Herdecke. Olympia-Gold bleibt das große Ziel, als erster Schritt soll es der Europameister-Titel sein. So startet Johannes Weißenfeld in die Saison:

Olympia-Gold bleibt das ganz große Ziel, zunächst aber die Erfüllung des Olympia-Traums überhaupt mit einjähriger Verspätung. Der erste Wettkampf-Schritt auf dem Weg zu den Spielen in Tokio (23. Juli bis 8. August) steht für den Herdecker Ruderer Johannes Weißenfeld und den Deutschland-Achter am Wochenende an. Mit den Europameisterschaften im italienischen Varese beginnt dann die Saison, das deutsche Paradeboot ist als Titelverteidiger in der Favoritenrolle. Am heutigen Freitag um 14.20 Uhr wird es auf dem Lago die Varese in der Lombardei mit dem Bahnverteilungsrennen der Achter ernst, das Finale steht am Sonntag um 15.36 Uhr an. Vor dem EM-Start haben wir mit dem 26-jährigen Ruderer des RC „Westfalen“ Herdecke über seine Erwartungshaltung, die speziellen Bedingungen mitten in der Corona-Pandemie und die Hoffnungen auf einen tatsächlichen Olympia-Start gesprochen.

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Hallo Herr Weißenfeld, im Vorjahr gab es nur die Europameisterschaften in Polen als einzigen Wettkampf, den der Deutschland-Achter gewonnen hat. Seitdem sind auch schon wieder sechs Monate mit zwei Trainingslagern in Portugal und der kurzfristigen Absage von zwei weiteren Trainingslagern dort vergangen. Wie sehr fiebert man da daraufhin, endlich sein Können auf der Regattabahn zeigen zu können?

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Johannes Weißenfeld startet am Freitag mit dem Deutschland-Achter in die EM.
Johannes Weißenfeld startet am Freitag mit dem Deutschland-Achter in die EM. © imago images/Sven Simon

Johannes Weißenfeld Natürlich freue ich mich sehr, dass es endlich einen Wettkampf gibt und damit eine Standortbestimmung. Man muss schon sehr viel Energie aufbringen, über viele Monate im Training die ganzen Maßnahmen und Hygienevoraussetzungen in Dortmund und in den Trainingslagern in Portugal einzuhalten, um sich und andere zu schützen. Die Ansprüche haben sich ja geändert: Früher hat man konkret auf ein Ziel hin trainiert, jetzt ist man schon froh, wenn überhaupt etwas stattfinden kann.

Wie ist denn die Situation in Varese, unter welchen Bedingungen treten Sie dort an?

Dort bleiben wir in unserer Blase, sind in Quarantäne in unserem Hotel, das wir nur mit einem Extra-Shuttle zur Wettkampfstrecke verlassen dürfen. Dieses Jahr ist eben alles anders. Nach dem Winter-Intermezzo zuhause ist es in Varese super windig in Richtung Sturm, aber mit zwölf Grad auch schon mehr Frühling. Das hatten wir ja bei uns auch schon, da war es sehr schön zu rudern.

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Im letzten Herbst ist der Achter in Polen in einem kleinen Teilnehmerfeld zum siebten Mal in Folge Europameister geworden. Ist die Konkurrenz jetzt größer?

Auf jeden Fall, es sind mehr Teams dabei. Vor allem die Briten, die in Polen gefehlt haben und bekanntlich traditionell unser Erzrivale und stärkster Gegner sind. Die haben immer den Anspruch zu gewinnen. Aber es macht das Ganze natürlich so schwierig, dass keiner weiß, wo er steht – und wo die anderen. Man kann sich nur mit sich selbst vergleichen, also mit seinen früheren Leistungen, aber nicht mit den anderen Nationen.

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Wo steht der Deutschland-Achter denn im Vergleich mit sich? Auf den sonst üblichen Wettkampf um die Plätze im Boot hat Bundestrainer Uwe Bender ja verzichtet, weil alle sich ihren Platz für Olympia verdient und ihre Leistung bestätigt hätten...

Ja, die Leistungsüberprüfungen sind diesmal kürzer ausgefallen, es gab sie aber natürlich mit guten Ergebnissen. Wir sind schon schnelle Rennen im Trainingslager gefahren. Und wir wollen es als Vorteil nutzen, dass wir die im Vorjahr selektierte Mannschaft längerfristig aufbauen können. Nach gut 3000 gemeinsamen Trainingskilometern haben wir ein sehr gutes Verständnis, wie wir zusammen rudern. Die Phasen des Rennens, in denen die Muskeln übersäuern und es technisch schwieriger wird, können wir als Mannschaft so hoffentlich besser überstehen.

Also sollte in Varese erneut der EM-Titel herausspringen – oder?

Unser klar formuliertes Ziel ist es natürlich, Europameister zu werden. Aber man kann sich kein Selbstvertrauen herbeireden. Das müssen wir uns mit guten Leistungen an diesem Wochenende holen. Auch für die schwierige Phase, die dann vor uns liegt.

Dreieinhalb Monate sind es danach noch bis zu Olympia. Viel Training und drei Weltcups stehen bis dahin an, mit der internationalen Wedau-Regatta in Duisburg Anfang Mai musste ein Wettkampf schon wieder abgesagt werden. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Sie tatsächlich im Juli zu Olympischen Spielen nach Tokio reisen können?

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Wir sind ja nach einer Situation, in der die Stimmen für eine Absage sehr laut waren, jetzt in einer Situation, dass Olympia offensichtlich unbedingt durchgezogen werden soll. Die Entscheidung, dass die Spiele ohne ausländische Zuschauer stattfinden sollen, ist ein Kompromiss, der unter diesem Aspekt okay für mich ist, auch wenn es mit Fans natürlich schöner wäre. Momentan glaube ich, die Olympischen Spiele in Tokio werden stattfinden, wenn sich die Lage in der Corona-Pandemie nicht noch deutlich verschlechtert. Aber es wird natürlich ein anderes Olympia sein, Kontakte zu anderen Sportlern und die Wettkämpfe anderer Disziplinen sehen - daraus wird nix. Zwei Tage nach seinem eigenen Wettkampf muss jeder Athlet das Land wieder verlassen.