Bochum. Das Präsidium des VfL Bochum ist zerstritten, Villis nicht mehr Chef, Tigges übernimmt. Der Verlierer ist der Verein. Ein Kommentar.

Der vorletzte Satz der Pressemitteilung des VfL Bochum zur Wachablösung an der Spitze des Vereins muss den Fans und Mitgliedern wie Hohn vorkommen. „Alle Beteiligten werden im Sinne des VfL, seiner treuen Fans und seiner Mitglieder in der jetzigen Konstellation alles dafür tun, damit Ruhe im Verein herrscht und das gemeinsame sportliche Ziel Klassenerhalt erreicht werden kann.“ Ruhe im Verein? Genau das Gegenteil ist der Fall.

Der VfL steht sportlich nach einer bisher verkorksten Saison auf dem letzten Platz. Und das Präsidium, die gewählte Führung des Klubs, ist seit Monaten zerstritten. Von der viel beschworenen Einheit keine Spur.

Glaubwürdigkeits-Problem für den neuen Chef Tigges

Im Oktober ließ Hans-Peter Villis seine Ämter als Vorsitzender des Präsidiums (Verein) und Aufsichtsratsvorsitzender der KGaA (Profiabteilung) ruhen, offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Er kam damals bereits seiner Abwahl als Vorsitzender des Klubs zuvor. Uwe Tigges und Martin Volpers, seine Stellvertreter, haben dies öffentlich stets abgestritten. Auf der Mitgliederversammlung wich Tigges entsprechenden Nachfragen aus. Beide haben stets betont, dass Villis seine Ämter wieder einnehmen könne, wenn er zurückkehrt.

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    Seit der Sitzung am Montag, als er zurückkehrte, ist klar: Kann er nicht. Eine Mehrheit um Volpers und Tigges wählte ihn als Vorsitzenden des Präsidiums und Aufsichtsrates ab - und der neue Chef Tigges und seine Mitstreiter haben nun ein Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber Mitgliedern, Fans, Sponsoren. Wie will man da den VfL Bochum „in Ruhe“ und sicher in die Zukunft führen?

    Villis bleibt in einem Team, das kein Team mehr ist

    Zumal Villis Mitglied bleibt - in einem Führungsteam, das kein Team mehr ist. Man kann das stur nennen, er könnte ja auch weiterhin den Sitzungen fernbleiben, sich auf die Neuwahlen konzentrieren. Man kann es aber auch nachvollziehen. Er will sich, das entspricht seinem Typ, nicht länger wegducken, nachdem er den Kompromiss eingegangen war, ein paar Monate zu pausieren. Dass er bereits an einem Team arbeitet für die Neuwahlen, versteht sich fast von selbst. Und gilt für die andere Seite auch.

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    Fakt ist: Der VfL steht weiterhin ohne Sport-Geschäftsführer und/oder -Direktor da, Neuzugänge hat der Klub im Winter bisher nicht präsentiert. Letzteres ist zwar nicht die Kernaufgabe des Präsidiums, sondern von Geschäftsführer Ilja Kaenzig in Zusammenarbeit mit Trainer Dieter Hecking. Doch das Präsidium kann sich auch hier aktiv beteiligen. Bei nennenswerten Entscheidungen, ab 250.000 Euro, hat es stets das letzte Wort.

    Wichtige Entscheidungen stehen vor den Neuwahlen an

    Fakt ist aber auch: Das Präsidium ist beschlussfähig, der Klub als Ganzes voll handlungsfähig. In Panik muss daher niemand verfallen - Sorgen aber sind berechtigt.

    Denn in dieser bedrohlichen Lage, die 2. Liga mit erheblichen finanziellen Konsequenzen vor Augen, kommen die Neuwahlen gefühlt zu spät. 14. Juni, das ist knapp vor dem Trainingsauftakt für die kommende Saison. Wesentliche Entscheidungen müssen bis dahin getroffen werden: Wer wird Trainer, wer Sportchef, welche Spieler bleiben, kommen, gehen - und zu welchem Preis?

    Hans-Peter Villis
    Hans-Peter Villis war seit 2012 Chef des VfL Bochum, jetzt ist er nur noch Mitglied des Präsidiums und Aufsichtsrates. © DPA Images | Bernd Thissen

    Entscheidungen, die nicht nur einen starken Geschäftsführer Ilja Kaenzig, sondern auch eine starke Klubführung benötigen, die nach außen mit einer Stimme spricht. Dass ein früherer Termin nicht möglich war, begründet der Verein mit Fristen für die Wahl eines Fanvertreters im Präsidium, der von der Fanclubvertreter-Versammlung gewählt wird.

    Fanvertreter fürs Präsidium: Kandidatur benötigt Zeit

    Die Mitglieder entscheiden über Präsidium-Teams mit fünf Mitgliedern en bloc, zudem über den vorgeschlagenen Fanvertreter. Seit Jahren ist dies Martin Volpers. Er wird als Fan-Vertreter nicht mehr antreten, während er sich eine Kandidatur in einem neuen Team noch offen hält.

    Die nächste Fanclub-Vertreter-Versammlung ist am 20. Februar, sie kann auch laut Satzung nicht mal eben von heute auf morgen einberufen werden. Danach folgt die mehrwöchige Bewerbungsphase. Neu ist unter anderem: Eine Wahlkommission - das Fangremium - prüft die Kandidaten. Erst im Mai können sie daher vom Fangremium der Versammlung zur Wahl vorgeschlagen werden. Ein Verfahren, das die Demokratie im Klub und die Fanbelange stärkt - und entsprechend Zeit benötigt. Daher ist dem Präsidium kein Vorwurf für den späten Termin zu machen.

    Uwe Tigges und seine Crew haben bei der Mitgliederversammlung den Weg für Neuwahlen von sich aus freigemacht, das verdient Respekt. Nach Villis‘ Abwahl als Vereinschef ist der Wahlkampf zumindest hinter den Kulissen nun endgültig eröffnet - für den VfL Bochum, seine Fans und Mitglieder kann man nur hoffen, dass er die wesentliche Vereinsarbeit nicht überlagert.

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