Brilon. Eine Frau soll am Bahnhof Brilon Wald einen Mitarbeiter der Bahn bespuckt haben. Grund für die vermeintliche Attacke ist Ekel vor dem Bahnhof.

Zierlich und klein wirkt die 57-jährige Frau mit den langen grauen Haaren auf der Anklagebank. Sie hält die Hände verschränkt und blickt freundlich. Der Eindruck passt kaum zu der Anklage, die Staatsanwalt Lämmerhirt vorträgt: am 22. Dezember letzten Jahres soll die Frau aus Warendorf einen Bahnmitarbeiter am Bahnhof in Brilon Wald beleidigt und ins Gesicht gespuckt haben. Die Angeklagte bestreitet das.

Aufzug ausgefallen: Mit der pflegebedürftigen Mutter die Treppen hoch

„Es war kurz vor Weihnachten und meine Mutter und ich wollten die Feiertage im Sauerland verbringen“, erzählt die Warendorferin. „Ihre Mutter ist 89 Jahre alt und pflegebedürftig“, ergänzt Verteidiger Dietrich. Sie seien mit dem Zug gefahren und hätten in Brilon Wald umsteigen müssen. Mit einem schweren Koffer, einem Hund und ihrer Mutter sei ihr dies allerdings sehr schwer gefallen, weil der Aufzug ausgefallen sei und sie die Treppen hinauf zu Gleis 9 habe nehmen müssen.

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Angeklagte wollte sich an oberer Stelle beschweren

„Auf dem Bahnsteig habe ich dann zwei Bahnmitarbeiter bei der Raucherpause angetroffen. Ich habe mich bei ihm über den Zustand des Bahnhofs beschwert. Seine Reaktion war sehr heftig, er ist aggressiv geworden“, berichtet die Angeklagte. Der Bahnmitarbeiter habe ihr geantwortet, dass dies nicht seine Zuständigkeit sei. Daraufhin habe sie entgegnet, dass sie sich an oberer Stelle beschweren wolle. „Damit mal was passiert.“

Bahnmitarbeiter habe sich ihr entgegengedrängt

Dann sei der Bahnmitarbeiter auf sie zugekommen, habe sich ihr entgegengedrängt. „Mein Hund zog weg, es war dunkel und es hat geregnet. Ich habe keine Kameras gesehen“, schildert die Angeklagte die Situation.

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Der Mann habe sie am Arm gepackt, mehr als eine Minute lang. Der Verteidiger legt Fotos von Verletzungen vor, die dadurch angeblich entstanden seien. „Ich habe dann laut nach Hilfe gerufen bis eine Gruppe Jugendlicher kam. Dann hat er mich losgelassen und mir eine Weiterfahrt untersagt.“ Der Verteidiger schildert, dass seine Mandantin daraufhin die Polizei gerufen habe. Immer wieder unterbricht sie allerdings ihren Anwalt sichtlich aufgeregt und mit roten Wangen: „Ich hab Hilfe, Hilfe, Hilfe geschrien.“ Sie sei später mit ihrer Mutter in ein Taxi umgestiegen.

„Sie hat geschimpft und ich habe Verständnis gezeigt“

Der Bahnmitarbeiter ist groß – fast 1,90 Meter – und wirkt ruhig, als er sich vor dem Richter niederlässt. Seine Version der Ereignisse wirft ein anderes Licht auf den Dezembertag: „Ich habe mit einer Kollegin eine Raucherpause auf Gleis 9 gemacht, als plötzlich ein Hund die Treppen heraufgelaufen kam.“ Während seine Kollegin den Hund eingefangen habe, sei er auf die Frau zugegangen, die mit einem großen Koffer, ihrer Mutter am Arm und schimpfend die Treppen herauf gekommen sei. „Sie hat geschimpft und ich habe Verständnis gezeigt, denn der Bahnhof ist für körperlich eingeschränkte Personen schlimm.“ Daraufhin habe die Angeklagte den 44-Jährigen als Arschloch bezeichnet. „Ich habe ihr gesagt, dass sie auf die Bahn schimpfen kann, aber dass sie mich nicht persönlich angehen soll.“ Sie habe daraufhin ihre Hand auf seine Brust gelegt und ihm ins Gesicht gespuckt.

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Am Arm gepackt und zurückgeschoben

„Ich habe sie am Arm gepackt und sie zurück geschoben, daraufhin hat sie geschrien, dass ich sie schlagen würde. Ich hatte eine Gruppe Jugendlicher im Zug, die sofort gekommen sind, um ihr zu helfen.

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Da hat sie angefangen einen von denen zu bespucken.“ Er habe sie dann von der weiteren Beförderung ausgeschlossen und Strafanzeige bei den eintreffenden Beamten gestellt. „Die wollten sich gütlich einigen, aber wenn mich jemand bespuckt ist es vorbei.“

Ein dicker Flatschen auf Stirn und Brille

Auf die Vorwürfe entgegnet die Angeklagte, dass sie laut gesprochen, vielleicht ein paar Spucketröpfchen verloren habe. Doch die Kollegin des 44-Jährigen Zeugen schließt sich seiner Schilderung nahtlos an. „Ich habe nur seinen Rücken gesehen – also das eigentliche Spucken habe ich nur gehört.“ Die 30-Jährige ahmt ein Spuckgeräusch nach. „Dann habe ich gesehen, wie mein Kollege sich einen dicken Flatschen von Stirn und Brille gewischt hat.“

Verteidiger will Freispruch erreichen

Staatsanwalt Lämmerhirt glaubt ihrer Schilderung: „Der Zeuge macht mir keinen Eindruck, als würde er ausrasten wenn jemand auf die Bahn schimpft.“ Er fordert eine Geldstrafe von 450 Euro. Der Verteidiger plädiert auf Freispruch. Richter Härtel schließt sich dem nicht an. „Die Angeklagte war verständlicherweise überfordert und kam geladen auf dem Bahnsteig an“, räumt er ein. Allerdings gehe er nicht davon aus, dass die beiden Zeugen sich zu einer Falschaussage verabredet hätten. „Die Zeugin hat sogar betont, dass sie nicht genau gesehen hat, wie Sie gespuckt haben. Ich kann keine Belastungstendenzen erkennen.“ Er verurteilt die 57-jährige zu einer Geldstrafe von 400 Euro. „Man muss sich nicht gefallen lassen, angespuckt zu werden.“

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