Hagen. Eine Schwangerschaft ist auch für Sportlerinnen eine Ausnahmesituation. Nach der Entbindung sollten Frauen ehrlich zu sich selbst sein.

Wer schon einmal lange mit dem Sport pausiert hat, der weiß, wie schwierig es sein kann, wieder in die alte Form zurückzufinden. Bei vielen Frauen ist das vor allem dann eine große Herausforderung, wenn sie aus einer Schwangerschaft kommen. Was viele Männer nicht wissen: Vor und nach der Entbindung wartet eine Reihe von psychischen und physischen Belastungen auf die Partnerin. Der Körper verändert sich. Das Leben verändert sich. Und der Weg zurück ins Sportlerleben kann hart sein.

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Manche Schwangere machen sich das Leben selbst unnötig schwer, wie Hebamme Michelle Schwenking aus Hagen zu berichten weiß: „Es gibt Frauen, die schämen sich für das, was mit ihrem Körper während der Schwangerschaft passiert. Alles wird weich, also der ganze Körper verändert sich. Sport ist ab einem gewissen Punkt nicht mehr möglich. Damit klarzukommen, ist nicht immer leicht.“

„Alles wird weich, der ganze Körper verändert sich. Damit klarzukommen, ist nicht immer leicht.“

Michelle Schwenking
Hebamme

Dabei sei das meiste völlig normal: „Es kann vorkommen, dass man zum Beispiel plötzlich inkontinent wird. Und dann muss man einen Weg finden, um damit umzugehen“, sagt die 28-jährige Hebamme.

„Zur Wahrheit gehört: Nach der Schwangerschaft ist nichts so, wie es vorher einmal war. Manche fühlen sich in ihrem eigenen Körper von heute auf morgen fremd.“

Michelle Schwenking
Hebamme

Es ist schade, wenn jemand still leiden muss

Nicht selten verschließen sich Betroffene vor anderen und auch vor sich selbst. Sie trauen sich nicht, mit ihrem Partner oder der eigenen Mutter über ihre Beschwerden zu sprechen - aus Angst vor Ablehnung oder Stigmatisierung: „Ich finde es schade, wenn jemand unter etwas leidet und sich noch nicht einmal traut, jemandem von der Belastung zu erzählen“, sagt Schwenking. Es sei daher wichtig, dieses Thema aus der Tabu-Zone zu holen, damit möglichst jede Frau gut aufgeklärt werden kann und niemand im Stillen leiden muss: „Zur Wahrheit gehört: Nach der Schwangerschaft ist nichts so, wie es vorher einmal war. Manche fühlen sich in ihrem eigenen Körper von heute auf morgen fremd.“

Alexandra Meurer (links, 38) und Michelle Schwenking (28) möchten darüber aufklären, was eine Schwangerschaft mit dem weiblichen Körper macht. Viele haben eine idealisierte Vorstellung vom Kinderkriegen. Die Herausforderungen, vor allem für junge Sportlerinnen, haben viele Menschen gar nicht auf dem Schirm.
Alexandra Meurer (links, 38) und Michelle Schwenking (28) möchten darüber aufklären, was eine Schwangerschaft mit dem weiblichen Körper macht. Viele haben eine idealisierte Vorstellung vom Kinderkriegen. Die Herausforderungen, vor allem für junge Sportlerinnen, haben viele Menschen gar nicht auf dem Schirm. © WP | Carlo Czichowski

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Viele junge Frauen stellen sich eine Schwangerschaft hingegen idealisiert vor, nicht zuletzt wegen falscher Vorbilder in Sozialen Netzwerken: „Viele denken vorher: Bald habe ich einen schönen runden Bauch, kann tolle Fotos machen und ich werde einfach nur glücklich sein und strahlen“, erläutert Schwenking. In Wahrheit ist eine Schwangerschaft viel komplizierter und es warten auch Belastungen auf werdende Mütter: „Wenn dann die Realität kommt, ist man je nach Erwartungshaltung natürlich enttäuscht“, erläutert die erfahrene Hebamme, die schon mehrere hundert Schwangere begleitet hat.

