Tokio/Herdecke. In Tokio ist Johannes Weißenfeld nun angekommen. Nun geht es für den Herdecker im Deutschland-Achter um Olympia-Gold. Das interview:

Die „Road to Tokyo“ dauerte länger als gedacht, ein ganzes Jahr länger. Am Wochenende ist Johannes Weißenfeld mit den deutschen Ruderern im Olympischen Dorf in der japanischen Hauptstadt angekommen. Die lange Reise, die der Herdecker mit dem Deutschland-Achter seit 2017 unternommen hat, ist damit am Zielort. Nun geht es für den 26-Jährigen und seine Teamkollegen nach drei WM- und vier EM-Titeln um die sportliche Krönung. Die Lokalsportredaktion sprach mit dem 1,99-m-Athleten vom RC „Westfalen“ Herdecke zum Ausklang des Trainingslagers im japanischen Kinosaki über ganz spezielle Olympische Spiele, seinen „Traum vom Gold“ und die Zeit nach Tokio.

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Hallo Herr Weißenfeld, Sie sind mit dem Deutschland-Achter schon seit knapp drei Wochen in Japan. Wie ist die Situation dort, wie war das Trainingslager in Kinosaki?

Johannes Weißenfeld: Im Trainingslager hat es jeden Tag geregnet, offenbar ist Monsun-Zeit. So viel Wasser in so kurzer Zeit habe ich auch noch nicht erlebt, Klima und Wetter sind hier schon ein bisschen extremer. Es sind alle sehr vorsichtig, was die Corona-Vorsichtsmaßnahmen angeht, aber super gastfreundlich, wir sind super aufgenommen worden. Jeden Tag stehen beim Training zig Leute und filmen uns und winken. Sie sind sehr stolz, uns hier zu haben, das habe ich so noch nicht erlebt. Wir hatten im Hotel ein paar Aktivitäten, haben einen japanischen Kalligraphie-Kurs und eine Tee-Zeremonie gemacht. Und eine Zeremonie mit einem Mönch, die Glück bringen soll. In Kinosaki geben sie sich alle Mühe, uns hier etwas zu bieten. Schulkassen haben uns Briefe mit Glückwünschen geschrieben und Sachen gebastelt. Offene Arme eben, aber mit Handschuhen und Maske. Aber wir haben das Hotel auch nicht verlassen, außer zur Regattastrecke. Und zwei Wochen lang jeden Tag einen PCR-Test gemacht.

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Bei den Europameisterschaften im April hat der Deutschland-Achter mit dem Herdecker Johannes Weißenfeld (rechts) erstmals seit langem nicht gewonnen, sondern nur rang vier belegt. IK Hannes with cox SAUER Martin European Rowing Championships 2021 in Varese Italy on 09 April 2021 in Varese
Bei den Europameisterschaften im April hat der Deutschland-Achter mit dem Herdecker Johannes Weißenfeld (rechts) erstmals seit langem nicht gewonnen, sondern nur rang vier belegt. IK Hannes with cox SAUER Martin European Rowing Championships 2021 in Varese Italy on 09 April 2021 in Varese © imago images/Laci Perenyi | Laci Perenyi via www.imago-images.de

Auch bei Olympia wird das wohl so sein. Und eine ganz andere Erfahrung als vor fünf Jahren in Rio de Janeiro, wo Sie als Ersatzfahrer mit dabei waren – oder?

Auf jeden Fall, das wird anders werden. In Brasilien war es laut, viele Feste, Eröffnungsfeiern, im Olympischen Dorf viel Unterhaltung. Hier wird sich das mehr auf den Sport konzentrieren. Ich bin gespannt, wie frei wir uns im Dorf bewegen können, ob man auch mal eine Runde spazieren gehen kann. Es gibt eine Eröffnungsfeier, daran werden wir nicht teilnehmen, weil wir zwei Tage danach unseren ersten Wettkampf haben. Wir werden es uns wohl im Fernsehen ansehen.

