Menden. Vier Wochen nach seiner Freistellung bei der SG Menden Sauerland spricht Ex-Wölfe-Trainer Micky Reiners erstmals über seine Sicht der Dinge.

Am 17. Januar betreute er noch die Drittliga-Handballer der SG Menden Sauerland im Heimspiel gegen den Leichlinger TV. Dann – für ihn völlig überraschend – wurde er als „Wölfe“-Trainer entlassen. Die Rede ist von Micky Reiners, der 2017 mit seinem Team die Meisterschaft holte, in die Dritte Liga aufstieg und 2019 den Klassenerhalt schaffte. Vier Wochen nach seinem Aus spricht er über seine Sicht der Dinge.

Herr Reiners, es ist eine altbekannte Geschichte: Wenn es nicht läuft, muss ein Schuldiger her. Wie fühlt man sich als Verantwortlicher für die Abstiegssorgen der SG?

Micky Reiners: Als Allein-Verantwortlicher? Oder wie soll ich Ihre provokante Frage verstehen? Als Trainer ist man Teil der Mannschaft und somit hatte ich natürlich auch meinen Anteil an der sportlichen Situation. Es lief nicht wirklich rund in dieser Saison. Das hat unterschiedliche Gründe, ohne hier ins Detail gehen zu wollen. Ich habe unsere Defizite intern immer offen angesprochen, sowohl bei Birgit Albrecht als auch bei der Mannschaft. Sicher ist, dass an einigen Stellen, wo ich ein Komma gesetzt habe, ein Punkt hätte sein müssen.

Hand aufs Herz: Wie nah sind Sie noch an den Wölfen?

Ich habe selbstverständlich alle Spiele der Mannschaft gesehen. Nicht live vor Ort, aber es gibt ein Videoportal dafür. Ich habe mit gefiebert und -gelitten. Ich hoffe, man hat mir in meiner Zeit in Menden angemerkt, dass mir die Mannschaft und der Verein sehr am Herzen lagen und liegen. Ich habe mit viel Herzblut versucht, alles, was in meiner Kraft stand, für die Jungs zu geben. Das hat in dieser Saison leider nicht durchgehend funktioniert. Ich fiebere weiterhin mit den Jungs, denn genau diese Jungs waren es, die unbedingt wollten, dass ich auch in der kommenden Saison auf der Bank sitze. Und ich hatte mich sehr darauf gefreut!

Auch interessant

Wie lief Ihre Freistellung ab?

Nach unserem verlorenen Heimspiel gegen Leichlingen haben Birgit Völker-Albrecht und ich uns noch per WhatsApp über Neuzugänge beraten – es ging um die Torhüterposition. Wir waren uns einig, Luca Jannack zu holen. Sonntag am späten Nachmittag rief Birgit mich an. Sie druckste ein wenig herum – und da habe ich gefragt, ob sie mich entlassen will. Das hat sie bejaht. Das Gespräch war zügig beendet, meine Enttäuschung riesig. Am Montagmorgen war ich aus sämtlichen WhatsApp-Gruppen und Co. kommentarlos gelöscht.

Die SG braucht dringend Punkte

Ende Januar hat die SG Micky Reiners entlassen.

Am 17. Januar hatte er sein letztes Spiel als „Wölfe“-Trainer.

Die SG steht auf dem drittletzten Tabellenplatz. Für einen Klassenerhalt müssen acht Punkte aus sechs Spielen her.

Das nächste Spiel findet am 28. Februar gegen den TuS Volmetal statt.

Und wie wurde die Freistellung begründet?

Im ersten Moment gar nicht. Birgit schrieb mir dann, dass sich die Dinge in ihrer Abwesenheit (Anm. d. Red.: Frau Albrecht war im Ausland unterwegs) verselbstständigt hätten und sie nicht mehr hätte korrigierend eingreifen können. In einer weiteren Nachricht konkretisierte sie das dann damit, dass die vermeintlich fehlende Spielzeit eines Spielers das Ganze ins Rollen gebracht hätte.

Auch interessant

Als Trainer der Wölfe hatten Sie viele Erfolge. Wie erklären Sie sich die Entwicklung vom umjubelten Coach zum ahnungslosen Trainer?

Ich wollte nie ein umjubelter Coach sein, noch bin ich jetzt ein ahnungsloser Trainer. Wie andere mich sehen, war und ist mir relativ egal. In der erfolgreichen Zeit habe ich das nicht alleine hinbekommen und auch an der derzeitigen sportlichen Situation bin ich nicht allein schuld. Für die Schlagzeilen in der Presse oder sonst wo kann ich nichts, die schreibe ich nicht selbst, wie Sie wissen.

Sie genossen hohes Ansehen. Warum wird nun davon geredet, dass Defizite aufgearbeitet werden müssen?

