Sundern/Menden. Wracks, Minifische und unzählige Muscheln: Was unsere Reporterin beim Tauchen im Sorpesee in Sundern mit einem Tauchlehrer aus Menden entdeckt.
Die Muscheln unter mir öffnen und schließen sich wie in Zeitlupe. Langsam tauche ich über sie hinweg. Ich wusste nicht einmal, dass es in der Sorpe Muscheln am Boden gibt, geschweige denn so viele.
Luftbläschen steigen regelmäßig in meinem Sichtfeld auf. Sie erinnern mich als einziges daran, wie die Zeit über Wasser vergeht. Hier unten, zehn Meter unter der Wasseroberfläche, existiert eine andere, unbeschreibliche Welt – mit winzigen Babyfischen, mystischen Bäumen und Stegen voller Leben.
Im Nachhinein weiß ich, dass ich 26 Minuten unter Wasser war. Der erste Tauchgang in meinem Leben, gemeinsam mit Georg Schürkötter, der schon seit Jahren Tauchlehrer ist. Von halb elf bis elf Uhr habe ich mit ihm zusammen den Grund des Sommertauchplatzes am Sorpesee erkundet. Ein Selbstversuch.
Wir treffen uns in seinem Laden, seiner Tauchschule „Tauch-mit-Georg“.
Mendener Georg über die Möhne
Inmitten von Tauchanzügen, Taucherbrillen und allem weiteren Zubehör, berichtet Georg Schürkötter, seinen Kaffee langsam rührend, von einem der besten Tauchgänge in seiner Vergangenheit: „In der Möhne kann man viel Schönes entdecken.“
Gleichzeitig sucht er die richtigen Utensilien für unseren Trip heraus. „Dort gibt es auch ein altes Flussbett mit Brücken, eine alte Straße“, erzählt er. Ich bin gespannt, was wir heute sehen werden.
Kühe, Schweiß und Spucke
Wir plaudern noch ein wenig weiter, über das „freie Schweben im Wasser“, den „Weltraumflug für arme Leute“, das „Fallschirmspringen in länger“, wie Schürkötter das Tauchen kunstvoll umschreibt, dann soll es los gehen. Auf zur Sorpe.
„Ich mache immer Späße mit den Leuten“, sagt der Tauchlehrer, während er auf der Westtangente Richtung Balve fährt. „Viele sind aufgeregt.“ Ich auch, sage ich und muss lachen.
Und er erzählt auf dem Weg von der Umgebung: wie die Brücken im Hönnetal die Leute faszinieren, fast so sehr wie die Kühe auf dem Weg nach Mellen, die zwei kürzere Beine haben. Ehe wir uns versehen sind wir da – am Sommertauchplatz der Sorpe.
Zum Tauchen braucht man einen Neoprenanzug
Jetzt wird es richtig ernst. Aus meiner Sicht ist es eine ganz besondere Form von Kunst, sich bei 26 Grad in einen dieser engen, dunklen Neoprenanzüge zu zwängen. Dennoch schaffe ich es. Bewegen fühlt sich komisch an.
„Jetzt musst du in deine Taucherbrille spucken“, sagt Schürkötter zu mir. Ich gucke ihn ungläubig an, macht er jetzt wieder Spaß? „Nein ehrlich, das bringt Glück“, sagt er. Na gut. Ich spucke also in meine Taucherbrille, meine Maske, wie man als Taucher sagt.
Auf dem Weg in die Unterwasserwelt des Sorpesee Sundern
Zu guter Letzt dann noch die Trockenluftflasche (nicht Sauerstoffflasche!). Himmel, ist die schwer! Ich meine, man erwartet ja, dass die Dinger schwer sind. „Jetzt müssen wir nur noch zum Ufer runterlaufen“, sagt Georg und grinst.
Ich grinse ironisch zurück, Schweißperlen auf der Stirn. Egal, denke ich. Gleich geht’s ins Wasser. Und – noch besser: Unter Wasser. Tauchen! Mittlerweile bin ich richtig aufgeregt, aber im positiven Sinne.
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Das Atmen fühlt sich komisch an
Die ersten Schritte ins Wasser tun richtig gut, langsam durchfließt das kühle Nass meinen Taucheranzug. Endlich. „Weiter noch“, sagt er, bis ich zur Brust in der Sorpe stehe. Ich streife meine Kappe über meinen Zopf, darüber kommt die Taucherbrille.
