Hagen. Marcel Keßen kehrt mit Phoenix Hagen zurück zu Ex-Klub Bremerhaven. Im Interview spricht er über eine verlorene Wette und Kritik an Chris Harris.
Es war das Highlight dieser ansonsten gebrauchten Saison: Vor dem Jahreswechsel siegte Basketball-Zweitligist Phoenix Hagen in letzter Sekunde mit 93:91 gegen die Eisbären Bremerhaven. Held des Abends war Zach Haney, der nach seinem Siegeswurf einen fast schon legendären Sprint in die Katakomben hinlegte und von seinen Mitspielern gefeiert wurde.
Fassungslos auf der anderen Seite stand Marcel Keßen (24), der Haney nicht am Wurf hindern konnte und mit Bremerhaven eine bittere Pleite einsteckte. Am Sonntag hätte der Center aber nichts dagegen, wenn das Rückspiel genau so enden würde (17 Uhr, sportdeutschland.tv). Keßen wechselte vor zweieinhalb Wochen zurück in seine Heimat Hagen, im hohen Norden wurde er angesichts geringer Einsatzzeiten nicht glücklich. Bei Phoenix blüht der 2,07-Meter-Mann auf, kommt in bislang vier Spielen auf bärenstarke 15 Punkte und 8,5 Rebounds. Was ihm vor seiner Rückkehr durch den Kopf geht, welche Wette er verloren hat und was er von der harschen Fan-Kritik an seinem Trainer hält, erzählt er im Interview mit unserer Redaktion.
Marcel Keßen, das Hinspiel haben Sie mit Bremerhaven in letzter Sekunde verloren. Ihr neuer Center-Kollege Zach Haney hat den entscheidenden Wurf getroffen. Mussten Sie sich deswegen schon Sprüche anhören?
Marcel Keßen: Nein, das war auch nicht allein meine Schuld, wir haben als Team hinterher noch über die Szene gesprochen. Unsere ganze Verteidigung hat es verkackt. Aber ich bin nicht traurig drum, im Gegenteil. Ich bin froh, dass Zach den Korbleger getroffen hat.
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Sprechen wir einmal kurz über Ihr letztes Spiel in Jena. Phoenix hat sich trotz Niederlage gegen den Tabellenzweiten gut verkauft. Für Sie endete das Spiel aber schon in der 36. Minute, als sie nach einem Technischen Foul nicht mehr weiterspielen durften.
Ja, ich hatte in der ersten Halbzeit schon ein Unsportliches Foul bekommen, über das man sicher streiten kann. In der ersten Hälfte lief es sehr gut für mich, für das Team weniger – in der zweiten Hälfte war es genau umgekehrt. Ich hatte dann einen Offensivrebound geholt, aber den Ball verloren, und in dem Moment habe ich meine Emotionen vergessen. Das war unnormal dumm von mir und ich habe mich sehr schlecht gefühlt. Ich hatte das Gefühl, das Team im Stich zu lassen. Hätten wir mit mir am Ende gewonnen? Ich weiß es nicht. Aber ich bin ein emotionaler Mensch, es brodelte in dem Moment einfach in mir. Leider habe ich deswegen auch eine Wette gegen unsere Co-Trainer Alex und Stan verloren…
Worum ging es da?
Ich habe gewettet, dass ich in dieser Saison kein Technisches Foul mehr kassiere (lacht). Nun gut, jetzt zahle ich halt 50 Euro in die Mannschaftskasse ein. Aber so etwas wird mir in dieser Saison garantiert nicht noch einmal passieren.
Die Einstellung des Teams schien in Jena und auch davor gegen Quakenbrück deutlich besser gewesen zu sein als bei der Niederlage in Ehingen. Ist das Team noch enger zusammengerückt?
Ja, auf jeden Fall. Wir dürfen uns nicht noch mal so präsentieren wie in Ehingen, darüber haben wir als Team ausführlich mit den Coaches gesprochen. Wir haben gesagt, dass irgendetwas passieren muss, denn wir wissen, was wir als Mannschaft draufhaben.
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Im Internet bzw. in den sozialen Medien haben Hagener Fans viel Kritik an der Einstellung der Mannschaft geübt. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich habe das gelesen, und es war zum Teil schon sehr hart, was da geschrieben wurde. Zum Beispiel, dass Chris entlassen und Ingo Freyer geholt werden soll. Ich kriege ehrlich gesagt das Kotzen, wenn ich sowas lese. In Ehingen hatten wir nicht genug Kampfgeist, das stimmt, aber es lag die letzten beiden Spiele definitiv nicht daran. Wir hatten mehrere Verletzte, haben trotzdem gegen Quakenbrück 30 Minuten lang gut gespielt. Gegen Jena waren wir nur das erste Viertel nicht gut, aber da haben sieben Leute einen super Job gemacht. Nun müssen wir es hinkriegen, über 40 Minuten das umzusetzen, was wir uns vornehmen.
Kritik der Fans am Trainer Chris Harris gab es auch reichlich. Ist das aus Ihrer Sicht berechtigt?
Man kennt das ja vor allem vom Fußball: Wenn das Team keine Erfolge bringt, wird das auf den Trainer geschoben. Das ist bei uns jetzt auch so. Ich bin aber der Überzeugung, dass Chris einen sehr guten Job macht und es nicht an ihm liegt, dass wir so viele Niederlagen haben. Das Trio mit Alex Nolte und Stanley Witt ist super, ich fühle mich hier sehr wohl. Man muss bedenken, dass das Team wegen Corona eine lange Pause hatte und wir einige Verletzungen hatten. Das ist alles nicht einfach. Nach unserer Niederlage in Ehingen haben die Coaches noch mal jedem einzelnen Spieler klar gemacht, was von ihm verlangt wird. Vielleicht hat diese Art der Kommunikation vorher etwas gefehlt. Aber wir sind auf einem guten Weg, werden immer besser.
Am Sonntag haben Sie die nächste Chance, einen Sieg zu holen. Sie hatten uns vor ein paar Wochen erzählt, dass der Abschied von Bremerhavens Cheftrainer sehr „kalt“ verlief. Mit welchen Gedanken fahren Sie zu Ihrem Ex-Klub?
Ich bin mega heiß auf das Spiel. Ich habe etwas zu beweisen und will unbedingt den Sieg holen. Was in Bremerhaven passiert ist, habe ich hinter mir gelassen. Ich will einfach ein gutes Spiel machen und gewinnen.
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Sie haben ja jetzt den direkten Vergleich zwischen Phoenix und den Eisbären. Welche Unterschiede herrschen zwischen den beiden ProA-Ligisten, vor allem in Sachen Trainerteam und Management?
In Hagen wird sich viel um uns Spieler gekümmert, das ganze Drumherum – Training, Wohnung, Auto – ist um einiges besser als in Bremerhaven. Und das, obwohl der Etat von Phoenix kleiner ist. Während in Bremerhaven die beiden Coaches alles allein gemacht haben, haben wir in Hagen einen eigenen Athletiktrainer, einen eigenen Physio, der immer mit dabei ist. Wie gesagt, ich fühle mich sehr wohl und bin einfach froh darüber, wieder hier zu sein.
+++ Info +++
Bremerhaven liegt mit fünf Siegen aus 14 Spielen auf Tabellenplatz sieben und hinkt den eigenen Erwartungen hinterher. Am vergangenen Spieltag besiegten die Norddeutschen den Tabellenletzten Nürnberg mit 105:81.
Topscorer der Eisbären ist US-Guard Trey Davis (22 Punkte im Schnitt), der aber am Sonntag aus privaten Gründen fehlen wird.