Gevelsberg. Handballerin aus Gevelsberg lebt und liebt den Handball - auch während und vor allem nach der Geburt ihrer Tochter. So vereinbart sie beides miteinander.
Es ist eine Frage, die sich vielen Sportlerinnen eines Tages stellt, ob auf professioneller Ebene oder im Amateursport. Wie lassen sich Sport und Mutterrolle verbinden, ohne Abstriche bei der Erziehung des eigenen Nachwuchses zu machen? Die Liste der Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen, ist lang. Eine Patentlösung gibt es nicht, zu unterschiedlich können Voraussetzungen und Lebensumstände sein. Was es jedoch zur Genüge gibt, sind positive Beispiele, wie genau der Spagat zwischen Familie und Sport gelingen kann.
Eine der Frauen, die als Mutter Woche für Woche auf dem Feld steht, ist Justine Brockhaus, geborene Hark, von Oberligist HSG Gevelsberg-Silschede.
Gedanken an Comeback seit Kinderwunsch
Die 33-Jährige spielt seit ihrer Kindheit Handball, im September 2021 kam ihre Tochter Malou zur Welt. Dass sie nach der Geburt in ihren Sport zurückkehrt, stand für sie nie infrage. „Der Gedanke daran, wieder auf dem Feld zu stehen, war schon mit dem Kinderwunsch da“, blickt sie heute zurück. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, war auch Brockhaus klar. „Ich bin sehr positiv an die Sache gegangen und hatte das Glück, eine unkomplizierte Schwangerschaft zu haben.“
Familien- und Saisonplanung gingen zu dieser Zeit Hand in Hand, um möglichst wenig Zeit auf dem Feld zu verpassen. Innerhalb ihres Gevelsberger Teams konnte sich Brockhaus dabei auf die nötige Unterstützung sowie auf die Erfahrungen ihrer Teamkolleginnen verlassen, von denen einige bereits Kinder hatten. „Da habe ich viel Input bekommen, konnte mir einiges abschauen, was die Organisation mit einer Familie betrifft. Die Mädels hatten immer ein offenes Ohr für mich.“
Am Anfang kann der Bauch noch verborgen werden
Mit Beginn der Schwangerschaft war klar, dass Brockhaus nicht mehr aktiv am sehr körperlichen Handballgeschehen teilnehmen kann. Daher trieb sie schon früh die Frage um, wann der richtige Zeitpunkt ist, um dem Team davon zu erzählen. Dieses Problem erledigte sich jedoch von selbst, da Kontaktsport zu dieser Zeit aufgrund der Corona-Krise verboten war. „Es gab keinen persönlichen Kontakt. Bei Zoom-Konferenzen, in denen wir zusammen von zuhause aus Sport gemacht haben, konnte ich das noch ganz gut verbergen“, spricht Brockhaus über ihr Vorgehen.
Mit dem Verkünden der freudigen Nachricht stand die werdende Mutter vor der Frage, wie sie, ohne zu spielen, weiterhin Teil des Teams bleibt. Dabei halfen ihr die langjährigen Bindungen zu ihren Teamkolleginnen, zu denen auch ihre Schwester Eva Hark zählt. „Ich habe jeden Tag mit Eva gesprochen und Updates bekommen, das war mir ganz wichtig.“
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Dazu ließ es sich Brockhaus nicht nehmen, selbst an möglichst vielen Aktivitäten teilzunehmen. Im Verlauf ihrer Schwangerschaft war sie häufig als Zuschauerin beim Training, fuhr bei Laufeinheiten mit dem Fahrrad nebenher und suchte durch viele Gespräche den Kontakt zu ihren Mitspielerinnen. „Es ist nicht das Gleiche, weil einem die Gespräche auf dem Feld fehlen“, so Brockhaus. „Trotzdem war es mir wichtig, in Kabinensituationen dabei zu sein, um möglichst nah am Team zu sein.“
Erstes Spiel noch in 2021
Nach gut verlaufener Schwangerschaft kam Tochter Malou an einem Freitag im September gesund zur Welt. Dass der Handball auch weiterhin eine große Rolle in der Familie Brockhaus spielen würde, zeigte sich schon am nächsten Tag. Der frisch gebackene Vater Yannick Brockhaus, inzwischen als Trainer in Volmetal aktiv, stand am Samstagabend schon wieder für die RE Schwelm auf dem Feld, parallel spielten die HSG-Frauen in Hohenlimburg. Justine Brockhaus ließ es sich nicht nehmen, direkt nach dem Spiel aus dem Krankenhaus heraus mit dem Team zu telefonieren, um sich das Spiel szenengenau erklären zu lassen.
