Hagen. Basketball-Zweitligist Phoenix Hagen startet in eine neue Saison. Die Verantwortlichen des ProA-Klubs über 2G, Etat und die Aufbauspieler-Suche.
Ein Sommerloch hat es bei Phoenix Hagen in diesem Jahr nicht gegeben. Im Gegenteil, es ging turbulent zu. Nach einer Corona-Saison voller Geisterspiele vollzog der Basketball-Zweitligist personelle Veränderungen, die für Diskussionen sorgten, es gab Streit mit den Fans, ehe eine chaotische Vorbereitung startete. Und dennoch: Bei den Phoenix-Verantwortlichen ist echter Optimismus zu spüren, und das hat gute Gründe. Im traditionellen WP-Gespräch vor der am Samstag beginnenden ProA-Saison in Schwenningen (19 Uhr, sportdeutschland.tv) stellten sich Phoenix-Geschäftsführer Patrick Seidel, Wolfgang Röspel (Aufsichtsratsvorsitzender) und Chris Harris (Trainer) unseren Fragen.
Corona hat Phoenix Hagen eine trostlose Saison 2020/21 beschert, aber die Auflagen für den Sport sind bundesweit deutlich gelockert worden. Geisterspiele sind vorerst Geschichte. Dennoch: Wie sehr hat Corona den Klub Phoenix Hagen noch im Griff?
Patrick Seidel: In puncto Saisonstart hatten wir diesmal keine Unsicherheit, dieser ist ja letztes Jahr nach hinten verlegt worden. Aber die Unsicherheit haben wir beim Thema Zuschauer, da der Bund bislang nur geäußert hat, dass die Kompensation für ausfallende Ticketerlöse nur noch bis Ende dieses Jahres gilt. Es gibt keine Timeline, wann man entscheiden möchte, was danach passiert. Es ist kein Geheimnis, dass wir zu 45 Prozent abhängig von Zuschauereinnahmen sind. Ich rechne vor der Bundestagswahl mit keiner Entscheidung, und danach wird es wohl noch Monate dauern, bis wir wissen, woran wir ab dem 01.01.2022 sind.
Sie haben vor wenigen Tagen den Dauerkartenverkauf gestartet. Wie ist bislang die Resonanz?
Seidel: Die ist überraschend gut, wir haben das Büro die ganze Zeit voll und auch online wurden schon viele Dauerkarten gebucht. Damit haben wir nicht unbedingt gerechnet, weil wir uns dazu entschieden haben, erstmal nicht auf 3G zu gehen. Wir haben bei den Behörden einen Antrag auf 2G mit Vollauslastung gestellt, das finale Feedback dazu erwarten wir noch.
Warum die 2G- und nicht die 3G-Regelung, welche getestete Personen zu Spielen zulässt?
Seidel: Wir haben uns für diesen Weg entschieden, weil es einfacher ist, dann zu lockern, wenn wir wissen, dass 3G für die ganze Saison Bestand hat und keine kurzfristige Lösung ist. Wir wollen nicht jetzt 3G festlegen und dann Wochen später zurückrudern und eine komplexe Ticket-Rückabwicklung vollziehen müssen. Von Sponsoren, Mitarbeitern und Helfern haben wir zu 90 Prozent das Feedback bekommen, dass 2G der richtige Weg ist. Aber natürlich ist das nicht in Stein gemeißelt. Auch wir würden am liebsten allen unsere Türen öffnen. Ergänzen möchte ich aber, dass Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren mit einem nachweislich tagesaktuellen Test in die Halle dürfen.
Wolfgang Röspel: Wir haben uns schon frühzeitig für 2G entschieden, und das auch, weil wir ein Stück Verantwortung übernehmen müssen. Die große Frage ist, wie viele Zuschauer zu unseren Spielen kommen werden.
Geben Sie mal einen Tipp ab: Wie viele Fans werden am 26. September gegen Rasta Vechta in die Halle kommen?
Röspel: Das hängt auch von diesem Samstag ab. Meine Vorstellung ist, dass wir mit einem Sieg in Schwenningen starten und gegen Vechta eine volle Halle haben werden. Ich bin ja Optimist (lacht).
Seidel: Bei aller Vorfreude auf die Saison bin ich etwas zurückhaltender als Wolfgang, wenn ich mir die Zuschauerzahlen von anderen Sportveranstaltungen anschaue. Viele Vereine haben gerade große Probleme, ihre Hallen vollzukriegen. Damit wir wieder einen Zuschauerschnitt von 2500 erreichen, braucht es bestimmt ein Jahr.
Wie ist die Impfsituation im Spieler- und im Trainerteam von Phoenix Hagen?
