Olsberg/Brilon. Michael Ester beginnt am 1. Januar 2020 als Hausarzt in Olsberg. Und die Städte Brilon und Olsberg werben offensiv um Mediziner für ihre Region.

„Komm aufs Land.Arzt“ heißt eine neue gemeinsame Initiative der Städte Olsberg und Brilon, um Mediziner in die beiden Städte, die bei der Kassenärztlichen Vereinigung als gemeinsamer Planungsbereich geführt werden, zu holen.

„Zu einem Schlüssel soll die Kommunikation zwischen den Beteiligten werden“, so Projektleiterin Elena Albracht. Sie meint vor allem eine Kerngruppe, die aus Fachärzten, Vertretern der Kliniken und der Kommunen besteht. „In vierteljährlichen Treffen wird es um Maßnahmen gehen, die Ansiedlung von Ärzten und die medizinische Versorgung in der Region zu sichern“, so Albracht. Um das Netzwerk weiter aufrecht zu erhalten, wird es jährlich zudem eine gemeinsame Veranstaltung geben.

Damit Nachwuchsmediziner ihre Weiterbildungszeit in Olsberg und Brilon verbringen wollen und können, wird außerdem ein Weiterbildungsverbund aufgebaut. „Für Nachwuchsmediziner ist es ganz besonders wichtig, ein funktionierendes Netzwerk und feste Strukturen vor Ort vorzufinden“, so Elena Albracht.

Vorstellung der Kommunen Olsberg und Brilon an der Ruhr-Universität

Neuer Hausarzt in Olsberg: Ab dem 1. Januar arbeitet Michael Ester (links) mit Dr. Martin Höfer in der Praxis am Bigger Platz, direkt am Olsberger Rathaus, zusammen.
Neuer Hausarzt in Olsberg: Ab dem 1. Januar arbeitet Michael Ester (links) mit Dr. Martin Höfer in der Praxis am Bigger Platz, direkt am Olsberger Rathaus, zusammen. © Westfalenpost | Sonja Funke

Als Ansprechpartnerin steht den heimischen Medizinern außerdem im Olsberger Rathaus Isabel Schmidt zur Verfügung. Gemeinsam mit Albracht stellt sie die Kommunen auch künftigen Ärzten vor, so zum Beispiel Anfang November in der Ruhr-Universität Bochum. Bei der Veranstaltung „Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin“ des Hausärzteverbandes ging es auch um das Kulturangebot und die Arbeitsplatzsituation in der Region. „Teilweise können sich die jungen Studierenden gar nicht vorstellen, wie viel die Kommunen bieten können und ab wann man als Stadt ländlich ist“, so Albracht.

Die Fördermöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), des Landes NRW und des Vereins Doktorjob kamen ebenso zur Sprache.„Doch es geht noch mehr“, betont Elisabeth Nieder, Allgemeine Vertreterin des Olsberger Bürgermeisters: „Als Bürger sind wir alle Werbeträger, die auch in der Familie, mit Freunden oder Bekannten auf die Situation vor Ort aufmerksam machen können - und somit eventuell ein paar Heimkehrer rekrutieren.“

Neuer Hausarzt in Olsberg ist ein klassischer „Heimkehrer“

Ein solcher klassischer Heimkehrer ist Michael Ester (46), denn er ist gebürtig aus Brilon. Ab dem 1. Januar steigt er als Facharzt für Allgemeinmedizin in die bestehende Hausarztpraxis von Dr. Martin Höfer ein. Letzter kommt zwar aus Berlin, aber seine Frau kommt aus der Region, er ist hier schon lange zu Hause. Am Bigger Platz, vis à vis zum Rathaus, führen die beiden künftig eine Gemeinschaftspraxis, neuerdings „Berufsausübungsgemeinschaft“ genannt. Gerade wird dafür Michael Esters eigener Behandlungsraum emsig renoviert und eingerichtet.

Förderverzeichnis

Das Förderverzeichnis der Kassenärztlichen Vereinigung ist für jedermann im Internet einsehbar: https://www.kvwl.de/arzt/sicherstellung/niederlassung/pdf/foerderverzeichnis.pdf

Nach einem Jahr Selbstständigkeit freut sich Martin Höfer, dass nun ein Kollege hinzukommt. Vor genau einem Jahr hatte der ehemalige Chefarzt der Notfallambulanz am Krankenhaus Maria-Hilf Brilon die Praxis von Dr. Regina Flammersfeld-Hock übernommen. „Gerade momentan in der Grippe- und Erkältungszeit gibt es viel zu tun, und ganz auf sich allein gestellt kann es da auch schon einmal leicht etwas hektischer werden“, weiß der 49-Jährige und ergänzt, „man kann ja auch selbst mal krank werden. Wenn wir zu zweit sind, ist das in jedem Punkt ein Gewinn. Es bleibt mehr Zeit für den einzelnen Patienten, wir können uns gegenseitig vertreten und uns medizinisch austauschen. Das hat nur Vorteile.“

