Yanqing/Winterberg. Bob-Anschieber Matthias Sommer (Winterberg) gelang mit Pilot Christoph Hafer die Überraschung bei Olympia. Seine Karriere stand kurz vor dem Aus.
Als seine Pflichten erfüllt waren, als der Bob also im Eiskanal des Yanqing National Sliding Centre stand und von Betreuern umringt wurde, sprang Matthias Sommer aus dem Sportgerät. In diesem saß er zuvor zusammengekauert hinter Pilot Christoph Hafer und dachte: nichts. Im Ziel musste Sommer raus, was auch für seine Emotionen galt: Sie mussten raus. Er ballte die Fäuste, er schrie die Werbebanden an. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass der Medaillentraum, den der Anschieber des BSC Winterberg wie Skeletoni Hannah Neise offiziell nicht zu träumen wagte, Realität geworden war – und Sommers lange Leidenszeit ein zudem historisches Happy End fand.
Tränen bei René Spies
Denn erstmals in der Geschichte der Olympischen Winterspiele raste eine Nation zum Dreifach-Erfolg. Bob-Dominator Francesco Friedrich setzte sich mit Anschieber Thorsten Margis in China nach vier Läufen mit 0,49 Sekunden Vorsprung vor seinem Teamkollegen Johannes Lochner und Florian Bauer durch.
Matthias Sommer: Zwei JWM-Titel
Matthias Sommer (30) stammt aus Schwerte und startete seine Karriere im Bob von Johannes Lochner. Mit ihm gewann er im Viererbob 2016 sogar den Titel bei der Junioren-WM in Winterberg. Auch 2018 holte Sommer bei der JWM Gold, dieses Mal im Vierer von Pilot Pablo Nolte. Ein Jahr später wechselte Matthias Sommer ins Team von Christoph Hafer.
Christoph Hafer und Matthias Sommer sorgten mit ihrer Bronzemedaille für die eigentliche Überraschung. 1,69 Sekunden betrug ihr Rückstand auf Friedrich und Margis – aber das ist nicht mehr als eine Randnotiz. „Wir fahren gegen Francesco und Johannes. Es ist eine Ehre, mit ihnen gemeinsam auf dem Podest zu stehen“, sagte Christoph Hafer.
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Selbst der aus Winterberg stammende Chef-Bundestrainer René Spies konnte sich die Freudentränen nicht verkneifen, weil er einfach überglücklich und mega-stolz war. „Einfach nur unglaublich, was alle drei hier geleistet haben. Wir haben es ja im Monobob gesehen, wie selektiv die Bahn ist. Dass vor allem Christoph noch aufs Podest fährt, das war super. Sie waren alle fahrerisch auf einem super Niveau – einfach nur toll“, sagte Spies.
Auch ihm imponierte, dass Hafer und Sommer im dritten der vier Läufe auf Rang drei fuhren und im finalen Lauf sogar Attacken etablierter Piloten abwehrten. Im Vorfeld hoch gehandelte Teams wie jenes von Oskars Kibermanis (Lettland) oder Justin Kripps (USA) mussten sich mit den Plätzen neun und zehn zufrieden geben.
Stattdessen baumelte die Bronzemedaille irgendwann um den Hals des Anschiebers vom BSC Winterberg. „Wir sind nicht das Team, das mit den Topzeiten mithalten kann“, erzählte Matthias Sommer noch im Vorfeld seiner Olympia-Premiere und verwies auf die Weltcupergebnisse des vergangenen Winters. Tatsächlich ließen diese auf eine so genannte Anschlussplatzierung irgendwo zwischen Rang vier und sechs tippen.
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Doch selbst diese wäre speziell für den 30-jährigen Sommer, der aus Schwerte stammt, ein Top-Ergebnis gewesen. Weil die Olympischen Winterspiele in China nicht nur seine ersten sind, sondern der Höhepunkt seiner Comeback-Saison. Den kompletten Winter 2020/21 verpasste Sommer auf Grund einer Knieverletzung. Zu diesem Zeitpunkt hing die Karriere des ehemaligen Sprinters am seidenen Faden, ob und wie es für ihn im Sport weitergehen würde, war ungewiss.
Die Kunst des Piloten
Allerdings kämpfte sich Sommer durch eine schwierige Reha zurück, zurück ins Team Hafer und sogar zurück in den Bob. Erst kurz vor dem Weltcupfinale entschied sich der Pilot, bei den Olympischen Winterspielen auch im Zweierbob mit dem BSC-Anschieber anzutreten. Zwar rangierte das Duo am Start eher im hinteren Drittel des Feldes, aber in der Bahn fand Hafer die passende Linie.
Und: Den entscheidenden vierten Lauf eröffneten sie so schnell wie nie zuvor – angetrieben vom Anschieber des BSC. Der hockte sich anschließend in den Bob und reckte den Kopf vor der Zielkurve kurzzeitig zu früh aus dem Bob und im Ziel endgültig nach oben. Was er auf der Anzeigetafel sah – ließ die Emotionen überkochen. Schlusswort des Piloten: „Die Nerven waren schon da, aber wir konnten sie zum Glück gut im Zaum halten.“ Im Bob.