Beratungsangebote für Schwangere

In folgenden Beratungsstellen kriegen werdende Eltern Auskünfte zu wichtigen Fragen:

- ⁠Caritas Hagen: 02331 367 43 11

- ⁠Frühe Hilfen: E-Mail an praeventiverkinderschutz@stadt-hagen.de

- ⁠Baby-Lotsendienst am Agaplesion Klinikum Hagen: 0170 6305 045, 0152 2357 9246

- ⁠AWO Beratungsstelle für Schwangerschaftsprobleme und Familienplanung: 02331 306 96 10

- ⁠Kinderschutzbund Ortsverband Hagen: Tel.  02331 386 08 90

- es lohnt sich außerdem nach der Entbindung den „Edinburgh Depressions-Fragebogen nach der Geburt“ (EPDS) zu beantworten. Man findet ihn durch eine Schlagwortsuche in der Suchmaschine des Vertrauens ganz einfach im Internet.

Ihr wichtigster Tipp lautet: Nicht zu lange warten und möglichst viele Vorkehrungen treffen, um sich nicht nur auf die Schwangerschaft, die Entbindung und das Elternsein vorzubereiten, sondern auch schon frühzeitig zu überlegen, wie man die Rückbildung vorantreiben kann: „Die meisten rufen erst einen Gynäkologen an, wenn sie Schwanger sind. Das ist auch richtig. Es lohnt sich aber, sofern man von einer Hebamme begleitet werden möchte, sich auch sofort darum zu kümmern und sich möglichst gut zu informieren“, erklärt Schwenking.

Ziel ist es, den Körper wieder nah an die alte Form zu bringen

Es gebe in Hagen einen akuten Mangel an Hebammen. Die Wartezeiten seien lang und Schwangere sollten möglichst früh den ersten Kontakt aufnehmen. Eine Hebamme könne bei vielen Fragen entweder selbst helfen - oder zu einer Beratungsstelle vermitteln. Das Ziel ist, die Zeit der Schwangerschaft bis zur Entbindung ohne große Komplikationen rund um die geistige und körperliche Gesundheit zu bewältigen. Das gelinge nicht immer.

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Wenn das Baby dann da ist, wird es bekanntermaßen nicht gerade einfacher: „Im Regelfall liegt man im Wochenbett und je nach Schwangerschaft fällt man nach den Strapazen in ein Loch“, erklärt Schwenking. Nicht immer handele es sich unbedingt um eine Wochenbettdepression, aber manchmal schon. An Sport ist nach der kräftezehrenden Entbindung jedenfalls zunächst nicht zu denken.

Die Muskulatur muss wieder aufgebaut werden

Wenn man sich dann bereit dafür fühlt, ist Sport aber eine wichtige Komponente, um den Körper möglichst in die alte Form zu bringen. An diesem Punkt kommen Physiotherapeutinnen wie Alexandra Meurer ins Spiel. Die 38-Jährige hat genau wie Schwenking vor einigen Monaten ihr Kind entbunden. Beruflich ist die Physiotherapeutin unter anderem auf Rückbildung spezialisiert.

Auch sie rät, die körperliche Gesundheit in einer Schwangerschaft nicht stiefmütterlich zu behandeln: „Zu mir kommen viele ältere Frauen, die mit über 50 Jahren Probleme mit dem Beckenboden haben. Das ist dann manchmal darauf zurückzuführen, dass sie damals nach ihrer Schwangerschaft ihre Muskulatur nicht richtig wieder aufgebaut haben.“ Viele Beschwerden könne man rückwirkend beheben, aber nicht alle. Insofern sei die richtige Herangehensweise besonders wichtig.

„Das hat überhaupt nichts mit Schwäche zu tun, sondern es macht einen im Umkehrschluss noch stärker und es kann Paare auch zusammenschweißen.“

Alexandra Meurer
Physiotherapeutin

Wenn eine Frau nach der Schwangerschaft wieder zum Fußball- oder Handballtraining kommt, dann sieht man ihr all diese Dinge nicht auf Anhieb an. Sich nach einer Entbindung wieder sportlich zu betätigen, ist in Wahrheit eine viel größere Hürde, als die meisten Menschen denken. Es lohnt sich aber, bei diesem Prozess Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Schwenking und Meurer wollen jedes junge Paar ermutigen, möglichst offen mit Herausforderungen umzugehen und sich nicht zu verschließen: „Das hat nämlich überhaupt nichts mit Schwäche zu tun, sondern es macht einen im Umkehrschluss noch stärker und es kann Paare auch zusammenschweißen“, sagt sie: „Nur wer offen mit seinen Beschwerden umgeht, kann daran arbeiten und lernen, mit seinem neuen Körper umzugehen und möglichst keine Probleme zu haben.“ Egal ob beim Sport - oder im neuen Alltag mit dem Kind.