„Es hat nur Vorteile, zu zweit in der Praxis zu sein“

So sieht es auch Michael Ester. Der 46-Jährige dachte – wie sein Kollege - schon beim ersten Treffen, dass die Chemie stimmt. Es fand kurioser Weise „unter Schmerzen“ als Arzt-Patienten-Begegnung im Briloner Krankenhaus statt, wo Martin Höfer bis Ende 2018 die Notaufnahme leitete. „Ich hatte mich selbst verletzt, eine Rippe war angeknackst, und ich musste das abklären lassen. Da habe ich Dr. Höfer kennen gelernt, der - wie ich erst später von ihm erfahren habe - da seinen letzten Nachtdienst als Krankenhausarzt hatte“, so Ester.

Beide hielten den Kontakt. Und mehr noch: Beide waren vor Abschluss ihrer Facharzt-Weiterbildung Allgemeinmedizin bereits Facharzt für Chirurgie, beide waren als Notärzte unterwegs und haben „vieles schon mal gesehen und akut behandelt“. Das hilft bei der Praxisarbeit, denn mit das Wichtigste als Allgemeinmediziner sei ja, die Dringlichkeit der Lage einzuschätzen, zum Beispiel: „Wie akut ist die Situation? Muss bei Bauchschmerzen sofort gehandelt werden oder habe ich noch Zeit?“

Wieder Platz für neue Patienten

Dr. Martin Höfer (links) mit seinem Kollegen Michael Ester vor der Praxis am Bigger Platz 1, direkt am Olsberger Rathaus.
Dr. Martin Höfer (links) mit seinem Kollegen Michael Ester vor der Praxis am Bigger Platz 1, direkt am Olsberger Rathaus. © Westfalenpost | Sonja Funke

Gerade bei solchen Entscheidungen kommt beiden ihre chirurgische Erfahrung mit unzähligen Bauch-OPs zugute, sagen sie. Knapp 15 Jahre arbeitete Michael Ester nach seinem Studium in Münster an einem Soester Krankenhaus, davon neun Jahre als Oberarzt. „Seit meinem 40. Geburtstag habe ich zunehmend überlegt, noch einmal in einem ganz anderen medizinischen Bereich zu arbeiten, zumal man als chirurgischer Oberarzt im Krankenhaus doch oft auch vorrangig mit Themen wie OP-Zahlen und Organisation von OP-Kapazitäten zu tun hat.“ Er überlegte zu wechseln, das „Quereinsteigerprogramm“ der Ärztekammer für angehende Hausärzte kam wie gerufen. „Die erforderlichen Weiterbildungsabschnitte habe ich dann in der Inneren Abteilung am St.-Franziskus-Hospital Winterberg und anschließend in der ‚Sauerlandpraxis‘ in Medebach absolviert“, so Michael Ester.

Doch es zog ihn zurück in die Nähe von Brilon. Ende Oktober war seine Ausbildungszeit in der Hausarztpraxis in Medebach beendet, Anfang November bestand er die Facharzt-Prüfung. „Dann musste ich abwarten, wie sich die zuständigen Ausschüsse bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe entscheiden. Vor einigen Tagen erhielt ich von dort die Zulassung als sogenannter Vertragsarzt. Für die aktuelle Unterstützung seitens der KV bin ich sehr dankbar.“

Für Brilon immer noch „drohende Unterversorgung“ an Hausärzten

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Das Engagement der KV kommt nicht von ungefähr: Trotz der Niederlassung von Michael Ester droht im zusammengefassten Bereich Brilon/Olsberg immer noch eine Unterversorgung. Gerade in Brilon sind rund 50 Prozent der Hausärzte bereits über 60 Jahre alt, ein Briloner Allgemeinmediziner ist noch dazu in diesem Herbst unerwartet verstorben. Im Sinne des Verstorbenen solle der Praxisbetrieb langfristig aufrecht erhalten werden, bis zur Klärung einer Übernahme sei für eine Vertretung gesorgt, heißt es von Seiten der Praxis.

Die Auswirkungen der drohenden Unterversorgung sind bis nach Olsberg zu spüren: „Meine Patienten kommen ja ohnehin schon zum Teil aus Ortschaften östlich von Brilon“, so Dr. Höfer. Schon in seinem ersten Jahr musste er zwischenzeitlich einen Aufnahmestopp einlegen, weil er weitere Patienten in der Praxis alleine nicht mehr guten Gewissens betreuen konnte. „Zu zweit wird die Praxis endlich wieder Kapazitäten für neue Patienten haben!“. Sagt er und blickt zufrieden zum Kollegen.