Schmallenberg-Bödefeld. Er flüchtete vom Sportplatz, wird immer wieder beleidigt und bedroht: Seit 22 Jahren pfeift ein Bödefelder im Amateurfußball. Jetzt reicht’s ihm.

Als Schiedsrichter in der Fußball-Kreisliga A erhalte er 27 Euro Aufwandsentschädigung, dazu 30 Cent pro Kilometer an Fahrtkosten, erzählt Achim Knipschild. In den vergangenen beiden Spielzeiten erlebte er üble Vorfälle, versteckte sich nach einer Partie in Finnentrop-Schönholthausen in einer nahen Imbissbude, musste Zuschauer wiederholt von Sportanlagen verweisen und hatte noch im September bei einer wilden Partie der Kreisliga A HSK in Olsberg-Bruchhausen Angst um seine körperliche Unversehrtheit.

Körperliche Gewalt habe er bislang „zum Glück nicht erfahren“, sagt der 50-Jährige. Und dennoch: Schiedsrichter Achim Knipschild reicht es jetzt. „Wir sind die Blitzableiter für die Probleme, die im Alltag der Menschen auftreten“, sagt er.

Schiedsrichter aus Bödefeld kritisiert Entwicklung

Dem erfahrenen Unparteiischen, der als selbstständiger Versicherungsmakler in seiner Heimat Schmallenberg-Bödefeld arbeitet, geht es nicht darum, nur anzuklagen. Knipschild will auf Probleme hinweisen, die wohl jeder Schiedsrichter in dieser oder ähnlicher Form kennt – doch die Vorfälle häuften sich zuletzt. Überall. „Dieser fehlende Respekt ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem. Das kennen Lehrer oder Polizisten auch“, betont er. Unparteiische müssten, vor allem in den unteren Ligen des Amateurfußballs, immer wieder mit lautstarker Kritik und Sorgen vor der eigenen körperlichen Unversehrtheit umgehen.

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Insgesamt seit 22 Jahren (familiäre Pause von 2006 bis 2016) pfeift Achim Knipschild Fußballspiele, zumeist im heimischen Hochsauerlandkreis. Er pfiff früher auch in der Bezirksliga und als Assistent in der Landes- und Verbandsliga. Knipschild nennt mehrere Beispiele von Ligapartien, in denen es in der vergangenen Saison 2022/2023 und in der laufenden Spielzeit 2023/2024 für ihn ungemütlich geworden sei.

Achim Knipschild ist Schiedsrichter aus Schmallenberg-Bödefeld.
Achim Knipschild ist Schiedsrichter aus Schmallenberg-Bödefeld. © Steffi Rost

Am 8. Spieltag der Kreisliga A HSK pfiff der Bödefelder ein denkwürdiges Freitagabendspiel: Der FC Bruchhausen-Elleringhausen bezwang vor wenigen Wochen auf heimischem Platz in Bruchhausen die SG Eversberg/Heinrichsthal/Wehrstapel mit 7:6. Mehrfach wechselte die Führung, die Emotionen kochten im Verlauf der wilden Partie hoch. „So ein Spiel habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt“, sagt Knipschild und ergänzt: „Während des Spiels wurde ich massiv von Spielern und Zuschauern der Heimmannschaft attackiert und beschimpft.“ Der Ordnungsdienst des Heimteams habe gefehlt, also forderte Knipschild diesen an.

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Zuschauer äußerten sich aus Sicht des Unparteiischen wiederholt äußerst kritisch und beleidigend gegenüber dem Schiri, der in der 79. Minute einen Spieler des FC Bruchhausen-Elleringhausen mit Gelb-Rot vom Platz stellte. Es seien weitere Beleidigungen gefolgt. Nach der Partie, die der FC noch 7:6 gewonnen hatte, habe sich die Situation immer noch nicht beruhigt, erzählt Knipschild: „Der Ordnungsdienst hat mich auch nach dem Spiel auf dem Weg ins Sportheim und im Sportheim nicht beschützt.“

Strafe für den FC Bruchhausen-Elleringhausen

Weil er sich durch Zuschauer und Spieler des Heimteams „massiv bedroht gefühlt“ habe, habe er sich zunächst beim Gast, der SG Eversberg/H./W., aufgehalten. Im Sportheim des FC habe er sich etwas später aufgehalten und auch dort seien seine Entscheidungen aus dem Spiel weiter lautstark abwertend kommentiert worden.

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Nach dem Eintrag der Vorkommnisse in den Spielbericht leitete das Kreissportgericht des Fußballkreises HSK ein schriftliches Verfahren ein. Der FC Bruchhausen-Elleringhausen wurde zu einer Geldstrafe von 350 Euro verurteilt. Der Verein sei bereits für ein ähnliches Vergehen bestraft worden.

Insbesondere die Aussage des FC, dass ihm als Schiedsrichter „das Spiel komplett entglitten“ sei, stört den Bödefelder sehr: „Es gab überhaupt keine Einsicht zum eigenen Verhalten. Im Gegenteil: Diese Aussage zeigt fehlenden Respekt gegenüber Schiedsrichtern.“ Die Strafe erachte er als „zu gering für einen Wiederholungsfall“.

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Knipschild kann von weiteren, ähnlichen Vorfällen berichten. Ende November 2022 pfiff er in der Kreisliga A Olpe eine Partie in Finnentrop-Schönholthausen. Zuschauer und Spieler der Gäste hätten andauernd gemeckert. „Es wurde so schlimm, dass ich bei Abpfiff an der Außenlinie stand und schnell in der nahen Imbissbude verschwunden bin, weil ich richtig Angst hatte“, erzählt er. Im Mai 2023 habe er bei einem Spiel der A-Liga HSK in Medebach einen Zuschauer der SG Giershagen/Hoppecketal/Padberg von der Platzanlage verwiesen – aufgrund andauernder Kritik. Immerhin: Körperlich angegangen worden sei er bislang noch nicht.

Schiedsrichter kennt auch die Vereinsseite

Achim Knipschild kennt auch die andere Seite, die Vereinsseite. Mehr als zehn Jahre lang war er unter anderem als Vorsitzender und Abteilungsleiter des TuS Bödefeld tätig. Er möchte jetzt aufrütteln, neue Debatten beispielsweise über härtere Strafen wie Geisterspiele, längere Sperren oder die Einführung von Zeitstrafen anregen. Er sei nicht frei von Fehlern, betont der erfahrene Unparteiische, „natürlich passieren diese auch mir“.

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Gleichwohl sei ihm vor allem wichtig, dass Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgrund der Zunahme an Vorfällen von Beleidigungen oder gar körperlichen Angriffen auf Schiedsrichter nicht die Lust auf das Hobby als Unparteiischer genommen wird. „Ich lasse mir mein Hobby nicht kaputtmachen“, sagt Achim Knipschild, „aber es muss sich dringend etwas ändern.“

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