Winterberg. Bob-Anschieberin Leonie Fiebig (BSC Winterberg) hegt einen großen Traum: Sie will als Astronautin ins Weltall fliegen. Warum das klappen kann.
Dorthin, wo ihre Spikes bereits waren, möchte Leonie Fiebig auch einmal. Zur Erinnerung: Um den Spikes ihrer Sportschuhe ein gutes Omen zu verschaffen, schickte die 31-jährige Bob-Anschieberin des BSC Winterberg sie auf eine ganz besondere Reise – ins Weltall. Pünktlich zur Weltmeisterschaft 2021 in Altenberg kehrten die kleinen Tempohelfer wieder zurück und trugen ihren Teil zum vierten Platz bei, den Fiebig mit Pilotin Stefanie Schneider belegte. Jetzt will die Anschieberin mehr. Sie will selbst ins All.
Fiebig gehört zu insgesamt 22.600 Menschen, die Astronautin oder Astronaut werden wollen und sich bei der unlängst beendeten Bewerbungsrunde der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) um einen von vier bis sechs zu vergebenen Plätzen bewarben. 3700 Anwärterinnen und Anwärter kamen aus Deutschland. „Es ist ein Traumjob, Astronaut zu sein“, sagte Josef Aschbacher, Generaldirektor der ESA.
Dessen ist sich die Wahl-Kölnerin Fiebig seit langem bewusst. Schließlich schrieb die Studentin der Sportwissenschaften auch ihre Masterarbeit in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Astronautenzentrum. Im Interview spricht Fiebig über Parallelen zwischen einem Raumflug und einer Bobfahrt – und natürlich über die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking.
Frau Fiebig, wer eine Masterarbeit in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Astronautenzentrum (EAC) schreibt, fliegt zwangsläufig irgendwann auch zum Mond, oder?
Leonie Fiebig: (grinst) Das wäre auf jeden Fall verrückt, aber wie heißt es so schön: Sag’ niemals nie. Natürlich habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich mir das vorstellen könnte – ich war ja während meiner Zeit am EAC sehr nah am Geschehen. Bis jetzt ist es bei meiner Masterarbeit geblieben. Aber tatsächlich habe ich mich nach reiflicher Überlegung dann doch auf die kürzlich abgelaufene Astronautenausschreibung beworben.
Vom Bob in die Raumfähre: Wie geht es nach Ihrer Bewerbung denn jetzt weiter?
Das Auswahlverfahren hat sechs Stufen und erst Ende des kommenden Jahres soll die neue Raumfahrtcrew feststehen. Ich kleiner Nerd habe natürlich erstmal die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet. Wenn eine Frau ausgewählt wird, liegt sie bei 0,004 Prozent. Die Chancen sind jetzt nicht so riesengroß. Ich muss erstmal abwarten, ob ich in die nächste Stufe komme. Aber für mich persönlich war es wichtig, dass ich mich beworben habe. Jetzt liegt es nicht mehr in meiner Hand, also: erstmal. (lacht)
Um was für ein Thema geht es in Ihrer Masterarbeit denn wirklich?
Es geht um die Effektivität von Krafttraining in Schwerelosigkeit. Mit meiner Masterarbeit habe ich eine Reihe von Arbeiten angestoßen, die auch noch andere Trainingsformen wie zum Beispiel Ausdauertraining, plyometrisches Training, aber auch den Einfluss von bestimmten Ernährungs-Interventionen untersuchen. All das soll zum Optimierungsprozess der Trainingsmethoden und -programme für Astronauten beitragen. Das ist insbesondere wichtig im Hinblick auf zukünftige Missionen zum Mond und zum Mars, die mit längeren Aufenthaltszeiten im Weltraum einhergehen.
Und das reizt Sie also auch, irgendwann mal ins All zu fliegen.
Ich bin ein Typ Mensch, der gerne mal seine Komfortzone verlässt, dem es Spaß macht, sich stetig physisch und mental zu verbessern, und der fasziniert davon ist, wie Grenzen verschoben werden können. Deshalb: Ja, es reizt mich!
Durchgerüttelt und durchgeschüttelt zu werden, gehört auch zum Leben einer Bobfahrerin. Ist das nicht ähnlich eines Starts in einer Raumfähre?
Wie der Start in einer Rakete ist, das weiß ich natürlich – noch – nicht. Aber es gibt auf jeden Fall einige Parallelen zwischen einem Bobfahrer und einem Astronauten. Spontan fällt mir da ein: Das Funktionieren unter Druck, die essenzielle Wichtigkeit von Teamwork, die G-Kräfte, denen man ausgesetzt ist, die Optimierung der Technologie und wahrscheinlich auch eine gewisse Neigung zur Verrücktheit. (lacht)
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In einer Raumfähre gibt es Piloten… und Sie wollen mal Pilotin werden?
Ist Bobpilot oder Flugpilot gemeint? (grinst) Ach, aber eigentlich egal was, Pilot, egal in welcher Form, finde ich schon spannend.
War es wichtig, die Masterarbeit jetzt abzuschließen, um sich voll auf die Olympia-Vorbereitung zu konzentrieren?
Auf jeden Fall. Es ist ein großes Privileg, aber gleichzeitig auch eine riesige Herausforderung, meinen akademischen mit meinem sportlichen Weg und umgekehrt zu verbinden. Aber ich weiß: Am Ende ist das Zeitfenster eines Profisportlers begrenzt. Deshalb bin ich unglaublich froh, dass ich das durchgezogen habe und ich mich nun auf die zukünftigen Herausforderungen konzentrieren kann.
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Vermissen Sie beim täglichen Kraft- und Ausdauertraining eigentlich schon die Kälte und das Geräusch einer Bobfahrt?
Ich sauge gerade jeden Sonnenstrahl auf, den ich kriegen kann, und jedes Eisbad kostet mich zehn Minuten Überwindung, bis ich drin bin. (lächelt) Denn bekanntlich bin ich nicht der größte Fan von Kälte, weshalb ich daran festhalte: Im nächsten Leben – Beachvolleyball! (lacht)