Brilon/Marsberg. . Beweise reichen für Verurteilung nicht aus. Das Schöffengericht urteilt „Im Zweifel für den Angeklagten“.

„Dieser Freispruch ist so dünn wie das Blatt Papier, auf dem er formuliert ist.“ Mahnende Worte gibt Richter Hans-Werner Schwens am Donnerstag einem 29-jährigen Bottroper mit. Den Vorwurf, am 10. September 2014 eine Tankstelle in Marsberg überfallen, die Kassiererin bedroht und zur Herausgabe von 210 Euro gezwungen zu haben, kann das Schöffengericht nach zwei Verhandlungstagen trotz mehrerer Indizien nicht ohne Restbedenken bestätigen. Deshalb heißt es: „Im Zweifel für den Angeklagten.“

Zur Beweisführung ist das Handy-Bewegungsprofil angefordert worden. Dieses ergibt, dass der Angeklagte sich zur Tatzeit zwar in der Funkzelle des Tatorts befunden hat, belegt jedoch nicht seinen genauen Aufenthalt. Auch der Fund eines höheren Geldbetrages sowie die Aussage eines Mitbewohners der Forensischen Psychiatrie in Marsberg, in der sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt befand, liefern keine endgültige Klarheit.

Drogen und falsche Freunde

Klirren und tippelnde Schritte deuten es schon vor dem Amtsgerichtssaal an: Der 29-jährige Angeklagte wurde gestern in Fußfesseln von zwei Justizbeamten zur Verhandlung gebracht. Sein Gesicht verrät keine Regung, er sieht nur ab und zu kurz seine Anwältin oder den Richter an und starrt ansonsten ins Leere. Als Hans-Werner Schwens ihn nach seinem bisherigen Leben fragt, erzählt er leise, fast unverständlich in abgehackten Sätzen. Eltern früh geschieden, erst die Schule und dann eine Lehre kurz vor der Prüfung abgebrochen. Warum, will der Richter wissen? Drogen durch einen falschen Freundeskreis waren im Spiel, schon ab dem 14. Lebensjahr, erst Marihuana, dann später auch Kokain und Amphetamine. Mit 19 Jahren geheiratet, mit 20 straffällig geworden, dabei nie von den Drogen weggekommen. Daran zerbricht nach einigen Jahren die Ehe. Dann die Drogen-Therapie in Marsberg - dort wollen ihn Mitpatienten im Zeitungsbericht über den Tankstellenüberfall erkannt haben. Einer von ihnen beschuldigt den Angeklagten vor Gericht, dass er ihm gegenüber verräterische Andeutungen gemacht habe. Diese kann das Gericht jedoch nicht mit Sicherheit als Täterwissen einstufen, sie könnten auch aus dem Durchsuchungsbeschluss oder der Zeitung stammen. Die Kleidungsbeschreibung der Tankstellen-Kassiererin ist ebenfalls nicht eindeutig genug. Dazu die nicht restlos zu klärende Geld- und Handyfrage. Deshalb muss das Schöffengericht letztlich auf Freispruch entscheiden. „Aber es bleibt ein ganz fader Beigeschmack“, so Schwens. Der 29-Jährige atmet tief durch, lächelt und macht ein Kreuzzeichen. Das Urteil bedeutet für ihn jedoch keine Freiheit: Er ist wegen einer anderen Straftat in der Justizvollzugsanstalt.