Winterberg. Sandra Kiriasis fuhr Erfolge am laufenden Band ein. Laura Nolte könnte in ihre Fußstapfen treten. Einer, der es wissen muss, vergleicht.
Als Sandra Kiriasis in Gedanken versunken, voller Glückseligkeit auf dem Siegerpodest der deutschen Nationalhymne zuhörte, war diese junge Frau erst sieben Jahre und knapp drei Monate alt – und dachte vermutlich nicht im Traum daran, Bobfahrerin werden zu wollen. Von Unna, ihrer Geburtsstadt, ist der Weg an die Lenkseile eines Bobs doch arg weit. Aber Laura Nolte bewältigte ihn. Sie schickt sich sogar an, die großen Fußstapfen, die Sandra Kiriasis hinterließ, vielleicht schon bei den Olympischen Winterspielen in Peking auszufüllen – nicht komplett, aber einen Teil davon.
Das sagt Bernhard Lehmann
„Ich gehe davon aus, dass sie eine Medaille holen wird“, sagt Bernhard Lehmann im Gespräch mit dieser Zeitung über die 23-jährige Pilotin des BSC Winterberg, deren Werdegang er seit Jahren mit Interesse verfolgt. Schließlich ist Bernhard Lehmann nicht irgendwer, sondern ein erfolgreicher Bobfahrer der damaligen DDR. Dreimal startete der heute 73-Jährige bei Olympischen Winterspielen, gewann als Anschieber die Goldmedaille und holte als Pilot 1984 in Sarajevo Silber in beiden Schlitten sowie 1988 in Calgary im Zweierbob Bronze.
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Nach der Karriere an den Lenkseilen wurde er Trainer. Als solcher machte er Sandra Kiriasis zur Rekordweltmeisterin mit sieben Titelgewinnen und Rekord-Gesamtweltcupsiegerin mit neun Triumphen. 2006 gewann Kiriasis als Pilotin des BSC Winterberg bei den Olympischen Winterspielen in Turin mit Anschieberin Anja Schneiderheinze die Goldmedaille im Zweierbob. Seitdem wartet das Sauerland auf die nächste Bob-Medaille.
So lockte Lehmann Kiriasis
Laura Nolte könnte diese – in welcher Farbe auch immer – im Yanqing National Sliding Centre holen. Erkennt Lehmann in Nolte gar die junge Kiriasis?
„Die beiden sind vom Charakter her ganz unterschiedliche Typen“, antwortet er. Auch der Start in die Karriere verlief anders. Sandra Kiriasis begann als Rennrodlerin „und hatte sich vom Sport bereits entfernt, bevor ich sie gefragt habe, ob sie das Bobfahren nicht mal ausprobieren wollte“, sagt Lehmann. Nach den ersten Fahrten im Jahr 2000 in Winterberg wurde der Aufstieg in die internationale Spitze „fast ein Selbstläufer“.
Nolte mit YOG-Gold
Laura Nolte durchlief einen Einstieg in den Bobsport, der heutzutage als klassisch bezeichnet werden darf. Nach sportlichen Anfängen in der Leichtathletik folgte 2015 der Wechsel in den Bob. Bereits bei den Olympischen Jugend-Winterspielen 2016 in Lillehammer gewann sie im Monobob die Goldmedaille. Die Premierenfahrt im Weltcup der Frauen folgte vor gut zwei Jahren ausgerechnet in Winterberg. Seitdem rockt sie mit ihrer Anschieberin Deborah Levi die Eiskanäle.
„In Laura steckt viel Ehrgeiz, sie fährt gut und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen“, sagt Bernhard Lehmann über die junge BSC-Pilotin, die 2021 bei der WM in Altenberg jeweils Bronze im Zweierbob und im Monobob gewann – und zuvor den Titel bei der Junioren-Weltmeisterschaft in St. Moritz holte. Dass sich Nolte schnell mit der für die Frauen neuen Disziplin Monobob anfreundete, lobt Lehmann. „Der Monobob ist mit so viel Fingerspitzengefühl zu lenken. Wenn du den beherrscht, hilft dir das auch im Zweier enorm“, sagt er.
Nolte wie Kiriasis?
Aber ob Laura Nolte die Bobszene so dominieren wird wie Sandra Kiriasis es tat? „Diese Frage kann man jetzt noch nicht beantworten“, sagt Bernhard Lehmann. Das Potenzial dazu sieht er in der jüngsten Pilotin des Trios, welches Chef-Bundestrainer René Spies in Peking an den Start schickt. Am Freitag geht es nach der Enttäuschung im Monobob weiter mit den ersten beiden Läufen im Zweierbob (13 Uhr / 14.30 Uhr MEZ). Mariama Jamanka und Kim Kalicki komplettiert das Team.
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Gut 24 Stunden später könnte Laura Nolte dann in Peking einen Moment erleben, wie ihn Sandra Kiriasis 2006 in Turin erlebte – fast auf den Tag genau 16 Jahre nach dem bis dato letzten Bob-Gold für das Sauerland.