Sauerland. Der Moderne Fünfkampf soll nach einem Eklat bei den Olympischen Spielen nun ohne Reiten ausgetragen werden. Darum üben HSK-Reitsportler Kritik.

Diese Nachricht sorgt für Aufsehen: Die Union Internationale de Pentathlon Moderne (UIPM), der weltweite Dachverband aller nationalen Sportverbände für den Modernen Fünfkampf, plant nach Berichten mehrerer Medien, das Reiten im Zuge des Modernen Fünfkampfes zu streichen. Künftig soll stattdessen eine Radsportkonkurrenz ausgetragen werden.

Diese Entscheidung soll der Dachverband als Folge aus einem Skandal bei den Olympischen Sommerspielen in diesem Jahr in Tokio getroffen haben. Reitsportler im Hochsauerlandkreis üben Kritik, haben aber auch Verständnis.

Olympische Spiele: Gerte, Tränen, Verzweiflung

Rückblick: Die deutsche Athletin Annika Schleu war im vergangenen Sommer bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio angetreten – und lag zum Zeitpunkt der Austragung des Einzels im Springreiten im Modernen Fünfkampf auf Goldkurs. Weil das ihr zugeloste Pferd Saint Boy jedoch mehrfach Sprünge verweigerte und sich nicht kontrollieren ließ, versuchte Schleu unter Tränen, das vollkommen verängstigte Tier mit Einsatz von Gerte und Sporen zurück in den Parcours zu bringen. Überdies hatte die deutsche Bundestrainerin Kim Raisner sie dazu mit einem heftig umstrittenen Zuruf („Hau drauf, hau richtig drauf!“) animiert. Raisner hatte dem Tier zudem einen Schlag mit der Faust verpasst.

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Letztlich nutzte all das nichts, Schleus Traum von einer Goldmedaille war nach der Disqualifikation geplatzt. Sowohl der Athletin als auch der Bundestrainerin wurde danach Tierquälerei vorgeworfen. Anschließend entwickelte sich eine Debatte um die Einhaltung des Tierwohls im Modernen Fünfkampf. Der zentrale Bestandteil der Diskussionen um das Reiten war und ist das Zulosen von fremden Pferden für die Reitsportler. Die Athleten haben bislang nur wenige Minuten Zeit, um sich mit den Tieren, mit denen sie dann um Olympiamedaillen kämpfen sollen, vertraut zu machen.

Enttäuschung im Sauerland

Der Moderne Fünfkampf besteht traditionell aus Schießen, Fechten, Schwimmen, Reiten und Laufen. Schießen und Laufen wurden inzwischen zur Disziplin Combined zusammengelegt. Dass nun das Reiten dem Radsport weichen soll, kann Ann-Kathrin Weber, Springreiterin und Geschäftsführerin des Reit- und Fahrvereins Oeventrop, nicht verstehen. „Wir finden es schade, dass das Reiten herausgenommen wird und sind uns sicher, dass solche Vorfälle wie bei Olympia nicht am Pferd und am Reiter liegen. Das ganze Regelwerk war der Auslöser für diesen Skandal, und dort muss man auch die Schuld suchen. Allein das Auslosen der Pferde ist totaler Blödsinn: Pferde sind keine Sportgeräte, die bei jedem gleich funktionieren. Man muss die Möglichkeit haben, das Pferd auf den Reiter und andersherum einzustellen. Es war klar, dass andernfalls irgendwann so etwas passieren muss“, sagt Weber.

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Änderungen des Regelwerks seien von Nöten. Es müsste sichergestellt werden, „dass Reiter und Pferd ein Team sind“, so die Springreiterin. Die schlimmen Szenen der Olympischen Spiele seien im Sommer auch am Stall in Oeventrop diskutiert worden. Die einhellige Meinung sei gewesen, dass der grundsätzliche Fehler im Regelwerk liege, so Weber: „Sowohl Sportler als auch Pferde sind durchaus fähig, diesen Parcours zu meistern, wenn sie dafür zugelassen sind.“

Ganz ähnlich sieht es im Gespräch mit dieser Zeitung der erfahrene Klaus Otte-Wiese, der seit Jahrzehnten erfolgreich auf Turnieren reitet und einen Reiterhof betreibt. „Wir trainieren jeden Tag, sieben Tage die Woche, das ganze Jahr über mit unseren Partnern – den Pferden. Sie sind ein Teil der Familie und unsere Freunde. Wir wissen, wie sie drauf sind, wann sie Formschwankungen haben oder ob sie sich wohlfühlen. Darauf kann man dann reagieren. Wir waren nicht froh darüber, was da in Tokio passiert ist“, sagt Otte-Wiese.

Fairer Umgang mit Pferden

Der Springreiter des Reitervereins Hellefeld sieht ebenfalls in der zufällig erfolgten Auslosung der Pferde bei den Olympischen Sommerspielen das Grundproblem: „Das ist ja dann keine Einheit. Das ist nicht das Reiten, was es bei uns ausmacht.“ Denn ganz anders würden die Pferde der heimischen Züchter und Reitsportler behandelt. „Wir versuchen, die Pferde so zu behandeln, dass sie sich motiviert fühlen. Sie sind unser Kapital – und wir wollen einen fairen Umgang. Bei uns dreht sich alles 24 Stunden um die Pferde. Tierquälerei ist da ganz weit weg. Das wollen wir auch nach außen klarmachen“, betont Klaus Otte-Wiese.

Das ganze Thema intensiv verfolgt hat auch Springreiterin Kathrin Müller vom Zucht-, Reit- und Fahrverein Voßwinkel. Die ambitionierte Reitsportlerin, die regelmäßig als Profi Turniere reitet, ist der Meinung, „dass es richtig ist, dass das Reiten aus dem Modernen Fünfkampf rausgenommen wird. Das sind dort keine Profireiter und haben weder das Können noch die Muße, mit dem Pferd eine Partnerschaft zu bilden. Das ist in 20 Minuten Kennenlernen mit dem Tier auch nicht möglich, zumal die Sportler zu Hause auch alle anderen Disziplinen intensiv trainieren müssen“, so die Voßwinkelerin. „Mit dem Sport, den wir als Profireiter im HSK oder auf internationaler Ebene betreiben, hat das überhaupt nichts zu tun. Gar nichts.“

Die Stresssituationen, in die die Pferde bei Olympischen Spielen im Modernen Fünfkampf gebracht würden, „dürfen so nicht entstehen. Wenn ich das hier auf einem ländlichen Turnier mitbekommen würde, würde ich sofort einschreiten“. Das Pferd werde beim Fünfkampf als reines Sportgerät behandelt. Amazone Kathrin Müller: „Das ist ein absolutes No-Go.“