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2020 wurde Olympia verschoben, auch 2021 war die Austragung lange ungewiss, gab es viele Zweifel. Wie groß ist Ihre Erleichterung, jetzt tatsächlich in Japan zu sein?

Die Erleichterung ist schon groß, dass wir endlich hier sind, die Olympischen Spiele sind zum Greifen nah. Dafür haben wir auch ziemlich viel auf uns genommen haben, zuletzt den Wahnsinn am Flughafen. Da dauerten die Testungen mit unzähligen Fiebermessungen vier bis fünf Stunden, bis wir endlich einreisen durften. Und hier müssen wir jeden Tag dokumentieren in einer App, eintragen ob wir Fieber haben, werden mit GPS getrackt, um unsere Laufwege nachvollziehen zu können. Eine ganz schöne Überwachung hier, aber das ist es alles wert.

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Der Deutschland-Achter war lange ungeschlagen, dann gab es den Dämpfer mit Platz vier bei der Europameisterschaft. Ist jetzt das Selbstvertrauen angekratzt?

Erstmal war es das natürlich, die Niederlage war schon hart, gerade weil wir nur Vierter geworden sind. Aber es kam zur rechten Zeit, wir hatten noch viel Zeit zu reagieren, haben einiges im Training umgestellt. Vielleicht waren wir da nicht auf den Punkt vorbereitet, hatten nicht geübt, Rennen zu fahren. Wir sind da hin gestolpert, mittlerweile aber wieder im Laufschritt und haben ein gutes Gefühl. Natürlich weiß man nicht genau, wo man steht, wir haben uns kaum mit den anderen Nationen messen können. Gerade nicht mit denen aus Übersee, etwa mit den starken Booten aus Neuseeland, den USA oder Australien. Aber die Trainingsleistungen stimmen mich positiv. Wir haben alles gemacht, bald wird es abgeprüft.

Sie haben von Ihrem „Traum vom Gold“ gesprochen. Nur das ist das Ziel?

Wir sind dreimal Welt- und viermal Europameister geworden. Jetzt sich hinzustellen und nicht zu sagen, man will sich die Goldene schnappen, wäre gelogen. Was man am Ende sagen muss: Wir waren nicht mehr die Super-Favoriten, aber wir haben immer noch das Potenzial in uns – und können noch einen draufsetzen. Klar, Gold wäre ein Traum, aber es kommt auch immer auf den Wettkampf an. Mehr kann man nach dem Vorlauf, der ersten Standortbestimmung sagen. Am Ende zählt das Finale, die Tagesform, wie kommt man mit den Bedingungen zurecht.

Großbritannien ist gegen den Deutschland-Achter Europameister, ist das der größte Konkurrent?

Das würde ich nicht unterschreiben. Die Neuseeländer haben ihre stärksten Ruderer in den Achter gesetzt, sie schätze ich als sehr stark sein, auch die Amerikaner haben einen Super-Coach. Ich glaube nicht, dass die Briten das beste Boot sind. Von Übersee kommt noch Härteres. Auf jeden Fall wird es eine offene Kiste werden, eines der engsten Achter-Rennen, an das ich mich erinnern kann.

Was ist nach den Olympischen Spielen? Machen Sie weiter bis zu den Spielen 2024 oder gilt der Fokus dann Ihrem Medizin-Studium?

Ich habe die Entscheidung, ob ich noch bis zu den nächsten Olympischen Spielen weiter mache, bisher vor mir hergeschoben. Ich mache es davon abhängig, ob ich noch Lust habe, noch motiviert bin und mit Spaß dabei. Ich werde weiter trainieren, aber erst mal reduziert und mir klar werden, ob ich das möchte. Wenn ich noch dafür brenne und mir etwas beweisen möchte, dann ist es eine Option. Andernfalls werde ich sagen, ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe. Was feststeht ist, dass ich mein Studium schnell abschließen will. Ich will ja irgendwann auch in meinen Beruf gut werden.