Hagen. . Marvin Machelett und Bastian Sommer sind bei Basketball-Bundesligist Phoenix Hagen für das Scouting zuständig. Machelett schaut auf das Spiel, speichert Abschnitt für Abschnitt im Kopf ab und gibt quasi stenographisch weiter, was Kollege Sommer dann so schnell in den Laptop hämmert, dass der Versuch, dem Mauszeiger zu folgen, in einem Schwindelanfall endet.
Es gibt viele Arten, sich ein Basketballspiel anzuschauen. Als Kult gewordener Anheizer Oberkörper frei auf dem Heuboden. Als Schiedsrichter. Als Trainer. Als eingefleischter Dauerkarten-Inhaber oder als Spieler. Wie auch immer man es betrachtet, die meisten Augen während eines Phoenix-Spiels kleben am Ballführer. Am stopfenden Dino Gregory, am fliegenden Mark Dorris, am scharf schießenden David Bell. Alle Augen, bis auf die von Marvin Machelett und Bastian Sommer. Für sie ist ein Phoenix-Spiel ein Strichcode, in dem sie schneller schalten müssen als Davin White und Co. von Angriff auf Verteidigung und zurück. Diese Jungs sind mindestens so schnell wie der spektakuläre Phoenix-Stil.
Von der Haupttribüne aus betrachtet hat der Anschreibetisch bei einem Phoenix-Spiel etwas vom letzten Abendmahl. Von der Kopfzahl her sitzt hier noch mal eine ganze Basketballmannschaft. Am äußersten Ende sitzen zwei, die ihre Köpfe so dicht aneinander stecken, als wenn sie sich die heißesten Transfergerüchte zuflüstern würden. Das sind Bastian Sommer und Marvin Machelett. Die Männer vom Scouting. Die Männer hinter dem Live-Ticker.
Phoenix-Spiel am vergangenen Mittwoch gegen Ludwigsburg. Zweite Minute im zweiten Viertel. „Alley-Oop 24, Rebound 33, Assist 21, Wurf 34, Rebound 4, Assist 4, Nummer 15 verlegt. Haste das?“
Er hat es. Die nummerische Ansage mit sieben Spielaktionen spricht Marvin Machelett in etwa vier Sekunden herunter. Er schaut auf das Spiel, speichert Abschnitt für Abschnitt im Kopf ab und gibt quasi stenographisch weiter, was Kollege Bastian Sommer dann so schnell in den Laptop hämmert, dass der Versuch, dem Mauszeiger zu folgen, in einem Schwindelanfall endet.
Etwa vier Angriffs - und Verteidigungssequenzen kann sich der „Flüsterer“ Machelett merken. Das sind circa 18 Spielaktionen, die der „Tipper“ Sommer dann in Hochgeschwindigkeit in die Datenbank einarbeitet. Und dabei ist ein Wurf nicht nur ein Wurf. Es gibt Sprungwürfe aus der Zone, der Halbdistanz, von der Dreierlinie. Höchst exakt muss die Aktion eines jeden Spielers auf dem Scout-Laptop eingegeben werden. Ein einzelner Wurfversuch hat so schon vier Klicks. Irre, einfach irre.
Bastian Sommer sieht nicht wirklich viel vom Spiel. Sein Kopf bleibt die meiste Zeit auf den Laptop gerichtet. Den Job, den er vor dem Laptop verrichtet, machen in anderen Bundesliga-Hallen zwei Leute. An jeweils einem Laptop pro Team und mit jeweils einem Flüsterer. Sommer: „Dazu kommt der Stil von Phoenix. Es ist so rasend schnell und es passieren so viele Dinge. Manchmal braucht man hinterher einfach nur seine Couch.“
Wenn man an diesem Ende des Anschreibetisches sitzt, braucht man auch ein dickes Fell. Die jeweiligen Gäste-Trainer begreifen nämlich nicht so schnell, dass die beiden Jungs kein Kummerkasten und auch nicht das Kampfgericht sind. Bis zum Beispiel ein Sasa Obradovic, temperamentvoller Trainer von Alba Berlin, das raus hat, sind drei Schrei-Attacken und zwanzig serbisch-wilde Gestiken vergangen.
„Das interessiert dich irgendwann nicht mehr, mit dem Scouting hast du sowieso genug zu tun“, sagt Machelett. Ludwigsburgs Trainer John Patrick pflegt heute eine eher seltene Einwechsel-Philosophie. Alle 40, 50 Sekunden verlässt der nächste Ludwigsburger Spieler das Parkett. Auf den Plätzen des Flüsterers und des Tippers blickt man daher in genervte Ludwigsburger Gesichter. Als der Sieg feststeht, drücken Tipper und Flüsterer ihre Fäuste gegeneinander. „Gute Arbeit. Und jetzt lass uns abbauen.“
Liga zieht regelmäßig Stichproben
Sommer und Machelett sind Teil eines fünfköpfigen Scouting-Teams, zu dem noch Jonas Küdde, Marius Kruppa und Daniel Jendreyschak gehören.
In der Liga-Zentrale werden per Video Stichproben von der Scouting-Arbeit gezogen. Wenn etwas nicht stimmt, gibt es dazu eine Meldung.