Rückershausen.. Broterwerb, Hobby, Treffpunkt: Zu Motoren hat Familie Wied eine besondere Beziehung. Die „blöden Weiber von Saßmannshausen“ sind keine Ausnahme.
Die Bundesstraße zwischen Schmallenberg-Oberkirchen und dem Albrechtsplatz ist kürzlich teilweise für Motorräder gesperrt worden. Anwohner hatten sich immer wieder über laute Motorengeräusche beschwert. Man kann die Sache aber auch anders betrachten. „Das ist ein schöner Vierzylinder-Klang, wenn die da hoch fahren. Wir haben unsere Freude daran“, sagt Norbert Wied über Motorradfahrer, die von Rüppershausen hinauf zum Dill mächtig am Gasgriff drehen. Vom Haus seiner Familie in Rückershausen ist dies, einen Kilometer Luftlinie entfernt, gut hörbar.
Zu Motoren haben sie eine ganz besondere Beziehung bei den Wieds. Wundern kann man sich darüber nicht, denn das Transportwesen sorgt seit Jahrzehnten für das Einkommen der Familie. 2020 wird das Unternehmen hundert Jahre alt.
Verbrennungsmotoren sind aber nicht nur ein Broterwerb, sondern auch Quell der Freude bei der Familie aus dem oberen Lahntal. „Das fing schon mit unserem Vater an“, erinnert sich Eberhard Wied.
Als Kind ging es für ihn mit Bruder Norbert und mit dem Papa, Karl Wied († 1993), regelmäßig an den Nürburgring oder nach Spa. Norbert Wied: „Urlaub konnten wir uns nicht leisten, aber Diesel hatten wir genug und die Eintrittskarte war nicht teuer.“ Vor allem ließ sie sich vor Ort refinanzieren. Durch das Sammeln von Flaschenpfand fuhren die Brüder mit einem schönen Taschengeld heim. „Je älter wir wurden, desto mehr haben wir uns wirklich begeistert für die Rennen. Vier Tage nach meinem 18. Geburtstag habe ich das erste Rennen gefahren. Vorher waren es Seifenkistenrennen“, berichtet Eberhard.
Von Kiste zu Kiste
Die ersten eigenen Motorsporterlebnisse hingen eng zusammen mit der Gründung des MSC Saßmannshausen 1968, den die Familie damals wie heute im Vorstand prägte. Der Club richtete Autoslalom-Rennen und Orientierungsfahrten aus.
Schnell wechselten Norbert und Eberhard in den Slalomsport. Letzterer legte im Simca Rallye 2, einer nicht wirklich aerodynamischen „Kiste“, eine steile, aber kurze Karriere hin. 1978 wurde er bei den Deutschen Meisterschaften im Vorlauf seiner Klasse Zweiter. „Im Finale hat die Zündspule gestreikt, das war es dann. Im Jahr darauf habe ich meinen Betrieb gegründet.“
Arbeit und vor allem die Familie haben im Zweifel Vorrang vor dem Motorsport. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Generationen. „Es ist ein reines Hobby. Es ist auch nicht so, dass wir ständig an den Autos schrauben. Dafür fehlt uns leider die Zeit“, verrät Norbert Wied, der wie Sohnemann Martin als Elektroingenieur arbeitet und dabei etliche Überstunden macht. Ihre Slalom-Autos lassen beide in der Fachwerkstatt von Norberts Cousins Dirk Roth warten.
Ähnlich ist es bei den Frauen. Cindy Krutwig, Tochter von Eberhard Wied, beschränkt sich heute mit ihrem Mann Gunnar auf gelegentliche Oldtimer-Veranstaltungen – bei einer solchen haben sie sich auch kennengelernt. Früher war Cindy eines von vielen MSC-Mädchen, das die Kartslalom-Szene aufmischte – einmal sogar als schnellstes Mädchen der Deutschen Meisterschaften. „Wir haben die Jungs ordentlich geärgert, da hieß es manchmal: ,Die blöden Weiber von Saßmannshausen sind wieder da.’“
Familie und Beruf haben Vorrang
Cindys Schwester Romana hat zwar den altersbedingten Wechsel vom Kart- zum Automobilsport nicht mit gemacht („Im Kart mag ich die Bodennähe und das direkte Lenken“), war in den vergangenen fünf Jahren aber als Trainerin weiter dabei.
Christine Wied, Tochter von Norbert, hörte mit Beginn ihrer Lehre auf. Ihr Bruder Martin, der jetzt in Olpe lebt, machte aber weiter und hat ein feines Gespür für den richtigen Bremsweg und eine enge Linie zwischen den Pylonen. So hat er über 125 Klassensiege im BMW BMW 316 E30 gefeiert. Inzwischen mussten einige Pokale wegen Platzmangels in den Müll.
Nur Eine schlägt aus der Art
„Als Kind war das Interesse durch das Umfeld automatisch da, wir haben mit Autos gespielt und sind im Kart mit dem Seil zum Training geschleppt worden. Aber ich habe mich auch nie dagegen gewehrt“, schmunzelt der 33-Jährige. Inzwischen fährt er häufig zusammen mit bzw. gegen seinen Papa (68) Rennen. Vor seinem „Comeback“ organisierte und leitete Norbert Wied zudem fast 40 Jahre lang Rennen – nicht immer ein leichter Job, da die Wettkampfleitung bisweilen auch harte Entscheidungen vertreten muss.
Aus der Art schlägt einzig Norberts Frau Annette, die zwar einmal ein Proberennen bestritt, sich aber nicht nachhaltig für die Jagd nach Punkten und Sekunden begeistern konnte: „Ich bin eher eine Wasserratte und gehe lieber zum Schwimmen. Die Veranstaltungen des Vereins unterstütze ich aber gerne im Hintergrund.“ Ihr Riesentopf mit Nudeln und Hackfleischbällchen wird bei jedem Zeltlager der Jugend-Kartgruppe mit Vorfreude erwartet.
Romana Wied beschreibt dies so: „Der Zusammenhalt in der Familie ist immer da, immer selbstverständlich. Dann noch mit einem gemeinsamen Hobby immer wieder zusammenzukommen, ist umso schöner. Durch die Rennen haben wir untereinander immer noch etwas mehr zu erzählen.“
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Die Meinung der Familie Wied über...
Illegale Autorennen: „Das, was die in den Städten machen, hat mit Motorsport nichts zu tun. Rennen auf nicht abgesperrten Straßen werden schon per Definition nicht dazu gerechnet.“ (Eberhard Wied)
Schnelles Autofahren im Alltag: „Wir können uns am Wochenende austoben, da ist es genehmigt und gesichert. Im normalen Verkehr halten wir das Limit ein, gerade innerorts. Ich bin punkfrei, Papa ist es seit 23 Jahren.“ (Martin Wied)
Elektroautos im Motorsport: „Im Breitensport sind sie bisher noch nicht im Einsatz, im Vorfeld unseres Rennens in Werl gab es jetzt aber eine erste Anfrage. Der DMSB (Deutsche Motorsport Bund) hat das Thema auf dem Schirm. Ich rechne damit, dass wir kommendes Jahr die ersten Elektroautos auch bei unseren Rennen haben. Beruflich kenne ich Elektromotoren zwar sehr gut, aber beim Rennen müsste ich mich erst an die kaum hörbaren Autos gewöhnen.“ (Norbert Wied)
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