Brilon/Marsberg. . Wegen gefährlicher Körperverletzung muss ein Asylbewerber (23) aus Mali für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Streitpunkt war eine Tomate.
- Am 29. Februar Algerier ein Messer in die Brust gestoßen
- In Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt
- Täter lässt direkt nach Attacke von seinem Opfer ab
„Und das alles wegen einer Tomate.“ Hans Werner Schwens, Vorsitzender Richter des Schöffengerichts Brilon, schüttelte den Kopf, als er das Urteil verkündete hatte. Wegen gefährlicher Körperverletzung muss ein 23 Jahre alter Asylbewerber aus Mali für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Am 29. Februar hatte er in der als Flüchtlingsheim genutzten Kerschensteiner Schule in Marsberg einem 29-jährigen Algerier ein Messer in die Brust gestoßen.
Der gut 1,90 m große schlaksige Schwarzafrikaner schlurfte gestern in Fußfesseln in den Gerichtssaal. Er war am Tatabend gerade dabei, sich in der Gemeinschaftsküche Essen zuzubereiten, als der Algerier hereinkam, der sich ebenfalls etwas kochen wollte. Allein: Ihm fehlte dazu eine Tomate. Und weil der 23-Jährige davon gleich mehrere in der Tüte hatte, nahm er sich einfach eine, ohne zu fragen.
Soziokultureller Konflikt
Das brachte den jungen Mann aus Mali auf. Denn in Afrika, so hatte es Verteidiger Oliver Brock ausgeführt, empfände sich die Bevölkerung aus dem Maghreb im Norden den Menschen in Schwarzafrika überlegen. Das wollte der 23-Jährige hier in Deutschland nicht auf sich sitzen lassen. Er forderte den gut einen Kopf kleineren, aber deutlich muskulöseren Algerier auf, die Tomate zurückzulegen. Was der nicht verstand. „Es ging doch nur um eine Tomate.“ Es kam zu einem Streit in der Küche, es flogen Fäuste und Geschirr, man trat sich, ging zu Boden. Dabei trug der 23-Jährige einen etwa einen Zentimeter langen Schnitt im Unterarm davon. Mitbewohner beendeten das Gerangel, doch für den Malier war die Sache damit nicht vorbei. „Ich wollte Genugtuung. Auge um Auge, Zahn um Zahn, so wie es bei uns üblich ist,“ sagte er gestern.
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„Er rannte durch die Zimmer und suchte ein Messer“, sagte ein Zeuge. „Ich wollte ihm auch einen Stich in den Arm geben,“ sagte der Angeklagte. Am Fuß einer Treppe eskalierte die Situation. Der Algerier stand dort und unterhielt sich mit oben stehenden Bewohnern, als der 23-Jährige unmittelbar neben ihm durch die Tür trat. Das Messer in der Hand. Mehrere Bewohner sagten, dass sie den Algerier noch auf den bewaffneten 23-Jährigen aufmerksam gemacht haben. Daraufhin habe sich der 29-Jährige umgedreht und dabei den rechten Arm, einen abgebrochen Flaschenhals in der Hand haltend – zur Abwehr, sagte das Opfer, als Angriff, wie der Angeklagte die Pose interpretierte - erhoben.
Putzfrau räumt Tatort auf
Worauf der Stoß des Maliers zur linken Brustseite ging und den Algerier unterhalb der Brustwarze traf. Das rund 30 cm lange Küchenmesser mit der 16 cm langen Klinge verursachte eine etwa sieben Zentimeter breite Fleischwunde, drang zwischen den Rippen hindurch und ritzte die Lunge an. Der Malier ließ von seinem Opfer ab und zog sich im Haus zurück. Andere Bewohner kümmerten sich um den Algerier, hielten ein Auto an und brachten ihn ins Marien-Hospital.
In Details wichen die Angaben der Zeugen zu der Situation im Treppenhaus ab. Wenig zur Aufklärung beitragen konnte der Leiter der Mordkommission Dortmund, die wegen des Anfangsverdachts einer versuchten Tötung ins Sauerland gekommen war. Bevor der Erkennungsdienst am anderen Morgen seine Arbeit aufnehmen konnte, hatte die Putzfrau bereits ganze Arbeit geleistet.
„Wenn so viele junge Männer so lange so eng miteinander untergebracht sind, die den ganzen Tag nicht zu tun haben, bauen sich Spannungen auf“, sagte Staatsanwalt Marco Karlin. Die vorgetragene Rechtfertigung sei nicht akzeptabel. Karlin: „Das war ganz knapp am Mord vorbei.“ Weil der Angeklagte allerdings direkt nach dem Stich von seinem Opfer abgelassen habe, sei die Tat als gefährliche Körperverletzung zu werten. Dafür forderte er drei Jahre Haft. „Die gesellschaftspolitische Herausforderung der Flüchtlingskrise ist bei der Justiz angekommen“, sagte Verteidiger Brock. Er sah hier einen minderschweren Fall, für den noch eine Bewährungsstrafe möglich sei. Zumal der Bundesgerichtshof bei der Strafzumessung die Berücksichtigung soziokultureller Hintergründe angeregt habe. „Auf so dünne Bretter springe ich nicht auf“, sagte Richter Schwens. „Wer nach Deutschland kommt, hat sich an unsere Gesetze zu halten.“
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