Siegen-Wittgenstein. Nach den Festtagen folgt oft sportlicher Aktionismus, doch es geht auch klüger: Strategien für Genuss an Weihnachten und nachhaltige Vorsätze.
In der Zeit „zwischen den Jahren“ kreisen bei vielen Menschen die Gedanken rund um die Vergangenheit und die Zukunft. Unweigerlich wird die Bilanz des zurückliegenden Jahres ebenso wie das pfundige Weihnachtsessen und all der Süßkram verdaut, ehe neue Ziele für die Zeit ab Neujahr gesteckt werden. Nicht selten münden diese in den berühmten Vorsätzen, im kommenden Jahr mehr Sport zu treiben oder sich gesünder zu ernähren. Doch gibt es überhaupt das Paradebeispiel, das uns den Weg von einem gesunden Weihnachten zu den perfekten Vorsätzen aufzeigt?
Wir haben bei der AOK-Ernährungsberaterin, Janine Huber, dem Triathleten Timo Böhl und dem Trainer des Westdeutschen Skiverbandes, Stefan Kirchner, nachgefragt, um ihre Ratschläge und Strategien für Weihnachten und Silvester sind, um fit und nachhaltig durch diese Zeit zu kommen.
Deftiges Weihnachtsessen mit Genuss?!
„Ich hoffe, sie haben die Zeit genießen können und es hat geschmeckt“, antwortet die Ernährungsberaterin Janine Huber sehr bestimmt auf die Frage, wie Anfänger-, Hobby- oder Profisportler die Feiertage rund um den 24. Dezember angehen sollten. Denn ganz konkret handele es sich „nur“ um drei Tage, die eventuell ernährungstechnisch mal ausufern würden, da sei der Genuss erlaubt.
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Und überhaupt könne, wer dem Zwang des dreitägigen Rund-um-die-Uhr-Essens entkommen möchte, vorab ein paar Ideen sammeln, die den Genuss nicht zu kurz kommen lassen. „Es könnte beispielsweise ein leichteres Frühstück oder Mittagsessen eingebaut werden, welches einen vegetarischen Kontrast zum fleischigen Essen vom Vorabend bietet“. Ebenso empfiehlt die Ernährungsberaterin Ausgewogenheit durch Gemüse und Salat, was als Beilage zu jedem Weihnachtsessen passt, oder durch Obst, das mit dem süßen Nachtisch kombiniert werden kann. Und selbst für jene, die auf diese Strategien verzichten, gelte nach wie vor der Grundsatz des Genießens: „Entscheidend ist nicht, ob wir zwischen Weihnachten oder Neujahr zu- oder abnehmen, sondern was zwischen Neujahr und Weihnachten passiert. Es geht eher darum, das gemeinsame Essen mit der Familie zu genießen und vielleicht daran angelehnt zu überlegen, wie ich den Alltag an anderen Tagen gesünder gestalten kann“, resümiert Huber ihr Feiertagsgebot.
Eigenverantwortung der Sporttreibenden ist wichtig
Diese Meinung teilt auch der frühere Langläufer und heutige Trainer des Westdeutschen Skiverbandes, Stefan Kirchner, der weder vor noch nach Weihnachten Druck auf seine Sportler ausübt: „Davon bin ich überhaupt kein Fan, da ich selber zu meiner aktiven Zeit bei solch besonderen Momenten immer alles mitgegessen habe. Zudem ist man ja sowieso irgendwann satt.“
Viel liegt dabei auch in der Eigenverantwortung der Sportler, womit Kirchner zum Beispiel bei seinen Wittgensteiner Athleten Max Bernshausen, Birger Hartmann oder Jan Stölben immer gute Erfahrungen gemacht hat. „Die Jungs hören da auf ihren Körper und brauchen ja auch selber dann irgendwann mal ein bisschen Bewegung, so dass sie meistens am 24. oder 25. Dezember von alleine rausgehen.“
So verhält es sich auch beim Triathleten des TVE Netphen, Timo Böhl, der genau wie die drei Wintersportler am 31. Dezember bei einem der zahlreichen Silvester-Läufe in Deutschland an den Start
geht. Besondere Rücksicht nimmt er über die Festtage darauf nicht, eher teilt er sich Essen und das von seinem Trainer Marco Dohle vorgegebene Training eigenständig und selbstverantwortlich ein: „An Weihnachten ist es bei mir immer deftig, da mache ich mir überhaupt keine Gedanken, wenn es dann mal etwas Fettiges gibt oder bei Oma der Kuchen und Nascherein warten.“
Gute Ernährung mit Neujahrs-Vorsatz?