Ich habe das in der Westfalenpost gelesen und mich gefragt, was damit gemeint sein könnte. Die Mannschaft hat jetzt in Unterzahl den sechsten Feldspieler eingeführt. Gegen Ahlen hat man teilweise im Angriff 7 gegen 6 gespielt. Das ist neu. Darüber nachgedacht hatten wir, es dann aber verworfen. Ob diese Änderungen erfolgreich und sinnvoll sind, müssen andere beurteilen. Das ist nicht mehr meine Aufgabe. Von den Konzepten spielen wir immer noch das, was wir unter mir gespielt haben.

Auch interessant

Wie war aus Ihrer Sicht der Zusammenhalt zwischen Team und Trainer?

Ich stand und stehe immer zum Team! Die Mannschaft kann es noch schaffen! Wer heute aufgibt, weiß nicht, ob er es nicht morgen doch geschafft hätte. Sechs Spiele und daraus acht Punkte, dann kann es noch klappen. Es wird natürlich schwierig, keine Frage. Die Mannschaft hat beim Vorstand Ende November klar gemacht, dass der Verein unbedingt mit mir verlängern sollte. Die Jungs waren der Grund, warum ich verlängert habe. Ich hatte ein sehr spannendes Angebot über drei Jahre bei einem anderen Verein. Ich habe das für die Jungs abgelehnt. Aus voller Überzeugung für diese Mannschaft! Ich wollte bei ihnen und diesen Zuschauern bleiben. Ob sich an meinem Rückhalt in der Mannschaft seit meiner Verlängerung etwas geändert hat, kann ich nicht sagen. Ich hatte nicht das Gefühl. Die Nachrichten einiger Jungs nach meiner Freistellung lassen mich auch in diesem Glauben. Mit einigen Spielern bin ich noch in Kontakt.

Auch interessant

Die finanziellen Möglichkeiten in Menden sind nicht einfach, Sie haben hier mit vielen jungen Spielern gearbeitet. Würden sie denn diesen Weg noch einmal mitgehen?

Dieser Weg ist für Menden absolut alternativlos und der einzige Weg, den man gehen sollte. Das Ziel muss sein, junge Spieler aus der Region zu Leistungsträgern zu formen. Bisher hat dieser Weg ja auch funktioniert. Und genau deshalb würde ich ihn immer mitgehen!

Vor der Saison verloren Sie mit ­Mathis Vornhold und Milan Weißbach zwei wichtige Eckpfeiler.

Dass Mathis und auch Totti Schöße uns verlassen, wussten wir frühzeitig. Der Abgang von Milan traf uns unvorbereitet. Er und Mathis waren der Kopf und das Sprachrohr der Mannschaft – und beide waren der verlängerte Arm des Trainers. Milans Wert für die Mannschaft hat heute wohl jeder erkannt. Seine Führungspersönlichkeit und Rolle im Team haben wir nicht ersetzen oder ausfüllen können. Das Problem der heutigen Mannschaft ist, dass sie zu lieb ist. Und auf dem Platz gab es keinen Wortführer. Milan und Mathis haben die Jungs in der letzten Saison auf dem Feld geführt und sie an Absprachen erinnert. So ein Spieler fehlt ganz klar.

Auch interessant

Was wäre Ihr Plan gewesen, um den Klassenerhalt zu sichern?

Es ist müßig, über Pläne zu reden, für die man nicht mehr verantwortlich ist. Mit der Mannschaft haben wir vereinbart, welche Konzeptionen wir spielen wollen und welche nicht mehr. Ich habe oftmals kleine Änderungen an unseren Konzeptionen vorgenommen, abgestimmt auf den jeweiligen Gegner. Die Mannschaft fühlte sich damit nicht so wohl und wir wollten es ändern. Aber jeder Plan ist nur so gut wie seine Ausführung. Vielleicht hatte ich auch die falschen Pläne. Aber bei einer hohen Anzahl an technischen Fehlern und Fehlwürfen wird jeder Plan schwierig umzusetzen sein.

Das Ende Ihrer Zeit bei den „Wölfen“ ist nun auch schriftlich fixiert. Was bleibt von Ihrer Zeit in der Hönnestadt übrig?

Es gibt eine Vielzahl von tollen Erinnerungen, die ich mir merken werde. Ich kann für mich sagen, dass ich immer ehrlich war und niemandem was vorgespielt habe. Ich bin dankbar für die Zeit in Menden und enttäuscht, wie es geendet hat. Schmutzige Wäsche zu waschen, ist nicht in meinem Sinne. Dafür war ich zu gerne Trainer dieser Mannschaft und dieses Vereins.

Mehr Sportnachrichten aus Menden und Umgebung finden Sie hier.