Hagen. ProA-Basketballer und Phoenix-Aufstiegsheld Chase Griffin (37) erzählt in Kabinengeflüster, warum er sich in Hagen so wohlfühlte.

Malibu ist ein malerischer Strandstreifen vor Los Angeles, ein idyllischer Küstenort voller Sand, Sonne und guter Laune. Chase Griffin lebte dort zwischen 2002 und 2007, studierte an der Privatuni Pepperdine, spielte für das Collegeteam Basketball und genoss sein Leben. „I had the time of my life“, blickt der US-Amerikaner in der elften Folge unserer Serie „Kabinengeflüster“ zurück. Aber Griffin wusste: Um seinen Traum vom Profibasketball zu verwirklichen, musste er dem Traum von Malibu den Rücken kehren und das Land verlassen. Sein Agent rief ihn Anfang Januar 2008 an und fragte: Hey, willst du Basketball in Hagen, einer Stadt in Deutschland spielen?

Der Kulturschock

Der damals 24-jährige Guard mit dem weichen Wurfhändchen wagte das Abenteuer und unterschrieb seinen ersten Profivertrag bei Phoenix Hagen. Dem noch jungen Zweitliga-Klub mit großen Zielen. „Westküste statt Wuppertal“, schrieb unsere Zeitung damals, weil Griffin den verletzten, gebürtigen Wuppertaler Benjamin Rust ersetzte. Sein erster Eindruck von der Volmestadt? Durchwachsen. „Es regnete zwei Wochen lang am Stück“, denkt Griffin zurück. Und dann war er auch noch übergangsweise in einem kleinen Appartement, das Mängel hatte. „Ich hatte kein warmes Wasser und musste kalt duschen“, grinst Griffin. Aber in seinen ersten Wochen in Hagen, da hatte er nicht viel zu lachen. Es war unangenehm. Ein krasser Gegensatz zu Malibu. Kulturschock.

Die Phoenix-Trainer Ingo Freyer (links) und Steven Wriedt (rechts) verpflichteten 2008 Guard Chase Griffin.
Die Phoenix-Trainer Ingo Freyer (links) und Steven Wriedt (rechts) verpflichteten 2008 Guard Chase Griffin. © MIchael KLEINRENSING

Als Griffin dann in seine neue Wohnung zog, und gerade T-Shirts aus dem Koffer packte, stand auf einmal Yannick Opitz im Türrahmen. There was this kid in my place. Griffin hausierte nämlich zunächst im Büro von Opitz’ Mutter Margit, wo noch eineinhalb Zimmer frei waren. Der Sohnemann, damals 17 und ein Hagener Talent, lebte gegenüber. „Yannick hat gesagt, dass er mir helfen wird. Dass seine Mutter sich um mich kümmern wird“, erinnert sich Griffin und lacht. „Es war sehr nett, aber es war zunächst seltsam.“

Sein Unbehagen wurde von Tag zu Tag weniger, denn Chase Griffin spürte die Wärme und die Gastfreundschaft der Familie Opitz. Yannick und er spielten nicht nur zwei Jahre lang gemeinsam für Phoenix, sie hingen auch miteinander ab, feierten gemeinsam, gingen durch dick und dünn. „Yannick hat mir das Hagener Partyleben gezeigt, den Funpark und die Catacombe. Und die besten Dönerbuden“, schmunzelt Griffin. We always had a great time. Besseres Essen gab es aber bei Margit Opitz, die Griffin wie einen Sohn behandelte und jeden Tag für ihn kochte. Wenn der US-Amerikaner vom Training nach Hause kam, roch er das frische Mittagessen schon im Hausflur. Es fühlte sich jetzt wie Zuhause an. „Margit konnte kein Wort Englisch, aber sie hat unglaublich gutes Essen gemacht. She was such a sweet lady.“

Auch interessant

Als Chase Griffin mit der Stadt Hagen warm wurde, wurden auch seine Leistungen auf dem Basketballfeld besser. Er verlängerte mit Phoenix, schoss den Verein mit seinen präzisen Drei-Punkte-Würfen in die erste Liga. Und in dem darauffolgendem erstem BBL-Jahr hielten Griffin und Phoenix die Klasse. Er verließ Hagen, aber seine Karriere ging weiter. Seit 2018 wirft der heute 37-Jährige für die Artland Dragons auf den Korb, ist in der ProA nach wie vor einer der gefürchtetsten Dreierschützen. Und es sieht so aus, als würde er noch eine Saison dranhängen.

Das Heimweh

Hätte der Guard nicht das Glück gehabt, an eine fürsorgevolle Familie geraten zu sein, dann wäre er wohl zurück nach Hause geflogen und hätte vielleicht nicht die Karriere gehabt, auf die er stolz zurückblickt und die auch noch nicht vorbei ist. Denn der Übergang vom US-College zu einem eigenständigen Leben in einem anderen Land mit völlig anderer Kultur ist hart. Seit 13 Jahren ist Chase Griffin schon im Basketballgeschäft – und er hat schon so manche Spieler miterlebt, für die das Heimweh letztlich zu groß war. Einer davon war Ryan Appleby, der 2010 in Hagen Griffins Nachfolger werden sollte.