Seidel: Es ist so, dass unser Staff, das Trainerteam und der Großteil der Mannschaft bereits geimpft sind. Aber zwei Spieler sind noch nicht geimpft. Es ist ein heikles Thema, denn wir beschließen 2G für Zuschauer, aber bei uns selbst sind nicht alle geimpft. Damit sind wir als Vereinsführung nicht glücklich. Aber man kann niemanden dazu zwingen, sich impfen zu lassen, auch nicht als Arbeitgeber.
Ist denn geplant, dass die ungeimpften Spieler noch geimpft werden?
Seidel: Das ist aktuell nicht geplant. Diese Spieler müssen dann wöchentlich getestet werden. Wir müssen das noch mal rechtlich prüfen, aber wir sehen es als Arbeitgeber nicht so, dass wir die Testungen bezahlen müssen, sondern die Spieler selbst.
Mitglieder der Fangruppe Tornados haben beim Rewe Cup in der Krollmann Arena gegen die Mannschaft aus Würzburg gepöbelt und mussten von der Security zurückgehalten werden. Phoenix Hagen hat dies mit einem offenen Brief scharf verurteilt und Konsequenzen angedroht. Hatten Sie seitdem Kontakt mit den Tornados?
Röspel: Am Montagabend werden wir mit einer Abordnung der Tornados ein Gespräch führen.
Seidel: Ich fand es bemerkenswert, dass es nach dem Würzburg-Spiel von den Tornados keine Reaktion gab, weder öffentlich noch intern. Klar ist: Unser offener Brief ist kein Bluff. Ich bin gespannt auf das Gespräch am Montag.
Sind Sie denn auf die Tornados zugegangen oder vice versa?
Seidel: Die Tornados haben uns vor dem Rewe Cup kontaktiert, allerdings sehr kurzfristig, so dass es nicht zu einem Gespräch kommen konnte. Jetzt, nach dem Rewe Cup, sind wir auf sie zugegangen.
Zuletzt wurde der Phoenix-Gesamtetat auf 1,2 Millionen Euro beziffert, allerdings wollten Sie sich offenlassen, das Budget gegebenenfalls noch zu Saisonbeginn nach oben anzupassen. Konnten Sie das tun?
Röspel: Stand jetzt gehen wir mit dem Etatansatz von 1,2 Millionen Euro in die Saison. Wir haben allerdings den Spieleretat angehoben, um Spieler halten zu können. Unterm Strich haben wir ein solides Fundament, auch wenn Corona und jetzt auch noch die Flutkatastrophe manche unserer Sponsoren schwer getroffen hat.
Phoenix ist einer von wenigen ProA-Klubs, die öffentlich ihren Etat preisgeben. Wie ist Phoenix in der „Etattabelle“ einzuordnen?
Seidel: Wir sind Tatsache im unteren Drittel – auch wenn das viele nicht hören wollen.
Und dennoch sind die Playoffs in der nächsten Saison das Ziel?
Röspel: Ja, wir wollen in die Playoffs. Alles andere wäre eine maßlose Enttäuschung. Wir kommen zwar aus einer desaströsen Vorbereitung, aber wie sagt man so schön: Eine schlechte Generalprobe bringt eine glänzende Premiere mit sich.
Sie sprechen die Vorbereitung an. Der Tiefpunkt war die schwere Verletzung von US-Guard Terrell Allen. Wie geht es ihm jetzt?
Chris Harris: Grundsätzlich geht es ihm gut, Terrell ist ein optimistischer und mutiger junger Mann. Er hat jetzt einen langen und schweren Weg vor sich. Er hat sich dazu entschieden, zurück in die USA zu fliegen und will sich dort operieren zu lassen. Beim Abschlussgespräch hat er gesagt, dass er sich in seinen wenigen Tagen hier total wohl gefühlt hat.
Wie sieht es mit einem Ersatz für Allen aus?
Seidel: Wir arbeiten daran und gehen davon aus, dass wir bis zum Vechta-Spiel einen neuen Point Guard haben werden.
Herr Harris, wie viele Aufbauspieler haben Sie sich in diesem Sommer schon angeschaut?
Harris: 96. Heute kamen noch drei Neue hinzu. Das Gute ist, wenn man das so sagen kann, dass wir immer wieder einen Spieler für dieselbe Position suchen. Das macht die Sache etwas einfacher.
Was nehmen Sie denn Positives aus der Preseason mit?
