Herdecke/Vancouver. Johannes Weißenfelds Traum hat sich ein anderer Herdecker Ruderer vor 33 Jahren erfüllt - den Olympia-Sieg. Was Matthias Mellinghaus heute macht:
Seinen Traum von Olympia-Gold will sich Johannes Weißenfeld in drei Wochen in Tokio erfüllen. Zwei andere Herdecker haben das vor ihm vor Jahrzehnten schon geschafft, einer davon auch im Deutschland-Achter. Wie Weißenfeld ist Matthias Mellinghaus Ruderer beim, wie der aktuelle Weltmeister saß auch er im Bug des Bootes, allerdings einen Platz weiter vorn. 1988 wurde Mellinghaus mit Deutschlands Paradeboot in Seoul Olympiasieger, seit 20 Jahren lebt er als Film-Regisseur und Produzent im kanadischen Vancouver. Und verfolgt genau, ob sein Nachfolger beim RC „Westfalen“ Herdecke sich seinen Traum erfüllt.
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Persönlich begegnet sind sich die beiden Herdecker Ruder-Asse noch nicht, auch wenn Matthias Mellinghaus noch regelmäßig aus dem fernen Kanada in die Heimat kommt. Einmal in Florida, als Weißenfeld in Sarasota 2017 seinen ersten von drei Weltmeistertiteln mit dem Achter gewann, hätte es fast geklappt. „Ich habe da gerade in der Nähe einen Film gedreht und wollte zum WM-Finale“, sagt Mellinghaus, „doch dann gab es Querelen am Set und es ging nicht.“ Kontakt halten die beiden Protagonisten zweier Achter-Generationen aber. „Ich schreibe ihm immer zu Weltmeisterschaften eine aufmunternde Email, er antwortet ganz nett“, erzählt der 56-Jährige, „zuletzt hat er von den besonderen Bedingungen in der Corona-Pandemie berichtet, etwa dass er im Lockdown auf dem Balkon trainieren musste.“
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Lockere Schraube fast verhängnisvoll
Bei Mellinghaus klappte es vor drei Jahrzehnten mit der Wunsch-Erfüllung – und das gleich doppelt: „Mein erster Traum waren die Olympischen Spiele, mein zweiter eine Karriere im Film-Business.“ Im Rudern erwischt er die richtige Zeit, einen Platz im Deutschland-Achter zu ergattern. Nach 13 Siegen in Folge ist das Flaggschiff des Deutschen Ruder-Verbandes 1988 im südkoreanischen Seoul Favorit auf Olympia-Gold. Doch fast wäre alles gescheitert – weil eine Schraube locker saß. „Bei Eckhardt Schultz, auch heute noch mein bester Freund, wackelte deshalb das Stemmbrett, auf dem die Füße des Ruderers fixiert sind“, erinnert sich Mellinghaus. Kurzerhand wurde das Olympia-Finale verschoben, der Achter ruderte die 2000 Meter bis zum Ziel, wo auch der Bootslagerplatz war, dort reparierte Bootsmeister Lingolf von Lingelsheim hektisch den Achter, der zum Start zurückkehrte – und dann das Finale im Kräfte raubenden Endspurt vor den zunächst führenden USA und UdSSR gewann. „Es ist ja gut gegangen“, blickt Mellinghaus zurück, „und vielleicht haben diese Umstände die anderen auch nervös gemacht.“ Zurück nach Herdecke ging es mit der Goldmedaille, Empfang auf dem Rathausplatz und Eintrag ins Goldene Buch der Stadt folgten.
Film mit Charlize Theron
Und für Mellinghaus begann ein neuer Lebensabschnitt jenseits des Hochleistungssports. „Es war eine prägende Zeit, sieben Jahre war man wie ein Rennpferd, hat nur gerudert“, sagt er. Mellinghaus zog nach Berlin („Da habe ich die Mauer fallen gesehen“), studierte an der ehemaligen DDR Filmhochschule „Konrad Wolf“ („Ein Traum für mich“), begann als Dokumentarfilm-Regisseur. Nach dem Studium zog es den Herdecker nach Kanada, hier startete die Laufbahn in der Filmbranche als Regie-Assistent und Produzent durch, an mehr als 30 kanadischen Filmen war er beteiligt. „Zuletzt im Jahr 2019 bei ,Bombshell’“, sagt er, der Film mit dem deutschen Titel „Das Ende des Schweigens“ und den Hauptdarstellerinnen Charlize Theron und Nicole Kidmann wurde für drei Oscars nominiert.
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Auf der Ruhr ist es schöner
„Als Producer arbeite ich an der Schnittstelle zwischen Geld und Kreativität“, erklärt Mellinghaus, der in North Vancouver heimisch geworden ist. Dort lernte er Ehefrau Sarah kennen, die beiden Kinder Ella und Anton sind mittlerweile aus dem Haus. Zum Rudern kommt er nur noch gelegentlich („Der Corona-Bauch müsste eigentlich mal wieder abtrainiert werden“), obwohl er als Mitglied des „Vancouver Rowing Club“ am Stanley Park aufs Wasser gehen kann. „Die Aussicht ist da bildschön, doch schon nach 900 Metern muss man wegen dort landender Wasserflugzeuge wieder umdrehen“, sagt er, „das ist nicht so schön wie auf der Ruhr zwischen Herdecke und Wetter.“ Zuletzt vor eineinhalb Jahren war er in der Heimat beim RC „Westfalen“, ruderte die Strecke mit alten Kollegen im Gig-Vierer ab.
Demnächst will Mellinghaus zum 80. Geburtstag seiner Mutter wieder nach Herdecke kommen. Auf dem Rückweg von einem Filmdreh in Taiwan. Dort in Fernost wird der Ex-Olympiasieger auch am 30. Juli sein, wenn Klubkollege Johannes Weißenfeld um Gold kämpft. Und kann beim zu nachtschlafender deutscher Zeit (3.25 Uhr) angesetzten Achter-Finale fast in der gleichen Zeitzone mitfiebern, wenn sein Nachfolger es ihm gleichtun will. „Johannes ist ein guter und motivierter Junge“, sagt Matthias Mellinghaus: „Ich bewundere den Kerl und wünsche ihm, dass das klappt.“