Hagen. Das Herz des Ex-Superintendenten Bernd Becker schlägt für den FC Schalke 04. Im Interview erzählt er, was sein traurigster Fußballmoment war.
Die einen strömen am Wochenende mit tausenden Gleichgesinnten ins Fußballstadion, die anderen besuchen den Gottesdienst. Für den Hagener Bernd Becker (51), ehemaliger Superintendent des Kirchenkreises Hagen und jetzt Herausgeber von „Unsere Kirche“, schließt sich das nicht aus. Viel mehr sieht er einige Gemeinsamkeiten zwischen dem Profi-Fußball und dem Gottesdienst. Mit uns sprach er über seine größten Fußballmomente und warum ihn Schalkes Vier-Minuten-Meisterschaft wohl ewig verfolgen wird.
Herr Becker, für welchen Verein schlägt Ihr Fußball-Herz?
Bernd Becker: Für den FC Schalke 04. Eine Dauerkarte habe ich zwar nicht, allerdings bin ich in einer Saison schon zehn oder zwölf Mal im Stadion. Sowohl auf Schalke als auch bei Auswärtspartien.
Waren es immer die Königsblauen, die es Ihnen angetan haben?
Tatsächlich nicht. Als ganz kleines Kind war ich glühender GladbachFan. Allerdings nur aus der Tatsache heraus, dass sie grüne Trikots hatten und grün meine Lieblingsfarbe ist (lacht). 1979 war ich dann aber bei einem Derby zwischen Schalke und dem BVB. Seitdem gab es keine Frage mehr. Schalke ist mein Verein.
Äußert sich das auch in Ihrem Zuhause? Hängt die Schalke-Fahne im Garten?
Eine Schalke-Tasse steht manchmal auf dem Tisch, aber ansonsten hebe ich mir das für das Stadion auf.
Auch mit der Kirche sind Sie schon lange verbunden.
Ich habe ein Theologie- und Journalismus-Studium absolviert und im Anschluss mit einer halben Stelle als Pfarrer in Wetter gearbeitet und eine halbe Stelle als Redakteur in Haltern am See gehabt. Dann war ich Superintendent in Hagen, bevor ich nun als Geschäftsführer des Verlages „Unsere Kirche“ wieder beide Leidenschaften miteinander verbinden kann.
Einige Fußballer bekreuzigen sich vor dem Spiel, zeigen beim Torjubel gen Himmel. Was halten Sie davon? Denken Sie, dass wirklich so viele gläubige Profis dabei sind?
Die Frage kann man sich natürlich immer stellen, aber es ist eine tolle Sache, wenn der Glaube so offen gezeigt wird. Ich finde, man muss das alles zweigeteilt sehen. Ich denke, dass es viele Parallelen zwischen dem Fußball und einem Gottesdienst gibt.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Die Abläufe sind immer ähnlich, es gibt Wechselgesänge und Lieder, die alle kennen. Zudem ist eine sehr religiöse Sprache, mit Passagen wie: „Wir leben dich“ und „ich bin für dich geboren“. Allerdings hakt es dann im Inhalt. Denn der Fußball kann nur eine punktuelle Freude bringen, er ist kein Lebensinhalt, oder kann Trost für Trauer spenden.
Was gibt Ihnen der Fußball?
Es ist eine tolle Ablenkung, ich kann wirklich einmal vom Alltag abschalten. Man isst seine Wurst und vergisst einmal alle Probleme. Das ist noch wichtiger als ein Sieg der Mannschaft unten auf dem Rasen. Und es ist toll zu sehen, dass egal ist, wer dort eigentlich zusammen kommt.
Wie meinen Sie das?
Der soziale Stand ist egal, kaum jemand fragt, was man eigentlich beruflich macht. Man kommt als Fußballfan mit anderen Fans zusammen, schaut das Spiel, ist gesellig, regt sich auf und freut sich. Und dann geht am Abend wieder auseinander. Es ist nicht wichtig, wer wieviel Geld auf dem Konto hat, das ist sehr angenehm in unserer heutigen Zeit.
Auf Schalke gibt es auch eine Kapelle, in welcher Trauungen und Taufen stattfinden. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin mit Ernst-Martin Barth, dem Pfarrer der Kapelle, befreundet. Ob die Menschen dort wirklich gläubig sind, kann man sich natürlich immer fragen. Es ist aber wichtig, dass es zum Beispiel nicht gestattet ist, in Vereinskutte zu heiraten. Ich sehe es als eine Chance an. Viele Menschen sind vielleicht eher mit dem Verein verbunden als mit ihrer Heimatgemeinde. Wenn sie so einen Raum bekommen, um ihren Glauben an einem vertrauten Ort nachzugehen, dann gewinnen beide Seiten davon. Man muss auch nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, um zu beweisen, dass man gläubig ist.
Fußball und Glaube schließen sich also für Sie nicht aus?
Nein, denn es ist keine andere Welt, sondern etwas, dass sich sogar gut ergänzen kann und wo man viele Parallelen ziehen kann.
Was war denn Ihr schönstes Fußballerlebnis als Spieler?
Ich war nicht unbedingt mit dem größten Talent gesegnet. In meiner Jugend habe ich beim FC Kreuztal 08 gespielt, da auch mein Vater dort als Trainer aktiv war. Ich war eigentlich nur auf Sportplätzen unterwegs, ob zum zuschauen, Training, oder selbst spielen. Wenn ich gerade nichts zu tun hatte, habe ich Flaschen eingesammelt, für den Pfand. Diese Jugend ist wohl der Grund wieso ich noch heute so fußballbegeistert bin. Als ich selbst noch gespielt habe, war es das Größte für mich, dass ich in der C-Jugend zum Spielführer gewählt worden bin und die Binde tragen durfte. Das war besser als alles, was ich sportlich erreicht hatte.
Und als Zuschauer?
Da bleibt mir das Spiel Schalke gegen Arminia Bielefeld im Gedächtnis. Es ging um den Abstieg und zur Halbzeit lag der FC 0:1 zurück. In der zweiten Halbzeit drehten sie dann das Spiel und gewannen am Ende mit 4:1. Da war ich etwa elf Jahre alt und wie alle total aus dem Häuschen. Am Ende schenkte mir ein älterer Herr noch fünf Mark, weil er sich auch so sehr freute. Dieser Frust zur Pause und dann die große Freude. Das werde ich nicht vergessen.
Und der traurigste Moment?
Das war, wie wohl bei jedem Schalke-Anhänger die Vier-Minuten-Meisterschaft. Das Ganze hat mich dann scheinbar auch noch körperlich mitgenommen. Mir ging es nach dem Spiel nicht so gut und ich hatte mich schon gewundert, ob die Trauer etwa so groß ist. Am Abend habe ich dann mit 30 Jahren tatsächlich die Windpocken bekommen. Das Spiel bleibt mir also gleich doppelt im Gedächtnis.
Wie schwer fällt Ihnen die Zeit ohne Fußball aktuell?
Es ist sehr schwierig, für die gesamte Gesellschaft und auch ich merke, wie mir deutlich der Ausgleich fehlt. Man ist schon wehmütig und freut sich, wenn es wieder in normalen Bahnen läuft.