Der Guard war die neue Hoffnung auf der Aufbauposition von Phoenix, trainierte ein paar Mal mit seinem neuen Team, stand auf der Bühne des Springefests und wurde mit Verheißungen vorgestellt. „Er ist verschollen, vermutlich war es Heimweh“, bedauerte der damalige Hagener Bundesligist in einer Pressemitteilung.

Auch interessant

Appleby flog heim, eine Profikarriere strebte er danach nicht mehr an. Kein Einzelfall, und Griffin kann das verstehen. „Es ist eine Umgewöhnung, wenn du vom College kommst, wo du immer von deinen Freunden umgeben warst. Dann bist du hier auf dich allein gestellt, hast erstmal kein Sozialleben, dazu die Sprachbarriere. It’s tough.

Stars und Sternchen

Aber Chase Griffin nahm nicht nur, er gab auch jede Menge zurück. Jeden Sommer, wenn der Basketball ruhte, lud er Yannick Opitz und auch mal dessen Freunde zur US-Westküste ein. „So wie sich meine Mutter um Chase gekümmert hat, hat sich seine Mama um mich gekümmert, wenn ich drüben war. So sind unsere Familien zusammengewachsen“, erzählt Opitz. Besonders gute Erinnerungen haben die beiden Freunde an den USA-Urlaub in 2010, welcher schon fast einem Lottogewinn glich.

Erinnerungsfoto vor dem Staples Center, der Spielstätte der Los Angeles Lakers (von links): Shane Griffin, Yannick Opitz, Chase Griffin und Karen Griffin.
Erinnerungsfoto vor dem Staples Center, der Spielstätte der Los Angeles Lakers (von links): Shane Griffin, Yannick Opitz, Chase Griffin und Karen Griffin. © Privat

Ein Geschäftspartner von Griffins Vater konnte nicht zu den NBA-Finalspielen zwischen den Los Angeles Lakers um Kobe Bryant und deren ärgsten Rivalen, den Boston Celtics. „Mein Vater hat gesagt, wir könnten die Karten haben“, erinnert sich Griffin. Der Wert eines Tickets: zirka 10.000 Euro. „Wir haben das bei Ebay nachgeschaut und dann überlegt, ob wir nicht einfach die Tickets verkaufen und die Spiele in der nächstbesten Bar schauen sollen. Aber das ging nicht, es waren ja nicht unsere Karten“, lacht Griffin.

Und so sahen er und sein Hagener Kumpel, wie Kobe Bryant nach unfassbarem Kampf die NBA-Trophäe in den Himmel streckte und es gelb-lilanes Konfetti von der Hallendecke regnete. Wobei die Show abseits des Feldes vielleicht noch interessanter war. „Es war unglaublich, wie viele Stars da waren“, erinnert sich Opitz. Snoop Dogg, Christina Aguilera, Jack Nicholson, Silvester Stallone, Andy Garcia und viele mehr.

Rückkehr-Gedanken

Auch heute haben Yannick Opitz und Chase Griffin noch Kontakt, auch wenn es meistens über Whatsapp oder Zoom ist. „Als Basketballer kommst du viel rum, da ist es nicht immer leicht, Kontakt zu halten“, weiß Griffin. Und wie sieht es mit einem Comeback aus? Mittlerweile ist es für die heimische Presse schon Tradition, jeden Sommer zu spekulieren, ob Griffin zurück nach Hagen kehrt. Zurück in die Stadt, in der für ihn alles begann und in der er seine Frau Gianna, mit der er zwei Kinder hat, kennenlernte. Man verhandelte zwar, wurde sich aber nie einig. It just didn’t work out.

Chase Griffin mit seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Gianna.
Chase Griffin mit seiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Gianna. © Axel Gaiser

Dafür wurde Griffin an anderen deutschen Standorten erfolgreich, feierte mit Vechta (2016) und mit Crailsheim (2018) zwei weitere Aufstiege. Schöne Erfolge, doch die beste Zeit hatte er in Hagen. „Hagen war einfach besonders, die Stadt, die Fans, die Teams, die wir hatten“, schwelgt Griffin in Erinnerungen. Und nicht zu vergessen die Menschen, die ihn nicht im Hagener Regen stehen gelassen, sondern sich um den jungen Mann gekümmert haben. I will never forget this. They are always family for me.

+++ Info +++

In der Serie „Kabinengeflüster“ sprechen aktuelle und ehemalige Größen des Hagener Basketballs über prägnante, kuriose und witzige Momente ihrer Laufbahnen. Gast der nächsten Folge ist David Bell (30. März).

Die Serie hat unsere Zeitung in Zusammenarbeit mit den Basketballern Yannick Opitz und Sören Fritze, die bei Erstregionalligist BG Hagen aktiv sind, ins Leben gerufen. Beide spielen seit 2018 wieder für die BG.