Herdecke. Für die Olympia-Rennen von Johannes Weißenfeld in Tokio wollen sie beim RC „Westfalen“ nachts aufstehen. Was Weggefährten dem Herdecker zutrauen:

Jetzt wird es ernst für Johannes Weißenfeld. Am Freitag starten die Olympischen Spiele in Tokio mit der Eröffnungsfeier, in der Nacht von Samstag auf Sonntag steht für den Herdecker mit dem Deutschland-Achter der Vorlauf an. Bei seinem Ruderclub „Westfalen“ Herdecke, dem Weißenfeld auch nach seinem Wechsel an den Dortmunder Leistungsstützpunkt im Jahr 2012 stets die Treue hielt, werden viele aufstehen und mit dem 26-Jährigen mitzittern. Die Lokalsportredaktion hat sich bei ehemaligen Weggefährten nach Erinnerungen und die Erwartungen für Olympia umgehört:

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Der Jugendtrainer

Guido Kutscher (rechts) ist für den jungen Johannes Weißenfeld (links, daneben Lucas Einhaus und Pia Plasberg) beim RC „Westfalen“ Herdecke der prägende Trainer
Guido Kutscher (rechts) ist für den jungen Johannes Weißenfeld (links, daneben Lucas Einhaus und Pia Plasberg) beim RC „Westfalen“ Herdecke der prägende Trainer © Ruderclub Westfalen Herdecke

Als Trainer, der ihn besonders geprägt hat, bezeichnete Weißenfeld schon vor vier Jahren seinen Junioren-Coach Guido Kutscher. Obwohl dieser schon seit Jahren als Landestrainer in Berlin fungiert, halten beide weiter Kontakt. „Wir verfolgen uns gegenseitig, dazu ist die Ruderwelt zu klein“, sagt Kutscher, zuletzt haber er Weißenfeld nach der verpatzten Europameisterschaft in Varese zu unterstützen versucht. „Hinter Siegern stehen alle gern“, sagt er, „wichtig ist die Unterstützung, wenn es nicht so läuft.“ Bis 2012 betreute er Weißenfeld, der ein Jahr zuvor als Junioren-Weltmeister im Vierer seinen ersten großen Erfolg gefeiert hat.

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„Johannes hat sehr viel Talent für diesen Sport. Nicht nur die Größe und die Kraft, auch den Kopf und den Willen“, sagt Kutscher: „In seiner Altersklasse war er immer vorn, auch ohne im Training das Letzte aus sich herauszuholen.“ Einvernehmlich habe man damals in Herdecke erkannt, dass der Weg an den Olympia-Stützpunkt nach Dortmund der richtige ist. Nun will der Trainer nachts schon im Vorlauf verfolgen, was sein Schützling in Tokio macht. Und ist von einer Chance auf Gold überzeugt: „Die Jungs haben das Potenzial, sich ihren ganz großen Traum zu erfüllen. Und im Finale ist es am Ende Kopfsache.“

Im Vorlauf gegen Australien, USA und Rumänien

Am Sonntag (11 Uhr Ortszeit, 4 Uhr MESZ) startet der Deutschland-Achter bei den Olympischen Spielen in Tokio und trifft in seinem Vorlauf auf Australien, die USA und Rumänien. Nur der Vorlaufsieger erreicht direkt das Finale am Freitag, 30. Juli (10.25 Uhr Ortszeit/3.25 Uhr MESZ). Die anderen Boote müssen in den Hoffnungslauf am Mittwoch, 28. Juli. „Gerade mit den beiden Überseenationen, Australien und den USA, sind zwei unbekannte Größen dabei. Sie sind zwei Jahre lang nirgendwo aufgetaucht. Die Rumänen hatten wir in diesem Jahr schon als Gegner, aber dennoch weiß man nicht viel“, sagte Bundestrainer Uwe Bender.

Der Klubpräsident

Dass Johannes Weißenfeld stets zu seinem Verein zurückkehrt, weiß der RC „Westfalen“-Klubchef sehr zu schätzen. „Er kommt jedes Jahr zu unserem Herbstfest, bringt meist seinen Kollegen Torben Johannesen mit“, sagt Thomas Bieber. Bei den Rennen des Klubkollegen nachts in Japan - stets zwischen drei und vier Uhr - würden deshalb etliche Mitglieder nachts mitfiebern. „Das ist wie früher bei Muhammad Ali. Man stellt sich den Wecker und geht nach dem Kampf wieder ins Bett“, sagt Bieber: „Vor allem die, die schon dabei waren, als unser Matthias Mellinghaus Olympiasieger wurde.“ Großes traut er auch Weißenfeld zu. „Die Jungs werden um Gold mitreden, davon bin ich überzeugt“, sagt er, „auch wenn die Konkurrenz aufgeschlossen hat und aus der langen Dominanz unseres Achters gelernt hat. Aber mit einem Podiumsplatz rechne ich fest.“

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Die Olympia-Starterin

2008 ging Nadine Schmutzler (vorn) im Deutschland-Achter bei Olympia in Peking an den Start.
2008 ging Nadine Schmutzler (vorn) im Deutschland-Achter bei Olympia in Peking an den Start. © WP-Wetter | Privat

Das gilt auch für Nadine Schmutzler, die 2008 bei Olympia in Peking selbst im Deutschland-Achter saß. Die Ex-Hochleistungssportlerin startete zwar zwischenzeitlich in der Ruder-Bundesliga für Krefeld, blieb ihrem Heimatverein aber immer treu. „Ich war immer im RC Westfalen Mitglied, für ihn schlägt mein Herz“, sagt sie, auch mit Weißenfeld sei sie gemeinsam im Zweier gerudert. „Damals habe ich ihm als Junior ein paar Tipps gegeben, jetzt könnte ich das natürlich nicht mehr.“ Für Olympia traut sie ihrem Herdecker Vereinskollegen „sehr viel“ zu, auch wegen dessen mentaler Stärke: „Johannes ist vom Kopf her ein sehr wettkampfstarker Typ, der im richtigen Zeitpunkt alles abrufen kann.“

Die Trainerin

In der Endphase ihrer aktiven Karriere hat Katharina Golüke mitbekommen, wie Johannes Weißenfeld beim RC „Westfalen“ immer mehr in Erscheinung trat. Betreut hat die aktuelle Jugendtrainerin den Deutschlandachter-Ruderer nicht mehr, aber seinen Weg weiter verfolgt. „Der Achter war ja sehr erfolgreich, bis der Dämpfer bei den Europameisterschaften kam“, sagt sie, „aber das war auch dem Corona-Jahr geschuldet, da wusste ja niemand, wo er steht. Jetzt kann es zu Gold reichen.“ Wobei eine Olympia-Medaille auch der Jugendarbeit im Verein einen Schub geben könnte. Gülüke: „Auf jeden Fall täte uns das gut und man könnte den Nachwuchs zum Rudern motivieren.“