Winterberg. Bobpilotin Laura Nolte vom BSC Winterberg hat eine neue Anschieberin. Darum bietet so ein Wechsel in ihrem Sport Konfliktpotenzial.

Dieses Thema, und das sagt René Spies überraschend deutlich, sei nicht sein Thema. Der Winterberger trägt als Chef-Bundestrainer zwar die Verantwortung für die deutschen Bobfahrerinnen und gibt bei der teils dramatischen Jagd nach Weltcupsiegen oder Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Winterspielen die Richtung vor, „aber in den Wechsel von Anschieberinnen nach der Saison bin ich nicht involviert“, erklärt er. Dass Viktoria Dönicke jetzt Anschieberin bei Laura Nolte, der Pilotin des BSC Winterberg, ist – nimmt der Cheftrainer lediglich zur Kenntnis. Und das hat Gründe.

Doch wie läuft der Wechsel einer Anschieberin von einem Team zum anderen im Bobsport ab? Wer zum Beispiel in der vergangenen Saison verfolgte, wie hart der Konkurrenzkampf unter den vier deutschen Top-Pilotinnen Laura Nolte, Stefanie Schneider, Mariama Jamanka und Kim Kalicki um die drei Plätze im Weltcup war, der sieht ein gewaltiges Konfliktpotenzial, wenn die eine der anderen auch noch eine Anschieberin abwirbt. „Brutal“ sei der interne Kampf um die Plätze gewesen, erklärt auch Spies.

Laura Nolte und Co.: Nuancen werden entscheiden

Im kommenden Winter wird das ebenso der Fall sein, schließlich steht mit den Olympischen Winterspielen in Pekingein Höhepunkt bevor, den es lediglich alle vier Jahre gibt. Auch dort werden nur drei Pilotinnen an den Start gehen dürfen. „Es wird ein harter und spannender Konkurrenzkampf, wer das Olympia-Ticket löst. Nuancen werden entscheiden“, sagt Laura Nolte über den zu erwartenden Krimi.

Für diesen rüstet sie ihr Team weiter auf, in dem sie es mit der 22-jährigen Anschieberin Viktoria Dönicke verstärkt. „Vicky und ich verstehen uns gut“, erklärt Nolte. „Sie half in der vergangenen Saison bereits viel bei uns aus, war zum Beispiel beim Weltcup in St. Moritz als Ersatz dabei und bei der Weltmeisterschaft auch“, ergänzt sie. Dönicke ist somit eine von drei Nolte-Anschieberinnen. Denn zum Team gehören bereits Start-Rakete Deborah Levi und Cynthia Kwofie.

Doch weit weniger spannend als der Kampf um die freien Plätze im Weltcup und später bei den Olympischen Winterspielen verlaufen die Wechsel der Anschieberinnen nach der Saison. „Es gibt mehrere Faktoren, nach denen man Anschieberinnen sucht“, sagt die amtierende Junioren-Weltmeisterin Laura Nolte: „Natürlich spielt die Leistung eine Rolle, da wir uns nun einmal im Leistungssport bewegen. Mir ist aber auch die persönliche Ebene ganz wichtig. Wenn man den ganzen Winter gemeinsam unterwegs ist, darf es so wenig Konfliktpotenzial wie möglich geben. Wir wollen ja Spaß haben und erfolgreich sein.“

Levi das größte deutsche Talent

Leidensfähig müssen Anschieberinnen zudem sein. Denn nur eine kann hinter der Pilotin bei Wettkämpfen in den Bob springen. Und diese Rolle nimmt im Team Nolte bis auf Weiteres Deborah Levi ein. Sie gilt als das größte deutsche Talent auf dieser Position und gewann mit der BSC-Pilotin bei der WM 2021 in Altenberg auch die Bronzemedaille. „Generell versucht man, allen Anschieberinnen Einsätze zu geben. Aber im September ist ein Leistungstest – und natürlich gibt es anschließend eine grobe Rangfolge“, erzählt Laura Nolte, die mit ihren 22 Jahren aktuell die jüngste Chefin eines deutschen Bobteams auf Weltcup-Niveau ist.

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Kein hinterlistiges Abwerben, keine Ablösesummen wie im Fußball – Anschieberinnen wechseln, wenn überhaupt, recht unspektakulär das Team. Warum René Spies nicht mehr Einfluss nimmt? Das liegt auf der Hand. Im Zweifel ordnet er während der Saison nach dem Leistungsprinzip an, welche Pilotin mit welcher Anschieberin bei Weltcuprennen oder sonst wo startet. Spies regelt so etwas im Dialog, aber er regelt es. Leonie Fiebig, Anschieberin des BSC Winterberg, erhielt in der vergangenen Saison beispielsweise Weltcup-Einsätze, obwohl sich ihre Pilotin Stefanie Schneider anfangs nicht für die Serie qualifizierte.

„Ich habe auch noch nie eine Empfehlung ausgesprochen“, sagt der Cheftrainer: „Das müssen sie selbst klären.“ Laura Nolte und Co. tun dies. Geräuschlos.