Menden/Balve. Wohin steuert der Jugendfußball in den kommenden Jahren? Die Situation für die Vereine ist schwierig, denn die Alternativen sind inzwischen groß.

Viel wird über den Jugendfußball diskutiert. Seit Jahren verringert sich die Zahl der Mannschaften, die Anzahl der Jugendspielgemeinschaften nimmt zu. Wohin geht der Weg des Fußball-Nachwuchses in Menden und Balve? In unserer neuen Serie „Noch zu retten?“ beleuchten wir die Situation des Jugendfußballs aus verschiedenen Blickwinkeln. Zum Auftakt gibt es eine Bestandsaufnahme: Wo liegen die Probleme und wie kann es weitergehen?

Mannschaftsschwund: Nicht alle Vereine haben noch eine Jugendabteilung

Mit dem BSV Menden, VfL Platte Heide, DJK Bösperde, Grün-Weiß Menden, Sportfreunde Hüingsen, BSV Lendringsen und SV Oesbern haben sieben Vereine aus Menden noch Nachwuchsabteilungen, in denen Jugendliche spielen können. Der BSV Menden stellt dabei die einzigen überkreislichen Mannschaften. Die Sportfreunde Hüingsen und der BSV Lendringsen haben ihre Jugendabteilungen gebündelt unter dem Dach von Menden United.

In Balve ist es etwas anders. Hier gibt es bereits in den unterschiedlichen Altersklassen großflächige Kooperationen zwischen den Vereinen. Je nach Altersklasse gesellen sich auch Mannschaften aus Neuenrade zu den Balver Vereinen. Mit den C-Junioren der JSG Balve-Garbeck/Affeln/Langenholthausen/Küntrop spielt eine Mannschaft überkreislich. Die Zahlen der am Spielbetrieb teilnehmenden Teams hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen.

„Ich glaube, dass das alles auch mit einer Übersättigung zu tun hat. Im Profibereich wurde das Rad seit Jahren überdreht und es gibt ein Überangebot im Fußball. In der Bundesliga sieht man doch auch, dass das Interesse nachlässt. Früher war es super schwer zum Beispiel Karten für Borussia Dortmund zu bekommen. Heute hast du selbst am Spieltag keine Probleme mehr, Karten zu bekommen“, gibt Kai Murawski, Jugendleiter des BSV Menden, zu bedenken.

FLVW bestätigt: Anzahl der Mannschaften geht stetig zurück

Dass sich Seniorenmannschaften immer schwerer damit tun, junge Spieler zu finden und zu integrieren, liegt hauptsächlich daran, dass im Verlaufe der Jugend deutlich mehr Spieler das Interesse am Fußball verlieren und deutlich weniger als früher noch üblich überhaupt in der A-Jugend ankommen und später in den Seniorenbereich wechseln.

Die Gründe sind vielfältig und gehen von verschobenen Interessen bis hin zu dem zunehmenden Stress in der Schule, bzw. einem früheren Einstieg ins Studium als es vor 20 Jahren noch üblich war. Wie stark der Rückgang im Jugendbereich ist, zeigt ein Blick in die Statistiken des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW). Haben dort im Jahr 2010 noch 10.848 Jugendmannschaften am Spielbetrieb teilgenommen, waren es 2021 nur noch 7858.

Kai Murawski, Jugendleiter beim BSV Menden, weiß, dass der Verein den Jugendlichen mehr bieten muss, als den reinen Trainings- und Spielbetrieb.
Kai Murawski, Jugendleiter beim BSV Menden, weiß, dass der Verein den Jugendlichen mehr bieten muss, als den reinen Trainings- und Spielbetrieb. © Dietmar Reker

A- und B-Jugend besonders betroffen

Besonders stark ist der Rückgang - wie bereits angedeutet im Bereich der A- und B-Junioren. 2010 gab es noch 1017 Mannschaften bei den A-Junioren, 2021 waren es noch 682. „Den klassischen Weg, den früher die meisten Kinder gegangen sind, dass sie in der F-Jugend anfangen und dann bis in den Seniorenbereich spielen, den gibt es immer seltener.

Meistens gibt es einen Knick im Bereich der C- oder B-Jugend, was häufig mit der Pubertät zusammenhängt und damit einhergehenden verschobenen Interessen. Oder, weil die Kinder mal eine andere Sportart ausprobieren möchten. Es gibt dann mit zunehmenden Alter auch immer mehr Angebote mit denen man konkurrieren muss“, erklärt Hans-Peter Drilling, Jugendleiter der SG Balve/Garbeck. Auch das Freizeitverhalten ist ein anderes.

„Der Schulalltag ist ja auch deutlich komplexer geworden. Es gibt Ganztagsangebote mit verschiedenen AGs. Da bleibt weniger Freizeit und die Kinder nehmen die Angebote in den Sportvereinen weniger wahr.“ „Die Angebote für die Kinder, die im C-, B- oder A-Jugendalter sind, haben einfach zugenommen. Und dadurch entfernen sich immer häufiger Jugendliche vom Fußball und finden andere Freizeitgestaltungen“, weiß Kai Murawski.

Corona wird zum Motivationskiller

Auswirkungen auf die Motivation hat auch die Pandemie, verbunden mit den damit einhergehenden Spielpausen. „Nach der ersten Welle haben wir wieder mit dem Training angefangen und waren überwältigt. Da sind plötzlich Kinder zum Training gekommen, die seit Jahren nicht mehr da waren“, beschreibt Hans-Peter Drilling die Situation. Doch leider ist es bei der Euphorie nicht geblieben. „Wir haben festgestellt, dass es immer schwieriger wird, während der Pandemie Jugendtrainer zu finden“, erklärt Drilling.

Und auch bei den Spielern ist nach den weiteren Wellen die Motivation gesunken. „Es gibt Kinder, die dann für sich andere Beschäftigungen gefunden haben, die sie auch alleine machen können. Der Fußball stand dann plötzlich nicht mehr im Fokus“, weiß der Balver. Beobachtungen, die auch in Menden gemacht wurden. „Wir haben noch Glück gehabt, dass wir immer noch mehr Zu- als Abgänge im Jugendbereich haben. Aber Corona hat die Sache nicht einfacher gemacht. Und wird sie auch in den kommenden Monaten nicht leichter machen“, weiß Murawski, dass sich auch in den Jugendmannschaften die Ausfälle häufen werden.

Die Ansprüche an den Verein werden immer höher

Dass auch die Ansprüche, die an einen Sportverein gestellt werden, inzwischen andere sind, als noch vor 20 oder 30 Jahren, haben die Vereinsverantwortlichen auch festgestellt. „Früher hattest du einen Vater als Trainer, der hat den Ball in die Mitte geworfen und gesagt: „Spielt.“ So einfach ist das heute nicht mehr. Die Trainingsgestaltung ist deutlich komplexer geworden, die Ansprüche sind andere“, sagt Drilling.

„Du musst dich so aufstellen, dass die Kinder gerne zum Training zu dir kommen“, formuliert es Kai Murawski. Für den Jugendleiter des BSV Menden stehen auch Angebote im Zentrum, die über das Spielfeld hinaus gehen. „Ab einem bestimmten Alter helfen wir Kindern auch dabei, wenn sie einen Praktikumsplatz benötigen oder bei der Wahl der Ausbildungsstelle. Das halte ich für sehr wichtig, dass man den Kindern zeigt, dass wir nicht nur diejenigen sind, die während des Trainings für sie da sind“, sagt Murawski abschließend.