Winterberg. Nach sechs Jahren steht Lokalsportredakteur Philipp Bülter erstmals wieder auf Skiern. Wie sein Selbstversuch Skifahren in Winterberg verläuft.
Jetzt stehe ich hier also, im Skigebiet Skiliftkarussell Winterberg, oben am Berg – und mir ist etwas mulmig zumute. Sechs Jahre ist es her, dass ich zuletzt auf den Brettern stand, die im Winter in der Wintersportregion im Hochsauerland die Welt bedeuten. Überhaupt erst drei Mal war ich in meinen 34 Lebensjahren im Skiurlaub. Dabei habe ich zwar Skifahren gelernt, doch jetzt, kurz vor meiner ersten Abfahrt, weiß ich davon nicht mehr allzu viel. Perfekte Voraussetzungen also, um für diese Zeitung im Zuge unserer Wintersportserie einen Selbstversuch im Skifahren zu starten.
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Akribisch packe ich zuvor zu Hause den Rucksack: Handschuhe, Mütze, Skihose, dicke Socken, dicker Pullover – das alles kommt mit nach Winterberg. Vor Ort leihe ich mir Skier, Skischuhe, Stöcke und einen Helm aus. Doch noch am Parkplatz vor der Piste fällt mir auf, dass ich meine Skibrille vergessen habe. Passend dazu fängt’s an zu schneien. Na klasse. Egal, da muss ich jetzt durch!
So läuft die erste Abfahrt in Winterberg
Die Auswahl an Liften ist an diesem Mittwochvormittag groß. Es herrschen sehr gute Bedingungen: minus ein Grad Celsius und Schneefall. Mitunter bahnt sich sogar mal die Sonne ihren Weg durch die Wolken. Auf den Poppenberg II fahre ich ganz ungeniert per Förderband hoch – für mich ein Novum. Aber ich möchte lieber mal langsam starten. Oben folgt dann kurz das mulmige Gefühl und dann meine erste Abfahrt auf der nicht gerade steilen Piste, die auch viele Familien und Anfänger wählen. Die ersten Schwünge geraten doch etwas wackelig. Aber: Die Abfahrt gelingt! Ich bin mächtig erleichtert und gedanklich schon auf einer flotten roten Piste unterwegs.
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Doch da man mit fortschreitendem Alter ja angeblich vernünftiger und weitsichtiger wird, fahre ich die kurze Strecke am Poppenberg direkt noch mal. Das Ganze macht jetzt schon mächtig Spaß. Als Nächstes geht’s – diesmal mit einem Sessellift – hinauf zum Brembergkopf. Die Fahrt hinunter ist schon anspruchsvoller. Zwei, drei Wackler habe ich im Repertoire, ansonsten sieht das aber ziemlich professionell aus. Denke ich zumindest.
Bei einer kurzen Pause am Rande fragen mich zwei Jungs aus den Niederlanden, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. Aber sicher!, antworte ich. Seit mittlerweile fünf Jahren kommen die Freunde regelmäßig zum Skifahren nach Winterberg. „Wir sind heute um 6 Uhr losgefahren, waren um 8.30 Uhr hier, dann gab’s ein Brötchen und los ging’s auf die Piste“, erklärt Sjaak Böhmer und lacht. Die beiden wohnen an der deutsch-niederländischen Grenze und schätzen das Sauerland für seine Wintersport-Möglichkeiten. Böhmer: „Hier herrschen oft sehr gute Bedingungen zum Skifahren. Das wirkt sehr professionell.“
Wintersportler im Formel-1-Tempo
Sjaak Böhmer erzählt mir, dass er selbst für das niederländische Fernsehen arbeite und unter anderem über die Formel 1 mit dem niederländischen Topfahrer Max Verstappen berichte. Nachdem wir uns verabschiedet haben, peitschen er und sein Kumpel wie aufs Stichwort im Affenzahn die Piste hinunter – in etwa so schnell wie Verstappen in seinem Formel-1-Boliden.
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Das ist nicht mein Tempo, das weiß ich sofort. Angestachelt bin ich trotzdem. Also fahre ich bei den weiteren Abfahrten immer mal wieder Schuss. Das funktioniert erstaunlich gut. Ist Skifahren etwa so wie Fahrradfahren? Motto: Einmal gelernt, für immer gekonnt? Auch die Bedingungen auf den Pisten bleiben angenehm: Am Vormittag und Mittag ist es äußerst überschaubar, was andere Ski- und Snowboardfahrer angeht, doch das ändert sich am Nachmittag. Es wird voller, doch das gute Gefühl beim Fahren bleibt bestehen.
Sturz bleibt Ausnahme
Der Schnee ist gut präpariert, die Pisten sind zwar zumeist nicht allzu breit, doch es bleibt Platz für jedermann. Szenen wie der kleine Unfall, als eine Jugendliche unbeabsichtigt unten am steileren Stück einer Abfahrt ins Straucheln kommt und kurz vor einer Kassenhütte zwei andere Mädchen mit ausbrechenden Skiern zum Stürzen bringt, bleiben zum Glück die Ausnahme.
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Mir ist es wichtig, dass ich niemanden gefährde und auf andere Acht gebe, aber das ist hier überhaupt kein Problem. Harakiri-Fahrer treffe ich keine an. Ein Umstand, der für Anfänger oder Wiedereinsteiger wie mich das Skifahren noch wertvoller macht.
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Am Nachmittag wird es für mich langsam Zeit, wieder aufzubrechen. Die Arbeit (diesmal im Büro) ruft. Ich gebe zu: Es fällt mir schwer, aufzubrechen. Noch lieber würde ich alle anderen Pisten erkunden.
Vor meiner Rückkehr auf Skier nach immerhin sechs Jahren habe ich mir viele Gedanken gemacht: Sollte nicht doch jemand mitkommen, falls dir auf dem Berg etwas passiert? Macht’s noch Spaß? Der Selbstversuch Skifahren beantwortet Letzteres ganz leicht: Ja! Denn dieser Sport ist grandios. Atmosphäre, Wetter, Material: All das passt im Winterberger Skiliftkarussell wunderbar. Und, ich geb’s ja gerne zu: Ein kleines bisschen stolz auf mich selbst bin ich auch.