Arnsberg. Mit seiner Doping-Beichte entfachte Jan Ullrich eine Diskussion. Jörg Scherf antwortet auf die Frage, wie sauber der Radsport ist.

In puncto Radsport ist Jörg Scherf so etwas wie eine Instanz im Sauerland. Gemeinsam mit vielen Partnern und Helfern legte er die Basis für das Gastspiel der Deutschland Tour vor wenigen Monaten. Zudem trägt die jährliche Sauerland-Rundfahrt seine Handschrift. Und als Sportlicher Leiter des Saris Rouvy Sauerland Team kurbelt Scherf die Radsport-Begeisterung zusätzlich an. Torpediert die plötzliche Doping-Beichte des einstigen Tour-de-France-Siegers Jan Ullrich nun alle Bemühungen?

Ullrich: Beichte soll Wendepunkt sein

In einem Münchner Kino gab Ullrich, der einstige Superstar, erstmals direkt zu, während seiner Rad-Karriere gedopt zu haben. Für den Tour-Sieger von 1997 soll diese späte Beichte ein Wendepunkt sein in seinem aufgewühlten Leben, das als Radmärchen begann und zu einem Doping-, Alkohol- und Drogen-Albtraum wurde. „Mein Rucksack ist bedeutend leichter geworden“, sagte der 49-Jährige noch bei der Vorstellung einer vierteiligen Dokumentation („Jan Ullrich - Der Gejagte“, Amazon Prime Video, ab 28. November).

Herr Scherf, wie überraschend kam für Sie diese „Beichte“?

Jörg Scherf: Für mich kam sie gar nicht überraschend. Diese späte Beichte hätte aber meines Erachtens auch etwas früher kommen können, denn irgendwie hat es ja sowieso jeder gedacht. Ich kenne Jan Ullrich nicht persönlich, aber er begeistert immer noch viele Radsportfans. Ich glaube, er hatte sehr viele falsche „Berater“ und keine gute Strategie. Auf mich wirkt die Beichte jetzt etwas kommerziell. Aber besser so, als nie.

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Dennoch muss es Sie als Radsport-Enthusiasten und -Macher doch nerven, dass jetzt wieder alle über Doping im Radsport sprechen.

Das Thema darf nicht verschwiegen werden. Es muss beachtet werden. Die typische deutsche moralische Zeigefinger-Berichterstattung vor einigen Jahren nervte. Die aktuelle Auseinandersetzung der Medien mit dem Thema finde ich sogar sehr gut.

Jörg Scherf während einer Etappe der Deutschland Tour. 
Jörg Scherf während einer Etappe der Deutschland Tour.  © Mario Stiehl

Wie sauber ist der Radsport?

Ich glaube, der Radsport ist mittlerweile viel sauberer als noch vor Jahren. Allerdings wird er wohl nie ganz clean sein. Immer wieder auftauchende positive Tests zeigen das ja. Trotzdem gibt es nicht mehr diese Dopingkultur.

Natürlich guckt man jedem nur vor den Kopf - aber ich glaube, dass wir sauber sind.
Jörg Scherf, Teamchef Saris Rouvy Sauerland Team

Man kann also nie ganz ausschließen, dass Doping noch stattfindet?

Meines Erachtens wird es immer wieder Sportler geben, die in Richtung Doping etwas versuchen. Deshalb sind regelmäßige und konsequente Doping-Tests sehr wichtig. Einhergehend damit muss es von Seiten des Verbandes eine intensive Aufklärung über das Thema bereits bei den Nachwuchsfahrern geben. Diese findet ja auch statt.

Ihre Fahrer vom Saris Rouvy Sauerland Team werden wie Leichtathletik-Star Gina Lückenkemper, Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte und Co. regelmäßig von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) besucht und kontrolliert?

Wir sind als Team bei der UCI (Internationaler Dachverband, Anm. d. Red.) registriert, um bei Pro-Rennen wie der Deutschland Tour starten zu dürfen. Deshalb sind wir nicht nur auf dem Schirm der Nada, sondern auch im internationalen Testpool. Unsere Nationalfahrer müssen ihre Standorte tagesaktuell melden und werden regelmäßig auch zu Hause besucht. Natürlich guckt man jedem nur vor den Kopf - aber ich glaube, dass wir sauber sind. Wir haben keine Penner im Team, die dopen.

Personalien bei Saris Rouvy

Ab dem 1. Januar 2024 wird das Saris Rouvy Sauerland Team einen neuen Namen erhalten und dann Rembe Pro Cycling Team Sauerland heißen. In der Personalplanung für die neue Saison als Kontinental-Team im Profi-Radsport herrscht personelle Kontinuität. Kapitän Dominik Bauer wird die Equipe verlassen, doch der Rest des Teams hat verlängert. Verpflichtet wurden bereits drei neue Fahrer. Erneut sind darunter mit Tom und Lukas van der Valk Zwillinge. Zudem kommt Sebastian Niehues.

Man sieht immer wieder Bilder in sozialen Netzwerken, wenn die Prüfer morgens in aller Herrgottsfrühe die Sportler aus dem Bett geklingelt haben.

Dazu ein Schwank aus der Vergangenheit. Vor Jahren wurden vor einer der ersten Sauerland-Rundfahrten in der Vorwoche alle unserer Fahrer abends um 21 Uhr besucht und getestet. Es passiert im Hintergrund also sehr viel im Radsport, wovon andere Sportarten, wie der Fußball zum Beispiel, vermutlich gar nichts ahnen.