Tokio/Herdecke. Es ist die dritte Olympia-Medaille für Herdecke, aber nicht die erhoffte goldene. Warum Johannes Weißenfeld das dennoch als Erfolg sieht:

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Ein Olympiasieger aus Herdecke alle 32 Jahre, das hätte so schön gepasst. Nach Meinrad Miltenberger 1956 in Melbourne und Matthias Mellinghaus 1988 in Seoul nun also Johannes Weißenfeld bei „Tokyo 2020“, das coronabedingt im Jahr 2021 stattfindet. Ein ganz starker Ruder-Achter aus Neuseeland durchkreuzte diese Träume, zur dritten Olympia-Medaille für die Stadt aber reichte es. Denn Weißenfeld gewann mit dem Deutschland-Achter die Silbermedaille, im Finale von Tokio musste man sich den Neuseeländern geschlagen geben. Der Traum von Gold ist damit für den 26-Jährigen vorerst geplatzt, doch nach der ersten Enttäuschung war man auch in der Heimat stolz auf den Sohn der Stadt. „Ich denke, sie haben Silber gewonnen“, sagte Vater Matthias Weißenfeld, der mit der Familie und 50 Vereinskollegen des RC „Westfalen“ Herdecke das Olympia-Finale beim nächtlichen Public Viewing im Vereinsheim verfolgte. Und Johannes Weißenfeld betonte in Tokio später: „Man muss davon wegkommen, vom verlorenen Gold zu sprechen. Wir haben unser bestes Rennen gezeigt.“

Das Selfie nach dem Rennen, aber diesmal mit Silber. Links Johannes Weißenfeld
Das Selfie nach dem Rennen, aber diesmal mit Silber. Links Johannes Weißenfeld © dpa | Jan Woitas

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Der Herdecker hatte schon im Vorfeld das richtige Gespür. „Aus Übersee kommen die härtesten Konkurrenten“, hatte der Bugmann des Deutschland-Achters im WP-Interview vor zwei Wochen gesagt – und konkretisiert: „Die Neuseeländer haben ihre besten Ruderer alle in den Achter gesetzt, sie schätze ich als sehr stark sein.“ Das sollte sich bewahrheiten, tatsächlich verdarb das Boot von „Down under“ ihm und seinen Teamkollegen den Traum von Olympia-Gold, auf die die deutschen Top-Ruderer fünf Jahre hart hingearbeitet hatten. Als die Kollegen nach dem dramatischen Finale auf dem Sea Forest Waterway noch erschöpft im Boot ausschnauften, klatschte Weißenfeld den eine Sekunde schnelleren Neuseeländer schon Beifall. „Sie haben ihr allerbestes Rennen gezeigt, da mussten wir uns leider geschlagen geben“, sagte er.

Großbritannien noch geschlagen

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Vom Start weg um 3.25 Uhr früh deutscher Zeit führte der Deutschland-Achter, nach 500 Metern lag er im Feld der sechs besten Boote der Welt noch vorn. „Wir haben wie geplant aggressiv angefangen“, erklärte Weißenfeld. Doch schon bei der 1000-Meter-Marke hatte man Neuseeland und auch Europameister Großbritannien vorbeiziehen lassen müssen, musste um eine olympische Medaille bangen. Die Briten, gegen die man bei den Europameisterschaften im April in Varese noch verloren hatte, fing das deutsche Team im hochklassigen Finale der besten drei Teams noch ab und holte auf. Die Neuseeländer aber waren trotz starken Schlussspurts der Deutschen nicht mehr zu gefährden, sie siegten in 5:24,64 Minuten vor dem Deutschland-Achter (5:25,60), der Großbritannien (5:25,73) um eine Zehntel auf Distanz hielt. „Erst wusste ich gar nicht, auf welchem Platz wir gelandet sind“, gab der Herdecker zu: „Aber wir haben es geschafft, Silber zu gewinnen, danach sah es doch lange nicht aus.“

So wich die anfängliche Enttäuschung, die angesichts der verpassten Gold-Chance auch im Herdecker Vereinsheim vorherrschte, bald. Schon bei der Siegerehrung schlich sich bei Johannes Weißenfeld ein Lächeln ins Gesicht. Und in Herdecke brandete großer Applaus der Westfalen-Ruderer auf, als Steuermann Martin Sauer ihrem Vereinsmitglied die Silbermedaille umhängte. Es ist die dritte Olympia-Medaille für einen Herdecker Sportler: Meinrad Miltenberger hatte 1956 in Melbourne im Kanu das erste Nachkriegs-Gold für Deutschland gewonnen, Matthias Mellinghaus saß 1988 in Seoul im siegreichen Deutschland-Achter. „Es ist unglaublich, welche Last von uns abgefallen ist. Ich bin erstmal froh und erleichtert, dass es vorbei ist“, sagte Johannes Weißenfeld, bevor er sich zur teaminternen Party im Olympischen Dorf aufmachte: „Und dann mit einem so guten Ergebnis.“

Urlaub in Österreich

Schon am Sonntag kehrt er mit dem Deutschland-Achter aus Tokio zurück, reist nach kurzem Abstecher in die Heimat dann zum einwöchigen Urlaub mit der Freundin in Österreichs Berge. Was danach komme und ob er weitermache, habe er noch nicht entschieden, sagt Johannes Weißenfeld. Auf jeden Fall soll mehr Fokus dem Medizin-Studium gelten. In der Familie kann man sich indes gut vorstellen, dass die nächsten Olympischen Spiele in Paris locken, die sind ja bereits 2024. „In Rio de Janeiro war Johannes als Ersatzmann mit dabei, jetzt hat er als Leistungsträger bei Olympia unter Ausnahmebedingungen Silber geholt“, sagt Bruder Max, „vielleicht will er in drei Jahren bei einer richtigen Olympiade starten.“ Im nahen Frankreich könnte dann auch die Familie dabei sein.