Harris: Wir hatten große Probleme mit Verletzungen, wir konnten teilweise nicht trainieren oder spielen. Das war schwierig zu meistern. Aber wir waren positiv überrascht, wie wir beim Rewe Cup performt haben. Bei uns ist, durch all diese Widrigkeiten, eine Kultur entstanden. Eine Fleißkultur, die unersetzbar ist und die uns ein Vorteil gegenüber anderen Teams sein wird. Wenn wir dazu noch gesunde Körper und einen neuen Aufbauspieler haben, dann haben wir Grund zum Optimismus.
Schauen wir ein paar Jahre in die Zukunft. In vier Jahren wollen Sie mit um den Aufstieg in die BBL spielen, so wurde es in der „Strategie 2025“ festgehalten. Wie groß müsste der Phoenix-Etat sein, um nach dem ProA-Titel greifen zu können?
Röspel: Nun ja, das Beispiel Leverkusen hat gezeigt, dass es nicht nur auf den Etat ankommt. Wenn man ein Team hat, das richtig funktioniert, und dazu etwas Glück, kann man oben mitspielen.
Seidel: Man muss natürlich auch von der Struktur, vom Personal, von der Halle her bereit sein. In dem Jahr, wo man aufsteigt, sollte man bereits die BBL-Strukturen haben. Zum Etat: Ich würde sagen, um eine gesunde Aufstiegschance zu haben, sollte man mindestens zwei Millionen Euro an Etat auf die Beine stellen. Die Aufsteiger der letzten Jahre hatten übrigens, mit Ausnahme von Heidelberg, zwischen drei und dreieinhalb Millionen Euro zur Verfügung.
In zweieinhalb Jahren soll die „ArenaHagen“ am Ischeland fertiggestellt worden sein, Privatinvestor Detlef Spruth und seine Stiftung sehen Phoenix dort als Ankermieter vor. Wie sehr sind Sie in die Hallenplanungen miteingebunden?
Röspel: Wir wären gerne mehr miteingebunden. Aber solange der Spatenstich noch nicht erfolgt ist, weiß wohl keiner so richtig, ob es losgeht oder nicht. Patrick und ich sind beim Oberbürgermeister gewesen – auch er ist der Ansicht, dass Phoenix in Hagen ein Leuchtturm ist und wir in diese Halle gehören. Wir haben mal zusammengerechnet, dass wir pro Jahr auf ca. 2000 Trainings- und Spielstunden kommen – mit allen Mannschaften. Diesen Stundensatz haben wir Eintracht Hagen so mitgeteilt. Zwischenzeitlich ist der Preis aber angestiegen. Ob wir letztendlich in der Halle spielen und trainieren oder nur spielen werden, steht noch nicht fest.
Seidel: Wir könnten vielleicht in der Krollmann Arena ein, zwei Jahre in der BBL spielen, aber mittelfristig wird das nicht funktionieren. Deswegen brauchen wir die „ArenaHagen“ von der Vermarktung und vom Vetrieb her. Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir einen langfristigen Mietvertrag unterschreiben müssen, aber dem ist nicht so. Man kann die Halle auch saisonweise mieten. Das wäre für uns eine Option; zur Saison 2024/25 würden wir in die Halle gehen. Aber erstmal müssten die Rahmenbedingungen feststehen.
Aber die Phoenix-Jugend könnte auch weiterhin in der Krollmann Arena spielen und trainieren, oder?
Seidel: Klar, das ist möglich.
Apropos Jugend: Der Verein Phoenix Hagen e.V. hat wegen Corona schwierige eineinhalb Jahre hinter sich. Wie laufen die Aktivitäten wieder an?
Wolfgang Röspel: Da herrscht große Aufbruchsstimmung, nicht nur bei den Leistungs-Mannschaften. Wir haben tolle Projekte in Grundschulen und Kitas, wo wir wichtige Basisarbeit leisten. Das Projekt „Sport vernetzt“ in Kooperation mit Alba Berlin läuft super an, und ein zweites, ähnliches Projekt mit der Stadt Hagen steht bereits in den Startlöchern. Wichtig ist für uns, die Bewegung der Kinder zu fördern. Was Phoenix da leistet, als Sportverein und Sozialakteur, ist einmalig.
Patrick Seidel: Aus rein wirtschaftlicher Sicht freue ich mich als Geschäftsführer der KGaA (Profibereich von Phoenix; d. Red.) darüber, dass der gesamte e.V.-Bereich sich mittlerweile finanziell selbst trägt, die Profiabteilung also nicht mehr querfinanzieren muss - und das nur drei Jahre nach der Gründung. Das ist außergewöhnlich gut. Das verdanken wir vor allem der tollen Arbeit von Stanley Witt, Michael Wasielewski und Wolfgang.