Olsberg/Elpe. . Die Elper sind froh, dass ihr Dorf von einer Katastrophe verschont blieb. Am Jahrestag des Flugzeugunglücks vom 23. Juni 2014 kommen die Erinnerungen wieder hoch.
Es müssen unvorstellbare physikalische Kräfte gewirkt haben. Denn kilometerweit fliegen Flugzeugteile durch die Gegend. Heute, vor einem Jahr, im Luftraum über Elpe. Der 23. Juni ist ein trauriger Jahrestag. Zwei Menschen haben genau heute vor zwölf Monaten bei Elpe ihr Leben verloren.
Bei vielen Bewohner sind noch Ängste da
Viel Schlimmeres hätte passieren können. An jenem Montag, als sich bei einem Luftwaffen-Manöver über dem Sauerland zwei Flugzeuge berühren. Die Bewohner des 650-Seelen-Dorfes sind mit dem Schrecken davongekommen. Aber viele von ihnen werden auch zwölf Monate nach dem Unglück noch von Ängsten heimgesucht.
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Es ist windig oben am „Krummen Auwer“ auf rund 480 Metern Höhe. Unweigerlich geht der Blick nach oben in den Luftraum und dann nach unten auf die Wiese. Hier, auf der Absturzstelle, wimmelt es vor einem Jahr von Menschen in weißen Anzügen, die das Gelände absuchen. „Ich saß draußen vor dem Haus, als das Militärflugzeug über meinen Kopf flog. Wir wohnen gerade mal 200 Meter entfernt. Wir können nur von Glück reden, dass er in kein Haus geknallt ist“, sagt Anwohner Werner Susewind.
Die Bilder vom Unglück sind plötzlich wieder präsent. Das abschüssige Grundstück, wo die meisten Teile des Fliegers zerschellen, wirkt seltsam unberührt. Auch der Krater am Hang - hier prallt die Maschine damals auf - wurde nicht weiter aufgefüllt. Regen spült das Erdreich sofort wieder herunter.
Gedenkkreuz erinnert an das Unglück
Der Blick schweift über das Tal. Gepflegte Häuser, saftige Felder, friedlich grasende Pferde auf der gegenüberliegenden Seite. Und diese Stille. Idylle pur, möchte man meinen. Ein schlichtes Gedenkkreuz aus Lärchenholz, von der Dorfgemeinschaft aufgestellt, erinnert an das schlimme Unglück vor einem Jahr. „Zum Gedenken an die Opfer des Flugzeugabsturzes am 23. Juni 2014“ steht da in Schreibschrift.
Elpe ein Jahr nach dem Flugzeugabsturz
Am Fuße des Kreuzes sollen noch eine Gedenktafel und die Fotos der beiden verunglückten Piloten in Emaille angebracht werden. „Daran hat jeder mitgeholfen. Egal, wen man gefragt hat: Wer Material oder seine Arbeitskraft beisteuern konnte, hat das bereitwillig getan“, sagt der Ortsvorsteher. Vielleicht ist das Kreuz auch ein Stück Trauer und Schreckensbewältigung. Zwei Holzbalken, die einen Schlussstrich ziehen sollen.
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Gegenüber von dem neuen Kruzifix gibt es schon lange eine kleine Gedenkstätte am Wegesrand. Wer sie dort aufgebaut hat, weiß niemand genau. Vermutlich Anwohner. Ein Brett, das an eine Leitplanke geschraubt wurde. Aber es stehen dort immer frische Blumen. Ein Kreuz mit den Bildern der beiden Unfallopfer, eine Grablampe und kleine Steine mit Inschriften vervollständigen das Ensemble. „Olaf, ich hab Dich lieb“, „Es tut unendlich weh“, „Der Augenblick nimmt uns Jahre“ ist dort zu lesen. Ob die Angehörigen vor Ort waren? Niemand weiß es.
Erinnerungen an das Unglück in Elpe werden wieder wach
Werner Susewind geht häufig an diese Stelle. Der 67-jährige, pensionierte Briefträger hat anfangs noch jeden Tag die Kerzen neu angezündet, wenn der Wind die Lichter ausgepustet hatte. So wie er gehen viele Elper mindestens einmal pro Woche ans Krumme Auwer. „Man denkt daran, dass zwei Menschen bei ihrer Arbeit ums Leben gekommen sind. Man macht sich bewusst, was für ein Glück wir in Elpe gehabt haben. Und manchmal denke ich auch, dass die Piloten vielleicht doch noch das Flugzeug von unseren Häusern weg gesteuert haben.“
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Ortsvorsteher Dominik Beule hängt seinen Gedanken nach. „Wir haben keinen Kontakt zu den Angehörigen. Ich glaube auch nicht, dass sie zu unserer Gedenkfeier kommen werden. Irgendwie scheut man sich auch.“ Er erinnert sich, wie fast alle Elper, noch genau daran, was er zur Unglücksstunde gemacht hat. „Ich wollte mich nach dem Mittagessen gerade umziehen. Da hörte ich den Knall und sah die dunkle Rauchwolke.“ Beule eilt zur Unfallstelle, wird aber von Ersthelfern zurückgehalten. „Und das war gut so“, sagt er heute.
Der 23. Juni 2014 bleibt im Gedächtnis
Auch Heiko Mikol aus Elpe hat den 23. Juni vor einem Jahr nicht vergessen. Als er von dem Unglück hört, setzt er sich sofort ins Auto, um nach Hause zu fahren. „Die Kinder waren allein, da meine Frau an dem Nachmittag auch unterwegs war. An einer Sperrung vor Elpe haben wir uns zufällig getroffen.“ Erst über einen Feldweg schaffen sie es in die Wohnung. Die Kinder hatten zum Glück nichts von all dem mitbekommen.
Elpe heute: Ein Auto hält am Krummen Auwer an. Der Mann steigt aus und überprüft das neue Kreuz. Ein paar Kleinigkeiten am Sockel seien bis zur Gedenkfeier noch zu machen, meint er.
Ein Jahr nach dem Absturz ist Ruhe eingekehrt
Ein Jahr danach ist trotzdem irgendwie wieder Ruhe in Elpe eingekehrt. „Der Medienrummel war schon enorm. Aber das ist halt so, wenn so etwas vor der Haustür passiert.“ Was ihm besonders negativ in Erinnerung geblieben sei, wird der 28-Jährige Gymnasiallehrer, Organist und Ortsvorsteher gefragt: „Dass die Luftwaffe von unbewohntem Gelände gesprochen hat und dass man lange Zeit danach noch Kleinstteile auf der Wiese und im Umfeld gefunden hat.“ Die Messe am vergangenen Samstagabend war in Intention der beiden verstorbenen Piloten, fügt Beule noch an. Wer sie bestellt hat? Vermutlich ein Elper - zum Gedenken und zum Dank...