Herdecke/Arnsberg. Fabian Ampezzan, Reporter dieser Zeitung, erlebt den Aufstiegs-Tag des Handball-Landesligisten SG Ruhrtal hautnah mit. Sein Erlebnisbericht:
Samstag, 3. Juni, kurz vor 14 Uhr: Mit dem Auto geht’s für mich von meinem Wohnort Neheim aus nach Oeventrop. Das Wetter könnte kaum besser sein: strahlender Sonnenschein bei etwas böigem Wind.
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Heute begleite ich die Handballer der SG Ruhrtal beim Wunsch, etwas Historisches zu schaffen: den ersten Aufstieg in die Verbandsliga in 50 Jahren Vereinshistorie. Der Plan: Ich fahre mit den Anhängern und dem Team im Fanbus zum entscheidenden Rückspiel der Relegation nach Herdecke. Es wird ein unvergesslicher Tag.
SG Ruhrtal: „Tiger“ Mähl ist optimistisch
Um 14.15 Uhr erreiche ich die Ruhrtalhalle, unseren Treffpunkt. Es ist der Ort, an dem sich die SG Ruhrtal in der Woche zuvor mit dem 31:26-Hinspielsieg eine klasse Ausgangsposition verschafft hat. Auf dem Parkplatz treffe ich den SGR-Ehrenvorsitzenden Christoph Schmidt, der trotz gezerrter Achillessehne frohen Mutes ist. Wir gehen gemeinsam die paar Meter in Richtung Halle, an der uns schon die erste Menschentraube erwartet. „Ich sehe schon den rot-grünen Siegeshimmel“, sagt einer. Das nenne ich Selbstbewusstsein!
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Nach und nach trudeln meine Mitfahrer am Fanbus ein. Es werden mehr als 100 sein. Unter ihnen auch Ex-Coach Frank „Tiger“ Mähl, der 2016 mit der SG Ruhrtal in die Bezirksliga aufstieg. Am Tag zuvor stieg sein Sohn Phillipp bereits mit der DJK SG Bösperde in die Verbandsliga auf. Sein zweiter Sohn, Yannick, kann an diesem Samstag nachziehen. „Wenn nicht jetzt, wann dann soll für die SG Ruhrtal der Sprung in die Verbandsliga klappen?“, fragt mich Mähl.
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Um 14.54 Uhr setzen sich die zwei eingesetzten Busse in Bewegung. Ich darf in dem Bus mitfahren, in dem Vorstand, Mannschaft, Betreuerstab und einige Fans mit dabei sind. Der andere Bus gehört nur SGR-Anhängern. Vor mir sitzt der Vorsitzende Stefan Frimmel, der erst Samstagmorgen von einer Dienstreise zurückgekehrt ist. „Wir können etwas Geschichtsträchtiges schaffen. Der Meistertitel in der Landesliga war schon etwas Einmaliges. Ich bin frohen Mutes.“ Die Stimmung im Bus Nummer eins ist blendend. Alle sind gut gelaunt, voller Vorfreude und mir gegenüber sehr herzlich.
Ich erfahre unter anderem, dass Leistungsträger Aaron Humpert aufgrund einer Hochzeit in München nicht spielen wird. Öffentlich bekannt war das bis dahin noch nicht. „Man muss ja nicht immer alles vorher verraten“, sagt Frimmel. Meine Sitznachbarin ist Silke Biggermann, Ehefrau von Torwart Stefan Biggermann. Gut für mich: Sie ist für den Getränkeverkauf zuständig. Verdursten werde ich also nicht. Wir kommen ins Gespräch und bieten uns schnell das „Du“ an. „Sie hätten den Aufstieg auf jeden Fall verdient. Ich denke, das würde ihnen jeder in Oeventrop und Freienohl wünschen“, sagt Biggermann.
Security in Herdecke
Nach gut einer Stunde Fahrt kommen wir in Herdecke an. Etwas ungläubig schaue ich in Richtung Eingang der Bleichsteinhalle: Security-Personal wird eingesetzt. Das kannte ich auf diesem Niveau so auch noch nicht. Eine Maßnahme der HSG Herdecke/Ende aufgrund der Vorfälle von unflätigen Äußerungen einer kleinen, nicht SGR-angehörigen Minderheit im Hinspiel? Nachher erfahre ich, dass sich durch das Hinzuziehen dieses Personals die Gästekarten von ursprünglich fünf auf zehn Euro verteuerten. Doch die Mannschaft übernahm gemeinschaftlich den Differenzbetrag. Es ist ein weiterer Beleg dafür, wie stark das Band zwischen Mannschaft und Fans ist.