Mein Tauchlehrer zieht mir netterweise meine Flossen an – ich glaube alleine hätte ich es nicht hinbekommen. Das Mundstück der Pressluftflasche fühlt sich ungewohnt an, genauso das Atmen.
Es geht los.
Steine und Muscheln am Grund der Sorpe
Schürkötter legt seine Hand auf meine Schulter, und drückt mich langsam unter die Oberfläche. Ich muss eigentlich nichts machen, nur atmen und gucken.
Auf dem Sandboden schimmert das Sonnenlicht, das durch die Wasseroberfläche scheint. Die dunkelgrünen Blättchen der Pflanzen und des Krauts wiegen in Synchronität mit der Strömung hin und her. Langsam werden die Steine vom Ufer spärlicher, kleine Muscheln treten an ihre Stelle.
„Wenn du zu viel Druck auf den Ohren hast, zeig auf eines deiner Ohren.“ Ich erinnere mich an die Worte meines Tauchlehrers, als meine Ohren zu schmerzen beginnen. Mit dem vereinbarten Zeichen gehen wir ein paar Meter höher, der Druck lässt nach.
Wie atme ich?
Und dann geht es wieder weiter runter, weiter in die faszinierende Unterwasserwelt. Bis ich, ganz plötzlich, keine Luft mehr bekomme. Mein Körper ist verwirrt. Du musst nach oben, sagt mein Kopf. Kurz kriege ich leichte Panik.
Dann erinnere ich mich wieder an das, was mein Lehrer vorhin in seinem Shop zu mir gesagt hat: „Du darfst nie vergessen, zu atmen.“ Ach ja. Ich kann ja atmen. Unter Wasser. Was ein verrücktes Gefühl. Ich kann wieder klar denken, atme tief ein. Luftbläschen steigen vor mir auf, als ich ausatme.
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Spiegelbild, Schild und Bäume
Es geht weiter. Nur wenige Meter Sichtweite haben wir. Aber mein Blick ist sowieso auf den Boden direkt unter mir gerichtet. Alles bewegt sich so langsam, normale Steine sehen aus wie von einem anderen Planeten.
Ab und zu schießt ein Schwarm mit Fischen geräuschlos an uns vorbei. Es geht immer weiter runter, wird dunkler und viel, viel kälter. Mein Gesicht beginnt ein wenig zu frieren. Direkt unter mir erstreckt sich ein Meer von dunklen Muscheln.
Baumstümpfe und Äste ragen aus dem Boden, übersäht mit Muscheln tauchen sie auf im trüben Türkisgrün der Sorpe. „Guck mal“, signalisiert Georg Schürkötter mit seiner Hand. Tausende mikroskopisch kleine Fische schwimmen wie ein Wirbelsturm um einen der Äste.
Als wäre jemand da gewesen
Auf einmal hebt sich der Schatten einer alten Tanne vom Sandboden ab, je näher wir kommen, desto genauer sind ihre Strukturen zu erkennen.
Auch auf ihr haben zig Muscheln Lebensraum gefunden. Wir tauchen am Stamm entlang, ganz nah an den ehemalig kräftigen Ästen, die tentakelähnlich im Sand verschwinden.
Teils sind Spuren im Sand zu sehen, als ob gerade erst jemand hier gewesen wäre. Wir machen einen Schlenker nach rechts, und schon tut sich aus dem Nichts eine Bank auf. Wie Kieselsteine sehen die Muscheln aus, mit denen sie über und über bedeckt ist.
Fische auf verlassenem Steg
Ich tauche durch ein ehemaliges Schild, das sich vom Boden in die Höhe erstreckt. Dann sehen wir einen Steg, auf dem Fische und andere Meerestiere ihre neue Heimat gefunden haben.
Schürkötter greift nach einem Spiegel, der hier liegt, mit der Unterwasserkamera machen wir ein Bild. Es ist fast surreal, wie ich mir selbst durch die großen Brillengläser in die aufgerissenen Augen schaue, einen Schlauch zum wortwörtlichen Überleben im Mund.
Zurück nach oben
An einigen kleinen Bäumen und tausenden Muscheln tauchen wir noch vorbei, aber schließlich geht es dann auch wieder hinauf. Es wird heller und wärmer, bis mein Kopf durch die Wasseroberfläche stößt – zurück in der Realität.
Ich blicke Schürkötter in die Augen, ich bin sprachlos. Niemandem könnte man das Gefühl vom Tauchen ansatzweise so beschreiben, dass er es versteht. „Und?“, fragt er lächelnd. – „Unbeschreiblich.“