Sauerland. Sportvereine und der Kreissportbund im Hochsauerlandkreis setzen sich gegen sexualisierte Gewalt im Sport ein. Ihre Maßnahmen und Stimmen.
Nähe und Vertrauen spielen schon immer eine entscheidende Rolle im Vereinssport – sie können aber auch ausgenutzt werden. Ein Blick, eine Berührung, ein Kommentar zu viel können die Grenze überschreiten und das Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Athlet, Gruppenleiter und Kind nachhaltig negativ beeinflussen – oder gar für immer zerstören.
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Wie heimische Sportvereine versuchen, dem Thema sexualisierte Gewalt im Sport vor allem präventiv und somit erfolgreich entgegenzuwirken, erklären Vereinsfunktionäre und Übungsleiter.
Der HSK-Sport und das erweiterte Führungszeugnis
Bereits vor etwa zwei Jahren waren es schon gut 200 Vereine im gesamten Hochsauerlandkreis, die eine Vereinbarung mit dem Kreis trafen. Die Klubs verpflichteten sich dazu, sich von ihren Trainern regelmäßig ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen zu lassen.
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Wichtig ist in diesem Zusammenhang das erweiterte Führungszeugnis. Christoph Pehle, Pressesprecher des SV Neptun Neheim-Hüsten, betont, dass Schwimmvereine beispielsweise bei der Auswahl ihrer Trainer besonders umsichtig agieren sollten. „Es sollte aus Vereinssicht Wert darauf gelegt werden, dass nicht nur das polizeiliche Führungszeugnis, sondern auch ein erweitertes Führungszeugnis, indem alle kinder- und jugendschutzrelevanten Verurteilungen auftauchen, verlangt wird. Das ist keine Vorverurteilung, aber wenn jemand in der sportlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetztwerden soll, muss man als Verein das Maximalmögliche machen, damit alle Unwägbarkeiten ausgeschlossen sind“, sagt Pehle.
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Darüber, bei neuen Übungsleitern vorab das erweiterte Führungszeugnis zu verlangen, sei vor zwei Jahren auch beim SSV Meschede „intensiv diskutiert“ worden, sagt Vorsitzender Martin Kettler. „Wir haben uns letztlich dagegen entschieden, da es auch ein enormer bürokratischer Aufwand für eine dreistellige Anzahl an Übungsleitern ist, da das Zeugnis stets aktualisiert werden muss“, so Kettler.
Stattdessen setze der Verein auf einen Ehrenkodex, den alle Übungs- und Gruppenleiter sowie Trainer unterzeichnen müssen. Kettler: „Es geht vor allem darum, immer den Kindesschutz zu wahren. Bezogen auf den Inhalt wird darüber hinaus im Gespräch deutlich gemacht, was wir erwarten.“
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Grenzüberschreitungen zwischen Kindern sowie Jugendlichen und Trainern könnten sich heutzutage anders darstellen als noch vor 20, 30 Jahren, sagt Kettler: „Positiv ist, dass Eltern heute oft viel wachsamer sind als früher. Als Verein ist es uns wichtig, transparent zu sein: Eltern können sich jederzeit melden, wenn ihnen etwas auffällt. Wir hoffen auch, dass man untereinander im Verein die Augen offen hält.“
Transparenz ist enorm wichtig
Der langjährigen Juniorenfußballtrainerin Kristin Thiele vom TuS Sundern ist es vor allem wichtig, „dass Kinder nicht immer nur stark sein müssen, vor allem Jungen nicht. Man sollte sie beim Thema sexualisierte Gewalt beziehungsweise der Prävention davor auf einer Gefühlsebene abholen. Es ist auch für Jungs okay, zu weinen und über Gefühle zu sprechen“. Im Komplex sieht Thiele noch immer „ein Tabuthema. Man muss offen sein und das auch für Außenstehende transparent darstellen – das wirkt am besten“, sagt Thiele, die als Erzieherin eine Weiterbildung zur Kinderschutzfachkraft absolviert hat.
Transparenz – ist auch Vereinskollege Luigi Papa sehr wichtig. Der 39-Jährige hat selbst zwei Kinder (vier und acht Jahre alt) und trainiert beim TuS Sundern die F1-Juniorenfußballer. „Es gibt immer mal wieder Leute, die gerne den Trainer machen würden, aber nicht jeder ist dazu geeignet. Aus meiner Sicht muss man vor allem Verständnis für die Kinder mitbringen. Man sollte ein Vorbild für sie sein“, sagt Papa.
Entscheidend sei es, die Eltern der Kinder, die bei ihm trainieren und in der Mannschaft Ligaspiele absolvieren, mit einzubinden. Auch, weil er selbst keinen Betreuer an seiner Seite hat, hat der Sunderner Luigi Papa eine feste Regel: „Es passiert ja immer mal wieder, dass sich ein Kind wehtut oder traurig ist und weint. Natürlich nehme ich das Kind dann auch mal in den Arm. Mir ist es aber wichtig, dass immer ein Elternteil dabei ist. Die Eltern sollen sehen, wie man als Trainer mit den Kindern umgeht – nämlich mit sehr viel Respekt.“
So unterstützt der Kreissportbund
Wichtiger Ansprechpartner auch zum Themenkomplex Sexualisierte Gewalt im Sport ist der Kreissportbund Hochsauerlandkreis (KSB HSK). André Erlmann, stellvertretender Geschäftsstellenleiter des KSB in Bestwig, betont, „dass dieses Thema nicht erst besprochen werden darf, wenn im übertragenen Sinne das Kind in den Brunnen gefallen ist. Auch im Sport gibt es eine Dunkelziffer an Fällen, die nicht bekannt werden. Wir freuen uns daher über jeden Verein, der sich mit der Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt auf den Weg macht“.
Ein großer Fortschritt sei es zuletzt gewesen, „dass wir es geschafft haben, dass die HSK-Jugendämter an einem Strang ziehen. Das Bundeskinderschutzgesetz vor allem im Hinblick auf die Bedingungen rund um die Beantragung und Einsichtnahme in das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis soll gemeinsam umgesetzt werden. Wir befinden uns auf einem guten Weg“.
Das Ziel: Übungsleiter sensibilisieren
Wenn ein Verein erste Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt anstoßen möchte, dient der KSB als Ansprechpartner, um Trainer und Übungsleiter für das Thema zu sensibilisieren. Der Kreissportbund bietet Infoveranstaltungen und Fortbildungen wie etwa am 13. September an, schickt Fachreferenten kostenlos in die Vereine und unterstützt das „Qualitätsbündnis Prävention zum Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport“.
Das interaktive Theaterstück „Anne Tore – sind wir stark“ soll Kinder von acht bis elf Jahren sensibilisieren. „Eine gute Hilfe kann es auch sein, dass es sowohl weibliche als auch männliche Ansprechpartner für dieses Thema in einem Verein gibt“, sagt Erlmann.