Spätestens dann, wenn die letzten Chipstüten und der Rest vom Festtagsbraten aufgegessen sind, steht Silvester vor der Tür – und damit für die meisten der Beginn eines gesünderen Lebens, oder? Huber sieht das entscheidende Detail darin, überhaupt erst mit einer Veränderung anzufangen, getreu dem Motto: Aller Anfang ist das erste Etappenziel. Als einen Leitfaden empfiehlt sie das SMART-Modell:
S steht dabei für spezifisch formulierte Ziele. Huber: „Ich sage mir nicht, dass ich mich mehr bewegen möchte, sondern setze mir klare Zahlen wie zum Beispiel dreimal die Woche schwimmen gehen oder jeden Tag eine handvoll Gemüse oder Salat in die Gerichte einzubauen.
M bezieht sich auf die Messbarkeit des Ziels, dass man 6 Kilogramm abnehmen oder wieder in die Lieblingshose reinpassen möchte.
A wie Aktionsorientiert ist an den eigenen Schweinehund gerichtet: „Man muss sich bewusst werden, dass man selber dadurch muss und deshalb auf niemanden warten sollte“, so Huber und rät dazu, sich einen Wochentrainingsplan oder einen konkreten Einkaufszettel zu schreiben.
R spielt auf den notwendigen Realismus bei der Zielsetzung an, der wichtig ist, um utopische und zum Scheitern verurteilte Ziele wie 15 Kilogramm pro Woche abzunehmen oder am 2. Januar einen Marathon zu laufen, zu vermeiden
T wie Terminiert bedeutet, dass man sich „klar wird, wann man etwas beginnen möchte“, so Huber: „Das heißt nicht, dass man Neujahr um 00.01 Uhr keinen Alkohol mehr trinken oder Süßigkeiten essen darf, sondern dass man sich klare und realistische Termine überlegt, an denen man etwas startet.“
Ein weiterer Ansatz ist, vorher über eventuelle Stolpersteine nachzudenken. „Oft halten Dinge wie die frühe Dunkelheit, Regen oder das fehlende Equipment die Leute vom Sporttreiben ab, da sollte man im Vorfeld drüber nachdenken und direkt gegensteuern. Später stört das womöglich die Motivation“, so ein Rat von Huber an Hobbysportler.
Sportler setzen auf gesunden Realismus
Für bereits aktive Sportler sehen Kirchner und Böhl die SMART-Regeln ebenso als relevant an. „Das
wichtigste ist, dass man als Mensch nicht zu extrem an Zielsetzungen rangeht, das macht weder für Anfänger noch für Etablierte Sinn“, erklärt der WSV-Coach, der vor allem für die „Ehrlichkeit zu sich selber“ plädiert: „Langsam und realistisch anfangen, dann ist der Zeitpunkt egal.“ Dieses Motto teilt auch Böhl, der sich noch nie einen Neujahrsvorsatz gesetzt hat: „Das macht für mich keinen Sinn, denn wenn man etwas verändern will, kann man zu jedem Zeitpunkt damit anfangen“, so der gebürtige Berghäuser. Wichtig sei nur, dass man versucht sein Bestes zu geben und falls das nicht klappt, man sich „keine Haare ausreißt“.
Werner Stöcker genießt an Weihnachten „auch mal eine Flasche Bier“
Die breiten Erfahrungen des Lauf-Urgesteins, Werner Stöcker, knüpfen an diese Schilderungen nahtlos an: Denn immer, wenn im Laufe des Herbstes die Blätter von den Bäumen fallen, nimmt auch das Laufpensum von Werner Stöcker ab. Der 80-jährige Läufer des TuS Erndtebrück hält diesen Grundsatz schon seit Jahrzehnten so. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass er in den Monaten davor, einige Kilometer mehr abspulen und einige Wettkämpfe mehr besuchen muss, um seine Neujahrsvorsätze zu erfüllen, oder?
An dieser Stelle widerspricht Stöcker jedoch vehement: „Also von dem Begriff ‘müssen’ halte ich sehr wenig, ich will mich ja auch bewegen, da gibt es überhaupt keinen Zwang.“ Dieser entsteht auch nicht, obwohl sich der Erndtebücker jedes Jahr vor Silvester vornimmt, auch im kommenden Jahr dieselbe Anzahl an Kilometern und dieselbe Anzahl an Wettkämpfen zu absolvieren wie im jeweils zurückliegenden Jahr.
Für 2019 waren das immerhin rund 2000 Kilometer und 26 Wettkämpfe, wobei Stöcker am 31. Dezember noch am 41. CVJM Silvesterlauf an der Obernautalsperre in Netphen teilnimmt und sich so die Zahlen noch erhöhen.
Doch bevor dieser ansteht und er im Januar wieder regelmäßiger trainiert, lässt er es sich zwischen Weihnachten bis Silvester gut gehen: „Mein Körper braucht in dieser Phase einfach Ruhe, was am besten über die Feiertage im Kreise der Familie bei gutem Essen funktioniert“, so Stöcker, der in diesen Tagen das drumherum genießt: „Wie jeder Mensch esse ich dann ganz normal, also auch mal fettig und deftig oder trinke auch mal eine Flasche Bier. Dann kann es 2020 weiter gehen.“
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