Herdecke. Es wären seine vierten Olympischen Spiele: Warum Physiotherapeut Carsten Hoffmann auf Tokio verzichtet - und dennoch engen Kontakt hält:
Es wären seine vierten Olympischen Spiele, doch Carsten Hoffmann hat auf die Reise nach Tokio verzichtet. Als Chef-Therapeut des Deutschen Ruderverbandes würde der 46-jährige Herdecker zur Delegation gehören, den Deutschland-Achter betreut der Physiotherapeut seit 20 Jahren intensiv. Nun aber hält der ehemalige Handballer aus der Heimat Kontakt nach Japan. „Das werden nicht die Olympischen Spiele, wie ich sie kenne und wie ich sie erleben möchte“, erklärt er.
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Den Kontakt zu „seinen“ Ruderern, die aktuell im Trainingslager in Kinosaki schuften, und dem von ihm organisierten Therapeuten-Team hält Carsten Hoffmann über die sozialen Medien täglich. „Ich weiß etwa genau, wie die Zimmer der Athleten oder der Ergometer-Raum aussehen“, sagt er, „ich fühle mich sehr intensiv dabei.“ Bei den Trainingslagern des Deutschland-Achters in Portugal und bei der olympischen Nachqualifikationsregatta mit Weltcup in Luzern war der gebürtige Herdecker auch noch vor Ort dabei. Doch auf den Trip nach Tokio hat Hoffmann, der die Ruderer zu den Spielen in Peking, London und Rio de Janeiro („Da habe ich ein paar Olympiasiege vor Ort miterlebt“) begleitet hat, aus freien Stücken verzichtet.
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Nur auf den Sport fokussiert
„Das war eine komplexe Entscheidung“, erklärt er, „wenn die Spiele vor einem Jahr normal stattgefunden hätten, wäre ich nach Tokio auf jeden Fall mitgefahren.“ Nach der durch die Corona-Pandemie bedingten Verschiebung der Olympischen Spiele in diesen Sommer aber hat sich das geändert, schon vor der Entscheidung, dass in Japan keine Zuschauer zugelassen sind. „Das fühlt sich nicht so gut an“, sagt er, verweist etwa auf Risiken, die es bei Coronafällen gebe: „Das werden ganz spezielle Spiele, Olympia in einer Zwischenperspektive und nicht so emotional, wie ich das von drei wunderschönen Teilnahmen kenne. Es wird rein auf den Sport fokussiert sein“ Da auch Verbandsarzt Dr. Uli Kau, mit dem er seit langem zusammenarbeitet, zuhause bleibe, habe er sich für eine Absage entschieden. Und ein aus einem Arzt und zwei Therapeuten bestehendes Team für die medizinische Betreuung der Ruderer organisiert.
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Seit 20 Jahren hat Hoffmann, der bei der TSG Herdecke mit dem Handball begann, es bei Eintracht Hagen als Kreisläufer bis in die 2. Bundesliga brachte und noch heute seinen Sohn in der Jugend der DJK Welper trainiert, die deutschen Ruderer unter seinen Händen. Auch wenn er Rudern zuvor nur in seiner Schulzeit am Friedrich-Harkort-Gymnasium in Herdecke kennen gelernt hatte. Seit 2007 ist er Chef-Therapeut des Deutschen Ruderverbandes, kümmert sich auch um die Organisation. „Das Faible für das Rudern habe ich erst hier richtig entwickelt“, sagt der Ex-Handballer, der mittlerweile schon bei zwölf Weltmeisterschaften und drei Olympischen Spielen mitgefiebert hat. Ein Viertel seiner Arbeitszeit verbringt Hoffmann, der eine Physiotherapie-Praxis in Bochum betreibt, am Leistungsstützpunkt in Dortmund, in Trainingslagern oder bei Regatten, ist Vertrauter vieler Athleten geworden.
Bei Mellinghaus-Empfang dabei
Wobei die Arbeit mit den Ruderern im letzten Jahr besonders anspruchsvoll gewesen sei. „Flexibilität ist in unserem Job ohnehin gefragt, jetzt musste sie besonders groß sein“, sagt er, „etwa wenn man bei Trainingslagern noch zwei Tage vorher nicht wusste, ob sie nicht noch abgesagt werden.“ Auch angesichts der Corona-Ansteckungsgefahr waren besondere Vorsichtsmaßnahmen notwendig: „Man musste noch mehr als sonst aufpassen, dass man keinen Fehler macht.“ Was nun für die Kollegen in Tokio ebenfalls gelte. „Olympia ist für die Physiotherapeuten immer sehr anstrengend und hoch intensiv, das zieht dir ordentlich Strom“, weiß er, „nach den Spielen brauchst du erstmal Urlaub.“
Mit den Ruderern, besonders dem Deutschland-Achter um den Herdecker Johannes Weißenfeld, wird Hoffmann am Bildschirm mitfiebern. „Die Kunst wird sein, sich so wenig wie möglich von den äußeren Faktoren ablenken zu lassen“, sagt er - und glaubt an das Team: „Vor einem Jahr war die Goldmedaille das Ziel, jetzt ist sie es auch.“ An das letzte Mal, als ein Herdecker - auch im Achter - olympisches Gold gewonnen hat, kann sich Carsten Hoffmann noch gut erinnern. „Als Matthias Mellinghaus 1988 vor dem Rathaus empfangen wurde, war ich als 13-Jähriger dabei“, sagt er, „und habe dann meine eigenen sportlichen Ziele definiert.“