Abmeldungen im D- und C-Junioren-Alter sind leider keine Ausnahme mehr. Die Gründe dafür sieht unser Kolumnist in einem System ohne Freizeit.

Gestern wäre Friedrich Nietzsche 175 Jahre alte geworden. Nihilismus, Moralkritik oder Kunst versus Wissenschaft: Dem Jenseits ebenso zugewandt wie dem Diesseits, klopfte Nietzsche gerne an die Türen alltäglicher Zustände: „Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave“, sagte Nietzsche - wohlgemerkt zu einer Zeit, als bei Männern der Militarismus in der Wiege begann und Frauen weder wählen, noch studieren durften. Und heute?

Zwei Drittel des Tages für sich selbst zu haben, klingt auch 2019 noch utopisch. Würde das „nur“ Erwachsene betreffen, wäre das schlimm genug. Doch dass auch Kinder keine zwei Drittel Freizeit haben, ist ein Armutszeugnis moderner Gesellschaften. Wo bleibt nach neun, zehn Stunden Schule und Hausaufgaben noch Zeit und Geist für Sport und Kultur? Ein Musikinstrument spielen und zudem Sport im Verein treiben, ist so undenkbar geworden, dass es die Institutionen zu ungewollten Konkurrenten macht.

Beim Anblick leerer Bolzplätze, Basketballfelder oder Tischtennisplatten fehlt da nur noch das Gemecker der Alten über die heutige Smartphone-Jugend. So kommt es z.B. im Fußball nicht von Irgendwo, dass die Anzahl der Abmeldungen im jugendlichen D- und C-Junioren-Alter seit Jahren ein zu hinterfragendendes Problem ist.

Wenn Fußballtraining von Minderjährigen nur noch als weiterer Termin wahrgenommen wird, statt für Freude zu sorgen, ist der Fehler ganz sicher nicht bei ihnen selbst, sondern in einem System ohne zwei Drittel Freizeit zu suchen.

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In der Kolumne „Pass in die Gasse“ befasst sich der freie Journalist Heiko Rothenpieler mit aktuellen Entwicklungen in der Welt des „großen“ und „kleinen“ Fußballs.