Sundern. Vor den Olympischen Spielen 1960 in Rom trug auch der Sunderner Enzo Errante als Läufer die Fackel. Warum er als 86-Jähriger noch davon schwärmt.

„Dann fahren wir eben nächstes Jahr!“ Das ist die äußerst optimistische Trotzreaktion von Vincenzo Errante aus Sundern-Hachen auf die Absage der Olympischen Spiele in Tokio. Dabei hält der jetzt 86-Jährige die Olympische Fackel in der Hand. Seine Fackel.

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Doch von vorn: An einem brüllend heißen Sommertag 1960 rannte der heutige Hachener in seiner kalabrischen Heimat gut 1500 Meter mit dem Olympischen Feuer – auf dem Weg vom griechischen Olympia nach Rom, wo vor 60 Jahren die 17. Olympischen Sommerspiele stattfanden. Da der direkte Weg sehr kurz gewesen wäre, zog man eine lange Schleife mit dem Schiff durch das Mittelmeer bis nach Catania (Sizilien), von dort trugen sie Läufer bis nach Messina, wo die Fackel in einem Ruderboot über die Meerenge aufs Festland gebracht wurde. Dann begann in Reggio Calabria der Lauf über Cosenza, Matera, Avellino, Salerno, Neapel und Caserta bis nach Rom.

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Für die jeweiligen Streckenabschnitte hatte man schon lange vorher sportliche junge Italiener ausgesucht. „Enzo“ Errante hatte einen Anruf vom Leichtathletikverband erhalten, denn er war in den 1950er Jahren kein Unbekannter. „1954 hatte ich die Olympia-Norm für die Olympischen Spiele in Melbourne über 1500 Meter geschafft“, erinnert sich der Hachener an seine sportlichsten Zeiten.

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Während seiner Marinezeit konnte er gut trainieren, doch danach wieder arbeiten. So knüpfte er an die guten 5:15 Minuten von 1954 nicht mehr an: „So war Olympia für mich passe.“

Für Olympia 1960 mitten durch die Gluthitze

Das Angebot, die Fackel in seiner Heimatstadt Brancaleone zu tragen, nahm der damals 26-Jährige gerne an. So wurde er am 19. August 1960 Teil eines großen Ereignisses. Tausende Menschen säumten die Stellen entlang der Küstenstraße an der Fußspitze des italienischen Stiefels. „Es war 42 Grad heiß“, erinnert sich Enzo Errante. „Es war der schönste Tag in meinem Leben!“

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Die Menge habe „Viva Enzo!“ und „Viva Roma!“ gerufen, aber leider habe er in der Straßenmitte laufen müssen: „Und da war kein Schatten.“ Wie in Trance habe er den Punkt erreicht, an dem der nächste Läufer wartete: Der ganze olympische Korso hielt an, das Feuer wurde weitergegeben und danach stand nur noch Ausruhen im Schatten an. Doch Enzo Errante wurde gefeiert, daran erinnern Bilder, die ihn mit seiner Mutter Angela und dem Bürgermeister von Brancaleone zeigen.

Wo die Fackel jetzt einen Ehrenplatz hat

Die Fackel von 1960 hat auch im Haus am Hachener Engelberg immer noch eine Ehrenplatz. Damals habe er ein Kaufangebot erhalten, erinnert sich Errante. Doch sein Lehrer habe ihn vor einer Dummheit bewahrt: „Wenn du verkaufst, dann ärgerst du dich dein ganzes Leben.“ Und so kann der Senior auch heute noch dem Reporter, in der Coronakrise nur durch das Fenster, die Fackel von damals präsentieren.

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Traurig ist der Hachener, dass Olympia 2020 in Tokio verlegt wird: „Ich wollte mit einem anderen Läufer von damals während der Zeit für einige Tage ins griechische Olympia fahren. Nach Japan war es uns zu weit“, berichtet er. Nun sei der Plan eben um ein Jahr verschoben: „Dann eben im Sommer 2021!“

Der Weg der Flamme bis nach Rom

Die olympische Fackel wurde am 12. August 1960 um 9.30 Uhr im griechischen Olympia entzündet. Erster Fackelläufer war der griechische Zehnkämpfer Penaghoitis Epitropoulos, der später bei den Spielen in Rom den 23. Platz belegen sollte. Bis zum nächsten Tag wurde die Flamme 330 Kilometer über Athen bis nach Piräus getragen. Dort brachte ein Ruderboot die Flamme auf den Großsegler „Amerigo Vespucci“, der nach 900 Kilometern Seereise am 18. August um 21 Uhr in Syrakus ankam.

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Von dort wurde die Fackel über Catania nach Messina getragen. Die Überfahrt über die Straße von Messina erfolgte in einem Ruderboot. Dann begann in Reggio Calabria der Lauf nach Rom. Insgesamt wurden in Italien 1532,8 Kilometer gelaufen; am 24. August erreichte die Flamme das Olympiastadion. Errante war einer von 1199 Läufern in Italien, in Griechenland gab’s 330.

Ein Jahr später folgte Enzo Errante dem Strom vieler kalabrischer Landsleute in das Sauerland. Zunächst arbeitete er bei der Firma Carl Froh in Hachen, stellte aber fest, dass es den Italienern hier an original italienischen Waren mangelte. Und so zog er mit den Jahren einen immer größer werdenden Fachhandel auf. Gleichzeitig engagierte sich Errante in der Röhrtalgemeinde in vielen Vereinen, so auch im Sportverein, dem TuS Hachen.