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In der Halle angekommen, die ich als aktiver Sportler zu den etwas besseren zählen würde, checke ich mein Equipment. Währenddessen werden im Gästeblock, der quasi aus allen Nähten platzt, rote und grüne Fahnen verteilt. Unter den Zuschauern sind auch Oscar Santos (SSV Meschede) und Kevin Erpelding (TV Arnsberg) – das Handball-Sauerland hält anscheinend zusammen. Die SGR-Anhänger machen mit Trommeln und Rascheln schon vor der Partie mächtig Radau. Zu „Hells Bells“ von ACDC laufen die beiden Mannschaften ein. Im Block der SG Ruhrtal entsteht derweil mit einem Banner in den Vereinsfarben sowie den geschwenkten Fahnen ein fantastisches Bild. Das allein hätte schon die Verbandsliga verdient gehabt.
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Um 17 Uhr wird die Partie angepfiffen. Die SG Ruhrtal erwischt einen Traumstart und führt schnell mit 6:3 nach zehn Minuten. Jedes Tor, jeder Block und jede Torwart-Parade wird von den Fans frenetisch bejubelt. Nach 21 Minuten steht es 13:5 und das trotz zeitweise doppelter Unterzahl. „Hier regiert die SGR!“ schallt es aus dem Block.
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Zurecht! 16:12 zur Halbzeit. Bereits jetzt herrscht Partystimmung. Doch eine Hälfte ist noch zu spielen. Die HSG Herdecke/Ende versucht mit einer offensiven Deckung noch einmal alles und holt Tor um Tor auf. Doch um 18.33 Uhr ist es soweit: Die Partie geht für die Gäste zwar mit 28:29 noch verloren, doch es ist wohl die schönste Niederlage der Vereinsgeschichte. Der Aufstieg in die Verbandsliga ist perfekt.
Alle Leiden sind jetzt egal
Jetzt kennt der Jubel keine Grenzen: Fans laufen auf das Spielfeld und feiern mit der Mannschaft. Es folgen Bierduschen, zahlreiche Gesänge und Umarmungen. Der Startschuss zur großen Party ist gefallen. „Wir haben uns den Aufstieg vorher gewünscht – und nun haben wir ihn tatsächlich geschafft. Das ist Wahnsinn! Auch, was unsere Fans für Zeit und Geld in die Unterstützung mit Fahnen oder Banner investiert haben. Jetzt wird gefeiert bis zum Abwinken“, sagt der überragende SGR-Torwart Henrik Basler, der am Tag zuvor 27 Jahre alt wurde und in den vergangenen Jahren mit schweren Verletzungen viel leiden musste.
SG Ruhrtal- Sieg gegen Herdecke/Ende - unsere besten Bilder
Knapp eine Stunde wird in der Halle noch gefeiert. Ich halte derweil angenehmen Small-Talk mit dem ehemaligen Spielern Jan und Timo Gierse, ehe es wieder zum Bus geht. Vor diesem brennen Fans der SG Ruhrtal nun rote und grüne Pyrotechnik ab. Irre! Im Bus nehmen die Feierlichkeiten dann richtig Fahrt auf. Viele Kaltgetränke samt Frikadellen werden gereicht, es folgen Partymusik und Gesänge, bei denen ich auch dann mal schmunzeln muss.
SGR-Ehrenvorsitzender Christoph Schmidt hält eine kleine Rede: „Was hier heute abgelaufen ist, das ist einfach nur großartig. Ihr habt 100 Prozent geleistet!“ An der Gaststätte „Säuerländischer Hof“ in Oeventrop endet kurz nach 21 Uhr die Rückfahrt. Uns erwartet die nächste Pyro-Show. Ehe die Party weitergeht, verabschiede ich mich. Dieser Tag geht in die Vereinsgeschichte der SG Ruhrtal ein – und wird mir im Gedächtnis bleiben.