Herdecke/Posen. Nicht Olympia, auch keine Weltmeisterschaft: Warum die EM in Polen am Wochenende für Achter-Ruderer Johannes Weißenfeld so wichtig ist.

Es ist nicht Olympia, es ist auch keine Weltmeisterschaft. Aber es geht um den einzigen Titel, den es in diesem Corona-Jahr für den Deutschland-Achter zu gewinnen gibt. Am Dienstag machten sich die deutschen Elite-Ruderer um den Herdecker Johannes Weißenfeld auf den Weg ins polnische Posen, wo am Wochenende die Europameisterschaften stattfinden. Am Freitag um 13 Uhr startet die EM für den Achter mit dem Boots-Verteilungslauf, zwei Tage später schließt um 15.01 Uhr das Finale des Großboots die Titelkämpfe ab. Vor der Abreise sprachen wir mit dem 26-jährigen Weißenfeld darüber, mit welchen Zielen der dreimalige Weltmeister zur EM reist und wie sein Team mit den besonderen Bedingungen umgeht.

Einziger internationaler Wettkampf 2020

Die Ruder-Europameisterschaften vom 9. - 11. Oktober im polnischen Posen sind nach der Absage aller Weltcups und der Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio für die deutschen Ruderer der einzige internationale Wettkampf in diesem Jahr. 63 deutsche Sportlerinnen und Sportler gehen bei der EM auf dem Malta-See in 19 Bootsklassen an den Start.

Der Deutschland-Achter strebt den achten EM-Titel in Folge an. „Wir hoffen, dass wir diese Erfolgsserie weiterverfolgen können. Aber das Wegfallen aller internationalen Wettbewerbe macht es zu einem Schuss ins Blaue. Man weiß nicht, wo die anderen stehen“, so Trainer Uwe Bender: „Als amtierender Welt- und Europameister gehen wir als Favorit an den Start.“

Hallo Herr Weißenfeld, der deutsche Achter ist jetzt siebenmal in Folge Europameister geworden, das scheint Alltag zu sein. Hat die EM in Polen - als erste und einzige Regatta über die olympische 2.000-Meter-Distanz in dieser Saison - in diesem Jahr dennoch einen besonderen Stellenwert?

Johannes Weißenfeld: Auf jeden Fall! Da es in diesem Jahr für uns der einzige richtige Wettkampf ist, sind die Europameisterschaften für uns enorm wichtig. Wir wollen uns da unbedingt gut präsentieren. Nach den vielen Trainings-Ausfällen durch den Lockdown haben wir uns noch gut vorbereitet, ich hoffe das kann man sehen. Sonst ist die EM ja immer einer der ersten Wettkämpfe im Jahr, wegen der Corona-Pandemie ist sie diesmal in den Herbst verschoben. Für mich hat sie aber immer einen hohen Stellenwert.

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Ganz vorn im Deutschland-Achter: Der Herdecker Johannes Weißenfeld (rechts) will mit Laurits Follert, Olaf Roggensack, Torben Johannesen, Jakob Schneider,Malte Jakschik, Richard Schmidt, Hannes Ocik und Steuermann Martin Sauer (von rechts) Europameister werden.
Ganz vorn im Deutschland-Achter: Der Herdecker Johannes Weißenfeld (rechts) will mit Laurits Follert, Olaf Roggensack, Torben Johannesen, Jakob Schneider,Malte Jakschik, Richard Schmidt, Hannes Ocik und Steuermann Martin Sauer (von rechts) Europameister werden. © dpa | Bernd Thissen

Das Teilnehmerfeld im Achter ist klein, mit den Niederlanden, Italien, Rumänien und Litauen gibt es nur vier Gegner. Welchen Unterschied macht das zu sonstigen Titelkämpfen?

Ja, diesmal sind nur fünf Boote angesagt, da entfallen Halbfinale und Hoffnungslauf. Es gibt nur einen Bootsverteilungs-Lauf am Freitag, bei dem der schnellste Achter die Mittelbahn für das Finale am Sonntag erhält. Sonst fährt man im Halbfinale nicht immer durch, wenn man die Quali geschafft hat, doch diesmal sehen wir das als vollen Wettkampf an und ziehen durch. Wir haben ja nur diese zwei Rennen in diesem Jahr, die sollten wir nutzen. Besonders am Teilnehmerfeld ist, dass Großbritannien nicht dabei ist - und damit einer der stärksten Konkurrenten fehlt.

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Dann kann für den Deutschland-Achter ja nur der Europameister-Titel zählen, oder?

Ohne Wettkämpfe kann man die Konkurrenz in diesem Jahr nur schwer einschätzen, wir wissen nicht, wo wir im Vergleich dazu stehen. Aber natürlich gehen wir als Favorit ins Rennen. Wir sind Welt- und Europameister.

Und Sie persönlich können das Gefühl, mit dem Achter zu verlieren, doch gar nicht kennen . . .

Ja, seitdem ich in dem Boot sitze, haben wir tatsächlich nichts Wichtiges verloren. In dem Zyklus seit 2016 gab es zwar ein oder zwei Rennen, in denen wir nicht Erster waren. Aber in den Finals haben wir immer die Nase leicht vorn gehabt.

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In der finalen Vorbereitung auf die EM hat der Deutschland-Achter diesmal auf ein Trainingslager verzichtet, um in der Corona-Pandemie nicht unnötig zu reisen. Die Mannschaft ist am Stützpunkt in Dortmund geblieben, hat zuhause statt im Hotelzimmer geschlafen. Fühlt es sich trotzdem wie die Vorbereitung auf den Saison-Höhepunkt an?

Es war schon ungewohnt so ohne Trainingslager. Vor allem wissen wird nicht so genau, wo wir stehen. Aber das weiß ja niemand momentan, deshalb ist es auch schon wieder fair.

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Überall in Europa steigen die Corona-Infektionen momentan wieder an. Wie gehen Sie und die Mannschaft damit um, nun zu einer EM ins Ausland zu reisen?

Das benachbarte Tschechien ist ja Risikogebiet, Polen aber noch nicht. Wir fahren mit zwei privaten Kleinbussen dahin, versuchen dann unter uns zu bleiben und möglichst keinen Kontakt zu den anderen Mannschaften zu haben. Zuschauer sind bei den Europameisterschaften ja ohnehin nicht erlaubt.

Ihr eigentliches Ziel war und sind ja die Olympischen Spiele in Tokio, die wegen der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben worden sind, und dort die Goldmedaille. Nun wachsen die Zweifel, dass Olympia im nächsten Jahr stattfinden kann, wie gehen Sie damit um?

Ich bleibe optimistisch, dass 2021 in Tokio gerudert werden kann. Woher sollte ich sonst meine Motivation ziehen? Für uns alle ist wichtig, dass wir jetzt bei der EM überhaupt mal wieder eine Regatta fahren dürfen. Wir machen das alles ja nicht, weil wir das Training so schön finden, sondern weil wir Spaß am Wettkampf haben.