„Ohne die Unterstützung der Familie wäre es nicht möglich, den Handball so zu leben, wie Yannick und ich das machen.“
Für die eigene Rückkehr auf das Feld steckte sich Brockhaus ein ehrgeiziges Ziel. „Ich wollte unbedingt beim letzten Spiel des Jahres in Bommern wieder dabei sein.“ Das gelang ihr auch, unter bemerkenswerten Umständen. Kurz vor dem Spiel sowie direkt nach dem Abpfiff ging es ins Auto, um dort ihre Tochter zu stillen. Die Emotionen von diesem Tag lassen sich laut Brockhaus nur schwer beschreiben. „Ich war super aufgeregt und glücklich, dass das alles so geklappt hat.“ Zwar seien Kraft und Kondition fast vollständig weg gewesen und das Körpergefühl ein komplett anderes, doch darum ging es ihr an diesem Tag nicht. „Ich war froh, wieder dabei zu sein und habe gemerkt, dass es trotzdem noch reicht. Das Ergebnis an dem Tag war mir fast egal.“
Organisation mit Hilfe der Familie
Seit drei Jahren vereint Brockhaus inzwischen Mutterrolle und Handball, nimmt aber nur noch an einer von zwei wöchentlichen Trainingseinheiten teil. Ein Spiel hat sie bislang nicht verpasst, was sie nicht zuletzt der Unterstützung ihrer Familie und der Familie ihres Mannes zu verdanken hat, die beide seit vielen Jahrzehnten im Handball aktiv sind. Ihre Mutter wohnt im gleichen Haus, die Tanten haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zum jüngsten Familienmitglied. „Ohne die Unterstützung der Familie wäre es nicht möglich, den Handball so zu leben, wie Yannick und ich das machen“, ist sich Brockhaus sicher.
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Im Vergleich zu der Zeit vor der Geburt ist der Planungsaufwand deutlich höher geworden, Trainings- und Spielpläne von beiden Elternteilen müssen mit den Terminen der Familien abgeglichen werden. Entscheidend dabei ist, dass ihr Kind dadurch keine Nachteile erfährt. „Ich bin froh, dass ich meine Interessen als Mutter ganz normal weiterleben kann und unsere Tochter keine Einschränkungen erlebt, weil wir so eine starke und tolle Familie im Rücken haben“, erklärt die 33-Jährige die Bedeutung ihrer Familie für ihre Handballkarriere.
Diese Unterstützung stand für ihren Ehemann von vornherein außer Frage. „Es war immer klar, dass Jussy wieder spielen wird, wir sind beide in Handballfamilien großgeworden. Ihre Mutterrolle sollte nicht dazu führen, dass sie zuhause bleibt und den Handball aufgibt“, unterstreicht Yannick Brockhaus. Beiden ist klar, dass ihre Familiengeschichte nicht repräsentativ ist für andere Frauen mit Kinderwunsch. „Unsere Voraussetzungen waren perfekt, das kann man nicht überall erwarten“, sagt Justine Brockhaus über ihre Situation. „Trotzdem kann es für manche Frauen ein Beispiel sein, welches Mut macht.“
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