Im Amateurbereich ist individuelles Stürmertraining fast ausgestorben. Die Schuld am verpassten Sieg ist daher nicht nur beim Schützen zu suchen.
Es ist Jahre her, als ich es das letzte Mal gesehen habe: Stürmertraining. Ab der Hälfte des Trainings nahm der Co-Trainer die Stürmer unter seine Fittiche und gab ihnen eine Stunde lang Torschussübungen vor: aus kurzer und langer Distanz, nach flachen und hohen Zuspielen, gegen herauslaufende Keeper oder gezielt auf Pylonen. Es rentierte sich, denn es wurde so intensiv gepaukt, dass den Angreifern ein Torschuss irgendwann so normal vorkam wie ein Pass über fünf Meter. Ich höre heute noch den Trainer: „Ihr müsst vom Kopf her dahinkommen, dass ihr einen Torschuss nicht als Highlight empfindet, sondern wie Schuhe binden – nur dann bleibt ihr ruhig im Abschluss!“ Eine Kopfsache, die nur als Fußsache trainiert werden kann.
Warum individuelles Stürmertraining im Amateurbereich kaum noch existiert, ist völlig unverständlich. Und wenn Trainer immer wieder die „schlechte Chancenverwertung“ monieren, sollten sie nicht nur die Schützen, sondern auch sich selbst hinterfragen. Feudingen führt am vergangenen Wochenende trotz zahlreicher Chancen zur Pause nur mit einem Tor, die überlegene SG Laasphe/Niederlaasphe spielt wegen vieler Fehlversuche in Eschenbach nur Remis und Oberes Banfetal verliert, weil man laut Coach Schiavone „nicht eiskalt“ vor dem Tor war. „Die wenigen Chancen, die man in so einem Spiel hat, müssen sitzen“, klagte Alfonso Rubio Doblas nach dem 0:2 in Meinerzhagen.
Ein perfektes Alibi, suggeriert eine schlechte Chancenverwertung nämlich eine sonst überzeugende Leistung. Damit ist das Thema dann vom Tisch – bis der nächste Freistehende am Tor vorbeibolzt, weil er es nicht trainiert hat.
In der Kolumne „Pass in die Gasse“ befasst sich der freie Journalist Heiko Rothenpieler mit aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen in der Welt des „großen“ und kleinen Fußballs