Brilon. Weil Brilon beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb kein Interesse für das Finanzamt angemeldet hat, kann demnächst jeder auf das Gebäude bieten.
Für die Stadt Brilon ist der Zug, bei der künftigen Nutzung des alten Finanzamtes ein Wort mitzusprechen, noch nicht abgefahren, obwohl sie im vergangenen Jahr nicht an dem sogenannten Interessenbekundungsverfahren teilgenommen hat. Das teilte der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) auf Anfrage der WP mit. Allerdings: Jetzt besitzt die Stadt nicht mehr den Status eines „privilegierten Interessenten“, sondern muss sich im freien Bieterwettbewerb gegen etwaige andere auf den Plan tretende Investoren durchsetzen. Und damit ist der Preis nach oben offen.
In der jüngsten Ratssitzung hatte die CDU das Thema erneut aufs Tapet gebracht. Wie berichtet, kam von der Fraktion der Vorschlag, in dem Gebäude am Steinweg ein Wohnheim für Auszubildende einzurichten. Dafür kann es nach Ansicht der Union im Rahmen der „Regionale 2025“ erhebliche Zuschüsse geben. Fraktionssprecher Eberhard Fisch: „Mit den Fördermöglichkeiten der Regionale kann es gelingen, hier ein zukunftsweisendes Projekt auf die Beine zu stellen, das unseren Auszubildenden, unseren Betrieben und dem Stadtbild gleichermaßen hilft.“
CDU-Antrag: Wohnheim für Auszubildende
Auf Nachfrage von Fisch hatte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch im Rat gesagt, dass es nicht mehr möglich sei, noch „den Fuß in die Tür zu bekommen“. In der Tat: Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes NRW hat das Interessenbekundungsverfahren abgeschlossen. Dabei aber handelt es sich nur um den ersten Schritt des mehrstufigen Verkaufsverfahrens, mit dem sich der Bau- und Liegenschaftsbetrieb von nicht mehr genutzten öffentlichen Immobilien trennt.
Südwestfalen-DNA: digital - nachhaltig - authentisch
Für das Wohnheim-Projekt sei nach Auskunft der Südwestfalen-Agentur ein Zuschuss von 70 bis 80 Prozent zu erwarten, so CDU-Sprecher Eberhard Fisch zur WP.
Die „Regionale 2025“ soll die Südwestfalen-DNA forcieren, wobei DNA für digital, nachhaltig, authentisch steht; die Projektdauer geht bis Ende 2026.
Bis Ende 2019 waren bereits 23 Projekte ausgezeichnet. Wie in der Vorgänger-Regionale werden auch diesmal wieder in drei Runden Sterne vergeben.
Infos: www.suedwestfalen-agentur.com
Im Rahmen des Interessenbekundungsverfahren kann der BLB landeseigene Gebäude direkt und ohne öffentliche Ausschreibung veräußern, „wenn dadurch die Erfüllung kommunaler Zwecke, die Errichtung von gefördertem Wohnraum durch kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder die Arbeit von Studentenwerken gefördert“ werden, wie es in den Erläuterungen heißt. Das Verfahren richtet sich deshalb vorrangig an Kommunen oder kommunale Gesellschaften sowie an Investoren, die eine zweckgebundene Nutzung verfolgen. So muss zum Beispiel bei der Schaffung von Wohnraum ein Anteil von wenigstens 30 Prozent den Wohnungsbauförderungskriterien entsprechen.
Das Interessenbekundungsverfahren war Anfang September zu Ende gegangen. Zu möglichen Interessenten, auch nicht zu deren Anzahl, wollte und will das BLB „aus Datenschutzgründen“ keine Angaben machen. Sich daran zu beteiligen, stand aus Sicht von Dr. Bartsch im vergangenen Jahr nicht zur Diskussion: Der Rat habe von seiner vor einigen Jahren angedachten Überlegungen, die Verwaltung vom Alten Amtshaus ins ehemalige Finanzamt zu verlagern oder dort öffentliche Einrichtungen unterzubringen, Abstand genommen, und der Wohnheim-Antrag der CDU habe ja noch nicht vorgelegen.
Öffentliches Bieterverfahren im zweiten Quartal
Hätte sich die Stadt im Rahmen des Interessenbekundungsverfahren gemeldet, hätte sie als öffentlicher Bieter das Gebäude zum Gutachterpreis erwerben können. Der soll im niedrigen sechsstelligen Bereich liegen.
Sollte es keine Interessenten für eine zweckgebundene Nutzung des Gebäudes geben, bringt der BLB das Gebäude in einem öffentlichen Verkaufs- bzw. Bieterverfahren auf den Markt. Dieses Verfahren geht in der Regel über zwei oder drei Runden, wobei der BLB den Interessenten nach jeder Runde das abgegebene Höchstgebot mitteilt. Dann kann, wer mag, nachbessern, bis der BLB zur „last and final offer“, dem letzten Gebot, aufruft.
Dieses Verfahren, so BLB-Sprecher Jörg Fallmeier zur WP, sei für das zweite Quartal geplant.
„Repräsentatives Bürogebäude im Zentrum von Brilon“
Der BLB hatte das ehemalige Finanzamt als „repräsentatives Bürogebäude im Zentrum von Brilon“ beworben. Beim Umzug des Finanzamts vom Steinweg ins Gewerbegebiet am Almerfeldweg 2012 hätten, so hieß es damals, ein ausländischer Investor und eine heimische Unternehmerfamilie Interesse an den Gebäude gezeigt. Das Hauptgebäude hat eine Mietfläche von rund 2800 Quadratmetern, hinzu kommen 675 Quadratmeter in den beiden angedockten Häusern.
Gedankenspiele kreisten um den Abriss der beiden an den 1925 errichteten Mitteltrakt angebauten Seitenflügel sowie der beiden in der Oberen Mauer mit Durchgängen angeflanschten Einfamilienhäuser. Auf diese Weise hätten die Investoren weitere Nutzungsmöglichkeiten für das rund 2100 Quadratmeter große Grundstück erhalten. Störende Handwerks- oder Gewerbebetriebe sind dort ausgeschlossen. Das Grundstück ist im Altlastenverzeichnis des Hochsauerlandkreises als Verdachtsfläche eingetragen. Früher sind dort eine Textilreinigung und eine Schreinerei betrieben worden. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz. Neben einer Nutzung für die Stadtverwaltung hatte es Überlegungen gegeben, dort ein Hotel oder ein Altenzentrum einzurichten.
Wo liegt die Schmerzgrenze?
2015/16 wollte die Stadt das Gebäude als Notunterkunft für Zuwanderer herrichten; rund 80 Personen hätten dort untergebracht werden können. Rund 400.000 Euro sollte der Umbau kosten. Die sanitären Einrichtungen und der Brandschutz hätten hohe Investitionen erfordert. Das Thema erledigte sich wegen der rückläufigen Zuwandererzahlen von selbst.
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Nach der Ratssitzung vom vergangenen Mittwoch hatte Bürgermeister Dr. Bartsch nochmals mit dem BLB Kontakt aufgenommen. In der Tat, so der Bürgermeister zur WP, könne sich die Stadt an dem nun folgenden Bieterverfahren beteiligen - „Aber dann müssen wir den höheren Preis akzeptieren.“ Deshalb soll das Thema noch mal im Rat behandelt und die „Schmerzgrenze“ ausgelotet werden.