Balve. Wenn Pferde die Schulbank drücken: Marisa Philipp ist Trainerin am Schloß Wocklum und erklärt unter anderem, ab wann Training sinnvoll ist.
Mit spielerischer Leichtigkeit springt ein Pferd über das Hindernis hinweg. Mit eleganten Bewegungen manövriert der Reiter seinen vierbeinigen Partner durch das Dressur-Viereck. Szenen, die jeder Reitsportinteressierte schon zigfach verfolgt hat. Aber wie lernen Pferde diese Lektionen? Diese Frage kann Marisa Philipp beantworten. Die Pferdewirtin am Schloss Wocklum in Balve trainiert die Vierbeiner. In der Reitsportserie erklärt sie ihren Beruf.
Der erste Kontakt
Drei Jahre sind die jüngsten Pferde in den Ställen am Schloss Wocklum alt. „Die ersten drei Jahre gehören Pferde auf die Weide zu ihren Artgenossen und haben noch nichts im Training zu suchen. Da sind sie ja schließlich noch Kinder“, betont Marisa Philipp, die als selbstständige Pferdewirtin für die Tiere zuständig ist. Viel Geduld ist gefragt, wenn aus einem ängstlichen Jungpferd einmal ein erfolgreiches Sportpferd werden soll. „Wie Menschen auch haben Pferde unterschiedliche Charaktere und Leistungsfähigkeiten“, erklärt Marisa Philipp.
Vertrauen aufbauen
Kommt ein Jungtier zu der gebürtigen Allgäuerin, dann heißt es erst einmal Vertrauen aufbauen. „Wenn die Pferde vom Züchter zu uns kommen, dann sind sie oft noch roh. Das bedeutet, dass sie noch gar nichts können, noch nicht einmal am Zügel geführt werden“, erklärt Marisa Philipp. Das Pferd muss sich an die neue Umgebung gewöhnen, den Kontakt zu Menschen kennenlernen. Die meisten Tiere sind drei Jahre alt, wenn sie den Züchter verlassen. „Alles andere davor wäre Kinderarbeit und grenzwertig“, betont Philipp.
Nach der Ankunft folgen erste Annäherungen an Sattel und Trense, sowie das Longieren am Zügel. Dieser Prozess kann mehrere Wochen dauern. Wenn diese Schritte gelingen, geht es an die Gewöhnung des Sattels. „Wenn das Reitergewicht erstmals in den Sattel kommt, ist das für das Tier erstmal ungewöhnlich. Pferde haben einen natürlichen Instinkt. Wenn sie in der Wildnis leben, springen ihre Feinde auf den Rücken. Das Pferd versucht dann reflexartig, den Angreifer mit Bocksprüngen abzuwehren. Deshalb kann es dauern, bis es sich an den Sattel und einen Reiter gewöhnt hat. Wenn man sich am Angang genug Zeit lässt, dann ist das meistens kein Problem“, spricht Philipp aus Erfahrung. Zwölf Pferde absolvieren aktuell ihre Ausbildung in Balve. Insgesamt 40 Pferde sind im Pensionsbetrieb.
Kommandos wahrnehmen
Der nächste Schritt folgt in der Reithalle. Hier lernt das Pferd die fünf unterschiedlichen Gangarten auf Kommando umzusetzen. Sowohl mit der Stimme als auch auf leichten Druck mit den Beinen des Reiters. Drei bis sechs Monate dauert es im Schnitt, bis ein Pferd die Kommandos richtig umsetzt. Im Anschluss folgen erste Ausritte, meistens mit älteren Pferden zusammen, die mit ihrem Verhalten Vorbild für die jungen Vierbeiner sind. „Wir tasten uns langsam heran. Wichtig ist, dabei immer auf das Pferd zu hören“, sagt die Balverin.
Spezialisieren
Dressur und Springen verlangen unterschiedliche Fertigkeiten von den Tieren. Während bei der Dressur die Ausdauer gefragt ist, muss beim Springen die Kraft stimmen. „Ein Pferd sollte sich in allen Disziplinen gut bewegen können“, lautet das Credo von Marisa Philipp. Heißt: In der Ausbildung lernt ein Pferd sowohl Springen, als auch Dressur kennen. Dabei wird es weiterhin langsam an die benötigten Fertigkeiten herangeführt. „Durch das Training wird das Pferd besser auf die Leistungen vorbereitet, die später von ihm verlangt werden“, erklärt Philipp.
„Man sieht den Pferden meistens an, ob sie sich eher als Dressur- oder Springpferd eignen. Aber es kommt auch viel auf den Charakter des Tieres an. Das ist wie bei Menschen auch sehr unterschiedlich. Und natürlich die Leistungsbereitschaft. Da muss man im Laufe der Ausbildung genau drauf achten, was will mein Pferd. Man kann vieles lenken, aber den Charakter eines Pferdes nicht komplett umkrempeln“, weiß die erfahrene Pferdewirtin.
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Mit circa vier Jahren folgen dann die ersten Übungen im Dressur- und Springbereich. „Dressur ist ein wenig wie Tanzen im Leistungsbereich. Es gibt immer einen der führt und einen der sich führen lässt. Bei der Dressur ist das Pferd halt der Partner, der geführt werden muss. Es ist ein Zusammenarbeiten“, erklärt Philipp und konkretisiert: „Die Bewegungen, die die Pferde bei der Dressur machen, sind natürlich schon beim Pferd hinterlegt. Gelernt werden muss, diese Bewegungen auf Kommando umzusetzen.“
Ein Springpferd benötigt eine Menge Vertrauen zu Reiter und sich selbst. „Das kann sehr lange dauern, dieses Vertrauen aufzubauen. Manchmal läuft es super und es geht schnell voran, doch plötzlich bekommt das Pferd eine Blockade und man muss wieder einen Schritt zurückgehen. Wichtig ist, dass man auf das Pferd hört und es nicht überfordert“, sagt Philipp abschließend. Bei ihr genießt jeder Vierbeiner eine ganz individuelle Förderung, die auf das Pferd zugeschnitten ist. Sich und dem Tier dabei Zeit zu geben, ist schlichtweg maßgeblich.