten statt, um den Zustand und die sanitären Anlagen zu begutachten. Damit soll sichergestellt sein, dass der Schulhygieneplan umsetzbar ist. Anwesend waren auch Vertreter der Reinigungsfirma, die angehalten ist, Kontaktflächen, wie Fenster- und Türgriffe gesondert zu desinfizieren. Die Schüler werden in Wort und Bild auf die Hygienebestimmungen hingewiesen und sollen auch von den Lehrkräften über Verhaltensregeln informiert werden.

Dass Schüler Abstand halten, ist wirklichkeitsfremd

Desinfektionsmittel gibt es am zentralen Eingang und wie sonst auch in den Räumen der naturwissenschaftlichen Fächer, Reinigungsspender befinden sich in den Klassenräumen. Im Bereich der Hygiene macht sich Droste wenig Sorgen. „Die Schüler haben das schon sehr gut verinnerlicht, dass sie nach dem Niesen oder Naseputzen ihre Hände waschen“, erklärt er.

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Schwieriger sieht es seiner Einschätzung nach, aber generell aus, wenn die Schüler sich nach langer Zeit wiedersehen werden. „Das sind junge Leute, es gibt viel Zusammenhalt und alle sind heiß darauf, sich wiederzusehen. Sich darauf zu verlassen, dass die Schüler Abstand halten, ist wirklichkeitsfremd. Und nicht jedem Schüler kann dafür eine Lehrkraft zur Seite gestellt werden.“

Im Notfall sollten die Kernfächer stattfinden

Auch über die Pausengestaltung hat man sich bereits Gedanken gemacht: Nach bisherigen Überlegungen sollen die Schüler bei vernünftigem Wetter nach draußen. Die verschiedenen Schulhöfe bieten die Möglichkeit, dass sich alle auf einer größeren Fläche verteilen können.

Zum Thema Unterrichtsentfall hat Droste eine klare Meinung: „Grundsätzlich kann kein Fach ohne Verlust entfallen. Klar ist, dass es das Bestreben sein muss, wenn es nicht anders geht. Im Notfall sollten dann die Kernfächer stattfinden.“

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Das wären Mathe, Deutsch, Englisch und eine zweite Fremdsprache. In der Oberstufe müssten aber andere Gesichtspunkte mit einbezogen werden. Leistungskurse und möglichst viele Grundkurse, die für den Abschluss nötig sind, sollten dann stattfinden können.

Pandemie war absehbar

„Absolut abhängig von den Entscheidungen in Düsseldorf” sei die Stadt als Schulträger. Das sagte Dr. Alexander Prange (FDP), Vorsitzender des Schul- und Sportausschusses. Die Stadt sei für die Bereitstellung der Gebäude zuständig, auf die Organisation habe man keinen Einfluss.

Persönlich würde er, selbst Vater von Kindern im schulpflichtigen Alter, mit der Wiederaufnahme des Unterrichts noch warten: „Man kann doch nicht verhindern, dass sich zwei Kinder mal umarmen.” Die Entwicklung der Corona-Pandemie verfolgt der Wissenschaftler mit den drei Doktortiteln, Vizepräsident für Forschung und Transfer an der Hochschule Niederrhein in Krefeld, durch seine besondere berufliche Brille als Mikrobiologe. Schon während seines Studiums vor 25 Jahre, so Dr. Prange, habe ein Professor gesagt, dass es irgendwann erneut eine Pandemie wie die Spanische Grippe geben werde.